Pandemie als Thema auf US-Finanzmärkten faktisch abgehakt – vielleicht etwas zu früh?
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Mit ihren gewaltigen Fiskalpaketen und rasantes Impftempo dürften die Vereinigten Staaten auch beim
Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten vorangehen. Auf längere Sicht (1-2 Jahre) sollte sich der Dollar aber abschwächen und Europa und die Emerging Markets dürften volkswirtschaftlich aufholen. Das könnte sich dann auch in einer entsprechend überdurchschnittlichen Kursentwicklung an den Aktienmärkten niederschlagen.
- Die Nachfrage aus China hat wohl erst einmal ihren Zenit überschritten und Rohstoffe scheinen derzeit auch ein „Konsens-Trade“ vieler
Investoren zu sein. Auch von daher wäre eine Korrekturbewegung völlig normal. An unserem langfristig positiven Bild für viele Rohstoffe sowie für Schwellenländeraktienändert das aber nichts.
- Dass der globale Konjunkturaufschwung nicht synchron verläuft, sondern gestaffelt (erst China, dann die USA und in weiterer Folge Europa, Lateinamerika und Teile Asiens), könnte sich sogar als eine letztlich sehr positive Entwicklung erweisen.
- Das Thema Pandemie scheint man auf den Finanzmärkten zumindest in den USA bereits komplett abgehakt zu haben. Aber auch in Europa und etlichen Schwellenländern, die eigentlich noch fest im Griff des Virus sind, schauen die Märkte vor allem auf die Zeit nach Pandemie, Lockdowns und Reisebeschränkungen. Naturgemäß birgt das ein gewisses Risikopotential, falls es neuerliche Rückschläge geben sollte (z.B. Impfstoffprobleme, neue Mutationen). Weitgehend offen ist zudem ja auch, wie lange und wie nachhaltig die verabreichten Impfungen wirken werden. An den Märkten geht man derzeit davon aus, dass man notfalls halt ein- oder zweimal pro Jahr nachimpfen müsste. Die Frage ist nur, ob das überhaupt so einfach möglich ist. Es gibt bislang keine Erfahrungen im massenhaften Dauer- und Mehrfacheinsatz von mRNA-Impfstoffen, von den auf Dauer ganz erheblichen Kosten
ganz zu schweigen. Für viele Emerging Markets dürfte es weder logistisch noch finanziell zu stemmen sein, ein solches permanentes Impfregime zu etablieren. Das sind gewiss Fragen für die Zukunft, die jetzt noch keine Rolle an den Finanzmärkten spielen. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte könnten aber auch solche Überlegungen dort zunehmend angestellt werden.
China: Chinas Wirtschaftsdynamik dürfte sich in den kommenden Monaten mit großer Sicherheit etwas abschwächen, aber der volkswirtschaftliche Wachstumspfad bleibt trotzdem intakt. Veränderungen an den Finanz- und Immobilienmärkten dürften die Rohstoffmärkte zu spüren bekommen, zumal chinesische Unternehmen im vergangenen Jahr ihre Rohstoffvorräte kräftig aufgestockt haben.
Indien: Weder Regierung noch Banken verfügen über die finanziellen Ressourcen, mit ähnlichen Unterstützungsmaßnahmen gegenzusteuern wie im vergangenen Jahr. Die Ratingagentur Moody’s warnte bereits, dass die jüngsten Entwicklungen unter Umständen die Kreditwürdigkeit Indiens
beeinträchtigen könnten. Wir hatten in der Februar-Ausgabe des em-report darauf hingewiesen, dass Indien gerade noch so das Investmentgrade-Siegel trägt. Eine etwaige Herabstufung wäre sehr negativ für Refinanzierung und potenziell auch die Währung und würde den Handlungsspielraum von Regierung und Notenbank zusätzlich beschneiden.
Brasilien: Die Börse in Sao Paolo legte im März trotz der verschärften Pandemiesituation und der Zinsanhebung um rund 6 % zu, was zum Teil aber auch eine technische Gegenbewegung nach den vorangegangenen Kursverlusten gewesen sein dürfte.
Russland: Die USA verhängten im März neue Sanktionen gegen Russland. Die Marktreaktion hielt sich in Grenzen, auch deshalb, weil Sekundärmarktinvestments weiter möglich sind und die Wirkung der Maßnahmen daher überschaubar ist. Unmittelbar nach Verhängung der Sanktionen rief Biden zu einer De-eskalation auf und betonte, man habe bewusst auf noch schärfere Maßnahmen verzichtet. Dennoch dürften wohl zumindest symbolische russische Vergeltungsmaßnahmen folgen. Der Moskauer Aktienmarkt gehörte im März zu den stärkeren Schwellenländerbörsen und legte rund 5 % zu. In Dollar gerechnet betrug das Plus 3,6 %.
Türkei: Mitte April, in ihrer ersten turnusmäßigen Zusammenkunft nach dem neuerlichen Führungswechsel, beließ die Notenbank die Leitzinsen erst einmal unverändert. Innenpolitisch stehen Erdogan und seine regierende AKP zunehmend unter Druck. Bei den nächsten Wahlen droht dem Bündnis aus AKP und MHP der Verlust der Parlamentsmehrheit. Mitte März beantragte der Generalstaatsanwalt das Verbot der zweitgrößten Oppositionspartei, der mehrheitlich kurdisch geprägten HDP. Außerdem will man über 600 der wichtigsten Funktionäre der Partei mit einem Politikverbot für fünf Jahre belegen, damit sie nicht in einer neuen kurdischen Partei aktiv werden können. Die Begründung: angebliche „separatistische Bestrebungen“. Mit dem Vorwurf des Separatismus und Terrorismus will man zugleich etwaige Kooperationen anderer Oppositionsparteien mit der HDP beenden oder erschweren.
CE3 (Polen, Tschechien, Ungarn): Erwähnenswert ist, dass die Inflationsraten zuletzt in allen drei Ländern über Erwarten kräftig gestiegen sind. Überbewerten sollte man diese Zahlen aber auch nicht, zumal sie – wie derzeit fast überall – auch durch zahlreiche Sondereffekte verzerrt werden (z.B. durch pandemiebedingte Änderungen im „Warenkorb“ der konsumierten Güter und Dienstleistungen.
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