Kommentar
09:06 Uhr, 09.03.2015

QE aus Sicht einer Zentralbank

Kreditvergabe ist nicht genug. Es wird zwar immer wieder in den Medien vorgekaut, dass mit der Vergabe von mehr Krediten alle Probleme in Europa gelöst werden könnten. Dem ist aber nicht so.

Nehme ich einen Kredit auf, um ein Haus zu kaufen, dann kommt es vor allem darauf an, was der Verkäufer mit dem Geld macht. Nutzt er es, um seinen Kredit zurückzuzahlen, dann tut das unterm Strich gar nichts. Mein Kredit erhöht die Geldmenge. Die Rückzahlung auf der anderen Seite verringert die Geldmenge wieder. Wird mit dem Geld, welches ich für das Haus zahle, nicht wieder etwas gekauft oder gebaut, dann bringt das nichts. Es bringt auch nichts, wenn der Hausverkäufer das Geld dann einfach auf seinem Konto liegen lässt. Dort ist es äußerst unproduktiv und trägt nichts zur Nachfragsteigerung bei. Eine Runde Kreditvergabe löst also nicht unbedingt gleich alle wirtschaftlichen Probleme. Diejenigen, denen das Geld aus Krediten letztlich zufließt, müssen es schon weiter im aktiven Wirtschaftskreislauf halten, damit es einen Effekt hat.

Derzeit funktioniert das nicht. Das Kreditwachstum ist lahm. Werden neue Kredite aufgenommen, dann erhöht sich die Gesamtkreditsumme dennoch nicht. Das liegt daran, dass viele Kreditnehmer einfach alte Kredite mit hohen Zinsen durch neue mit niedrigen Zinsen ablösen. In vielen anderen Ländern musste die Überschuldung erst einmal abgebaut werden. Es musste Geld vernichtet werden, indem Kredite zurückgezahlt wurden. Das steht dem Ziel der Zentralbanken entgegen die Wirtschaft wieder ins Wachstum zu führen und ihr Inflationsziel zu erreichen.

Herkömmliche Geldpolitik hilft da nicht mehr. Im Normalfall würde die Zentralbank die Zinsen senken. Kredit wird billiger. Kredit wird aufgenommen und ausgegeben. Das hält die Wirtschaft am Laufen. In der zurückliegenden Rezession und in der darauffolgenden „Erholung“ hat das bisher nicht funktioniert. Dort, wo Konsumenten Kredit bekommen würden, wollen sie ihn nicht. Dort, wo Kredit gebraucht würde, wollen die Banken ihn nicht vergeben. Damit vermehrt sich die Geldmenge nicht so wie von der Zentralbank gewünscht und kann auch nicht wegen erhöhter Nachfrage zu höherer Inflation führen.

Um die begrenzte Kreditnachfrage und Kreditvergabe zu umgehen bzw. die Wirtschaft anderweitig zu stimulieren, wird zu unkonventionellen Mitteln gegriffen. Dazu gehört vor allem QE (Quantitative Easing). In diesem Fall kauft die Zentralbank direkt Assets und spült so zusätzliches Geld ins System.

Die Abbildung zeigt das Prinzip. Die Grafik entstammt einem Paper der BoE. Als Beispiel zeigt es einen Pensionsfonds. Dieser hält Staatsanleihen. Dann beginnt QE und die Zentralbank kauft diese Staatsanleihen. Dafür bekommt der Pensionsfonds Geld, welches als Einlage bei Banken landet. Der Pensionsfonds muss sein Geld letztlich wieder irgendwo anlegen, um Geld zu verdienen. Statt Staatsanleihen kauft er dann andere Assets, z.B. Unternehmensanleihen oder Aktien. Insbesondere soll das neu geschaffene Geld in den Fremdkapitalmarkt fließen. Kaufen Pensionsfonds nun Unternehmensanleihen, steigt deren Kurs und die Rendite fällt. Unternehmen können sich günstiger Geld beschaffen, welches diese dann ausgeben und die Wirtschaft ankurbeln. Vor lauter Anlagenotstand gehen Versicherungen und Pensionsfonds auch immer mehr in Infrastrukturprojekte, die sie zu gewissen Anteilen finanzieren und langfristig eine

stabile Rendite erwirtschaften. So kurbeln die Verkäufer von Staatsanleihen die Wirtschaft dann direkt an.

