Kommentar
21:26 Uhr, 04.06.2014

Rätsel um US Handelsbilanz

Dass die USA sehr viel mehr importieren als exportieren ist kein Geheimnis. Mit einem jährlichen Handelsbilanzdefizit von 500 Mrd. im Jahr lässt sich das auch schwer vertuschen.

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500 Mrd. sind dabei schon deutlich weniger als noch vor der Krise, als das Defizit einen Rekord von fast 800 Mrd. erreichte.

Betrachtet man die lange Zeitreihe der US Nettoexporte (Exporte - Importe), dann sieht man sehr schön, wie sich das Defizit ungebremst und rapide ausweitete. Auf Dauer ist ein solches Defizit nicht optimal. Es muss letztlich über Kapitalzuflüsse aus dem Ausland ausgeglichen werden. Mit dem USD als Reservewährung war das nie ein Problem. Der Dollar bestimmt nach wie vor einen Großteil des weltweiten (realen) Handels und Devisenhandels. Für jedes andere Land führt ein solches Defizit früher oder später zu Problemen. Schwellenländer mit zu großen Defiziten waren nicht selten davon bedroht.

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Für die Welt ist die Importlaune der Amerikaner sehr gut. Was die Amerikaner im Ausland einkaufen, muss schließlich produziert werden. Das schafft Arbeitsplätze und Wachstum. Es sind aber nicht nur Importe aus China, die das Defizit treiben, sondern vor allem auch Ölimporte. Die USA importieren derzeit um gut 350 Mrd. USD Öl pro Jahr. Das ist ein Großteil des Defizits. Das Ausmaß hat sich in den vergangenen Jahren schon deutlich reduziert. 2008 lag der Betrag um ca. 100 Mrd. höher. Überhaupt importieren die USA fast 30% weniger Öl als noch 2005/06. Das liegt allerdings nicht daran, dass die USA so viel mehr Öl selbst produzieren. Die Produktion im Ölboom ist zwar in den vergangenen Jahren gestiegen (um beeindruckende 60%), aber absolut gesehen ist das noch immer zu wenig, um den Ölbedarf zu decken.

Die USA importieren seit dem Exzess 2005/06 ca. 1,4 Mrd. Barrel weniger Öl. Die Produktion ist seither allerdings nur um 825 Mio. Barrel gestiegen. Die Amerikaner verbrauchen tatsächlich weniger Öl. Der Trend ist intakt - sowohl bei der Produktion als auch beim Verbrauch. Das sollte das Handelsdefizit eigentlich weiter senken. Es steigt nun aber wieder deutlicher an. Am Öl liegt es nicht.

Das ist letztlich kein wirkliches Rätsel. Die USA fallen lediglich in altbekannte Muster zurück. Es wurden vor allem mehr Konsumgüter importiert (+3,3 Mrd.). Für den Rest der Welt ist das erfreulich. Sie können sich auf die Amerikaner als Abnehmer verlassen. Die Ausweitung des Handelsbilanzdefizits von 6,8 Mrd. im vergangenen Monat gibt aber nicht nur Grund zur Freude für die Welt. Die USA importierten nämlich nicht einfach nur mehr. Die Exporte stiegen sehr viel langsamer an als die Importe. Die USA exportieren viele industrielle Güter. Hier scheint sich der Bedarf etwas abzuschwächen. Von einer weltweit dynamischen Erholung mit erhöhtem Bedarf nach Industrie- und Investitionsgütern kann man da nicht sprechen.

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Was ist das Fazit? Grundsätzlich ist alles in Ordnung. Aber: die USA fallen wieder in alte Konsummuster, was gut für die Welt ist, auf Dauer für die USA allerdings nicht zu favorisieren. Zudem scheint sich die Nachfrage nach typischen Gütern des Aufschwungs abzuschwächen. Es sieht so aus als würde die "dynamische" Erholung der Weltwirtschaft eine kleine Pause einlegen.

Clemens Schmale

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5 Kommentare

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  • Wolfi81
    Wolfi81

    Guten Morgen allerseits,

    mal die naive Frage eines wirtschaftlichen Laiens:

    Warum profitieren diejenigen, die in die USA exportieren? Gut, es werden Arbeitsplätze geschaffen, aber wenn man es genau betrachtet, werden wichtige, werthaltige Güter wie Rohstoffe oder (teilweise) hochwertige Industriegüter gegen wertlose, beliebig vermehrbare grüne Zettelchen getauscht. Man verschenkt also hart erarbeiteten Wohlstand.

    Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass die USA auf Kosten der restlichen Welt leben und zwar mit dem Druckmittel ihrer militärischen Macht.

    10:37 Uhr, 05.06. 2014
    2 Antworten anzeigen
  • student
    student

    Das permanente Handelsdefizit können sich die USA nur leisten, weil sie ihre Weltleitwährung auf der ganzen Welt verteidigen. Ohne die Präsenz - und dem Ausbau - ihrer Militärbasen an neuralgisch wichtigen Punkten der Rohstoffgewinnung oder des Warenhandels wären die USA längst nur ein Industriestaat von bestenfalls durchschnittlichem Niveau.

    Die immer noch andauernde Besetzung und Unterdrückung des irakischen Volkes als Drohung für die Ölländer, weiter brav ihr Öl in Dollars zu handeln und der amerikanische Übergriff auf die geopolitisch und energiepolitisch wichtige Ukraine zeigt, dass die USA glauben, sich nur mittels militärischer inszenierter Konflikte und Kriege die Vormachtstellung erhalten zu können.

    Obama rührt ganz bewusst die Kriegstrommel und fordert die neuen Natomitglieder auf, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Was für ein Geschäft. Die Auftragsbücher werden sich wieder

    01:11 Uhr, 05.06. 2014
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Guten Abend Herr Schmale,

    die Geldumlaufgeschwindigkeit der Geldmenge M1 in den USA befindet sich in der Nähe eines 20-Jahres Tiefs. Die Geldumlaufgeschwindigt von M2 befindet sich auf dem tiefsten Stand aller Zeiten. Aus Sicht der FED ist das doch höchst unbefriegend, stellt sich doch die Frage, ob die FED-Politik tatsächlich erfolgreich war. Denn diese Entwicklungen der Geldumlaufgeschwindigkeit deuten auf eine massiv deflationäre Situation hin.

    Drücken wir uns die Daumen, das die Erholung der Weltwirtschaft nur eine kleine Pause macht.

    23:30 Uhr, 04.06. 2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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