Kommentar
16:07 Uhr, 22.07.2015

Ölsektor: Tal der Tränen

Vor ziemlich genau einem Jahr begann die Abwärtsbewegung auf dem Ölmarkt. Heute ist der Ölpreis immer noch niedrig. Das stellt Ölunternehmen vor große Herausforderungen.

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Ein Jahr fallender Preise ist eigentlich nicht so lang, möchte man meinen. Der Eindruck täuscht. Für Ölunternehmen ist ein Jahr eine Ewigkeit. Sowohl 2008 als auch im Jahr 2000, als die Preise gut 50% nachgaben, stand der Preis nach dem Sturz relativ schnell wieder höher. Die Situation ist für Ölunternehmen relativ neu. Das letzte Mal mussten sich die Firmen Mitte bis Ende der 80er Jahre mit einer längeren Phase niedrigerer Preise auseinandersetzen. In allen Niedrigpreisphasen zuvor konnten sie durch kurzfristige Kostensenkungsmaßnahmen gut durch die Krise kommen. Die Preise stiegen jedes Mal nach einen Jahr wieder an - und sie stiegen schnell.

Die Erholung des Ölpreises zieht sich dieses Mal in die Länge und wenn es nach den OPEC Ländern geht, dann wird sich der Prozess noch eine Weile hinziehen. Fundamental ist das alles durchaus begründbar. Selbst wenn die Förderung in den USA bis Ende des Jahres ein klein wenig zurückgeht wird der Rückgang ab Anfang 2016 durch den Iran wieder mehr als wettgemacht. Vor Ende 2016 oder sogar 2017 wird sich das Überangebot nicht wesentlich verringern.

Die großen Ölunternehmen setzen seit Beginn des aktuellen Geschäftsjahres auf Kostensenkungen. Investitionen werden zusammengestrichen. Unternehmen wie Exxon können so problemlos 10 Mrd. einsparen. Kurzfristig hilft das und lässt die Bilanzen besser aussehen als sie sind. Mittelfristig ist das keine Lösung, denn wer nicht investiert, der verkauft über kurz oder lang auch weniger Öl, weil weniger gefördert wird.

Die Margen stehen gehörig unter Druck. BP, Shell und Exxon haben den Vorteil, dass sie entlang der Wertschöpfungskette agieren. Sie fördern nicht nur Öl, sondern verarbeiten es auch. Das Raffineriegeschäft wirft noch gute Profite ab, doch auch mit diesen Gewinnen und Kosteneinsparungen leidet die Profitabilität unterm Strich erheblich. Die Zeiten von 30 bis 40 Mrd. Gewinn pro Jahr sind erst einmal vorbei.

Die ersten drei Unternehmen der Branche haben inzwischen Zahlen für das zweite Quartal 2015 vorgelegt. Es handelt sich dabei nicht um Förderunternehmen wie Total oder Shell, sondern um Serviceunternehmen. Die drei Unternehmen sind Halliburton, Schlumberger und Helix Energy Solutions. Alle 3 Unternehmen teilen das gleiche Schicksal: Umsätze und Gewinne gehen zurück.

Grafik 1 zeigt die Umsatzentwicklung seit Anfang 2014. Im dritten Quartal 2014 erreichten die drei Unternehmen zusammen einen Umsatz von 21,7 Mrd. USD. Heute liegt der Umsatz nur noch bei 14 Mrd. Das entspricht einem Rückgang von einem Drittel. Beim Gewinn sieht es noch dramatischer aus. Hier lag das Hoch ebenfalls im dritten Quartal 2014 mit 3,165 Mrd. Heute schreiben die Unternehmen nur noch 1,17 Mrd. Gewinn. Der Rückgang liegt bei ca. zwei Dritteln.

Serviceunternehmen profitieren noch davon, dass sie langfristige Verträge haben. Niedrigere Ölpreise schlagen dadurch erst etwas später voll auf die Bilanz durch. Halliburton versuchte bereits in Q1 reinen Tisch zu machen und wies einen Verlust von 700 Mio. aus. Jetzt wurde wieder ein Gewinn ausgewiesen. Dieser lag mit 54 Mio. allerdings nur sehr knapp über der Nullgrenze.
Serviceunternehmen können ihre Kosten relativ schnell senken, doch das hat auch Grenzen. Gleichzeitig drohen mit der Zeit hohe Abschreibungen auf Vermögenswerte. Je länger der Ölpreis niedrig ist, desto wahrscheinlicher werden Abschreibungen auf das Anlagevermögen, weil dieses in Zukunft weniger Umsatz und Gewinn erwirtschaften wird als ursprünglich gedacht.

Kurz gesagt: der Schmerz ist noch lange nicht vorbei. Ohne einen baldigen Rebound des Ölpreises sind viele Unternehmen noch immer überbewertet, auch wenn sie optisch nach 30 oder 50% Preisrückgang günstig aussehen. Das gilt vor allem für die großen Service- und Förderunternehmen. Firmen wie Schlumberger und Exxon sind noch kein Kauf. In der zweiten Reihe sieht das anders aus. Hier gibt es einige Unternehmen, die deutlich unterbewertet sind. Wie stark sie unter Wert handeln und ob die langfristigen Perspektiven angepasst werden müssen, zeigen die Veröffentlichungen der Zahlen in den kommenden Wochen. Mein persönlicher Favorit bleibt vorerst die zweite Reihe, angeführt von Seadrill (bin investiert).

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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