Generell ist einer der Haupteffekte von QE die Preissteigerung von Assets, seien es Aktien, Anleihen oder Immobilien. Steigen die Preise dieser Assets, dann sollte dieser Vermögenseffekt mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zu höheren Ausgaben führen. Wer Assets besitzt und diese im Wert steigen, hat letztlich mehr Vermögen für Ausgaben zur Verfügung.

Mit dieser Logik ist klar, wer nicht von QE profitiert: jene, die keine Assets besitzen. Die, die ohnehin ein höheres Vermögen haben, werden nicht unbedingt mehr ausgeben, weil ihr Anlagevermögen nun 10% mehr wert ist. Der Effekt von QE auf den Konsum dürfte daher nur sehr begrenzt sein. Gleichzeitig kann man sich auch die Frage stellen, was passiert, wenn QE rückabgewickelt wird. Kann das überhaupt geschehen, ohne den Effekt der Vermögenswertsteigerung wieder rückgängig zu machen?

Wenn Zentralbanken beginnen ihre Bilanzen wieder zu normalisieren und dadurch der Wert von Vermögen wieder zurückgeht, dann ist das ganze mehr oder minder ein Nullsummenspiel. Man kann es auch so interpretieren: durch die Ausweitung der Zentralbankbilanzen leiht sich ein Land vom zukünftigen Wachstum. Es wird von später auf jetzt vorgezogen. Wird QE dann rückgängig gemacht, dann wird das Wachstum zu diesem Zeitpunkt reduziert. Man würde unterm Strich nichts gewinnen. Immerhin könnte man QE dann zusprechen die Konjunkturzyklen zu glätten.

Die Zentralbank steuert dies, indem sie Banken umgeht. Sie kauft direkt Anleihen von Investoren wie Pensionsfonds, Unternehmen und Investoren. Diese erhalten im Gegenzug Geld (Einlagen), welches sie wieder veranlagen müssen, sodass Preise von Aktien und Anleihen generell steigen oder sie können das Geld auch direkt ausgeben. Das wäre wohl ein Traum jeder Notenbank. Diesen Effekt konnte man jedoch noch nicht beobachten.

Die BoE räumt mit ihrem Paper mit einigen falschen Vorstellungen auf. Ganz nebenbei entzaubert sie ganz entgegen anderen Notenbanken QE, ihre eigene Rolle und vermutete Allmacht der Notenbanken.

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  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Hallo

    "Man kann es auch so interpretieren: durch die Ausweitung der Zentralbankbilanzen leiht sich ein Land vom zukünftigen Wachstum. Es wird von später auf jetzt vorgezogen. Wird QE dann rückgängig gemacht, dann wird das Wachstum zu diesem Zeitpunkt reduziert. Man würde unterm Strich nichts gewinnen. Immerhin könnte man QE dann zusprechen die Konjunkturzyklen zu glätten"

    Das habe ich nicht verstanden.

    Wenn ein Land das Wachstum von morgen auf heute vorzieht, dann werden doch die Konjunkturzyklen nicht geglättet? Ich würde sagen, sie werden extrem verschärft.

    Das Wachstum von morgen wird vorverlagert und ich habe heute doppeltes Wachstum (heute+morgen). Eine steile Wachstumskurve.

    Und morgen?

    Da fällt ja meine Wachstumskurve komplett in sich zusammen.

    Das ist doch total bescheuert!

    Wenn ich ein Brot für eine Woche habe und ess es heute komplett auf, anstatt jeweils nur ein Stück heute, morgen und übermorgen zu essen, dann werde ich spätestens übermorgen richtig böse hungern.

    13:40 Uhr, 09.03. 2015
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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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