Kommentar
09:01 Uhr, 01.12.2014

Öl - Der unterschätzte Boom (Teil 2)

Der amerikanische Aufschwung bei der Förderung von Schieferöl ist ein riesiger Megatrend, der die Welt schon jetzt politisch und wirtschaftlich verändert hat und weiter beeinflussen wird.

Erwähnte Instrumente

Wie nachhaltig ist die Ölförderung in den USA, im Kontext von sinkenden Weltmarktpreisen oder möglicherweise wieder anziehenden Zinsen in den USA ist, will ich hier im Rahmen einer Mini-Serie untersuchen.

Unbegrenzte Resourcen

„Proved Reserves“, also nachgewiesene Ölvorkommen die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (90%) in den nächsten Jahre ausgebeutet werden, gehen in Amerika seit 2008 senkrecht durch die Decke.

Chart 1 zeigt an, dass sich die „Proved Onshore Reserves ex Alaska“ in den Jahren von 2008 bis 2012 auf 22 Milliarden Barrel praktisch verdoppelt haben. Hauptsächlich dafür verantwortlich ist der Shale-Boom.


Die „nachgewiesenen Reserven“ machen jedoch nur einen kleinen Bruchteil der erforschten Ölvorkommen aus und werden von den „Unproved Reserves“, den Vorkommen die mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% ausgebeutet werden, komplementiert.

Diese Klasse hat bezogen auf die 48 Lower States (ex Alaska, ex Offshore) ein Volumen von 126 Milliarden Barrel (2012), wie sich aus Chart 2 ergibt.


Aus dem gleichen Chart gehen ebenfalls die „Technically Recoverable Resources“ (TTR), die sich aus den nachgewiesenen (proven) und wahrscheinlichen Vorräten (unproven) zusammensetzen hervor, sowie ein sogenannter „High Resources Case“ dieser rein technisch förderbaren Vorkommen.

Diese High Resource Case TTRs liegen grob über den Daumen gepeilt mit 250 Milliarden Barrel deutlich höher als die Basisszenario-TTRs und damit offenbart sich auch des Pudels Kern, der von vielen Shale-Kritikern vielleicht immer noch nicht richtig verstanden wird:

Der Schieferöl-Boom ist nämlich ähnlich wie der Solar-Boom zu großen Teilen ein Technologie-Boom und ist daher mittels einem herkömmlichen Framework kaum greifbar.

Der Technologiefaktor

Während konventionelle Ölvorkommen aus großen, offenen aber endlichen Reservoirs gefördert werden, ist die „Tight-Oil“-Produktion hauptsächlich eine Funktion von technologischen Fortschritten und in dem Maße, wie die Effizienz der Ausbeutung verbessert werden kann, steigt der Ertrag und sinken die Förderkosten. Im „High Resource Case“ der EIA - welcher übrigens ausdrücklich keine Obergrenze darstellt - werden beispielsweise realistisch erscheinende Technologiefortschritte in die Annahmen mit eingebaut. Unter anderem wird zum Beispiel davon ausgegangen, dass die Ölquellen in Zukunft enger platziert werden können, sowie die maximal ausbeutbare Ölmenge pro Quelle um 50% höher liegt als derzeit, und aufgrund von technologischen Fortschritten um weitere 1% pro Jahr steigt.

Technologiesprünge, wie sie regelmäßig vorkommen, wenn Entwicklungen aus unterschiedlichen Entwicklungsfeldern plötzlich aufeinandertreffen, finden keinen Eingang in die Prognosen, da sie nur schwer zu prognostizieren sind. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass es eine Frage der Zeit ist bis diese „Weiße Schwäne“ für neue Revolutionen in der Schieferölförderung sorgen werden.

Die USA sitzen also im Prinzip auf unvorstellbar großen Vorkommen an „Light Tight Oil“, deren Potential theoretisch fast beliebig multipliziert werden kann. Die Förderung wird deshalb – zumindest noch für eine lange Zeit - wohl eher vom menschlichen Erfindergeist, wie von der Menge der vorhandenen Resourcen begrenzt bleiben.

CashFlow Probleme

Ein starkes Argument gegen die Nachhaltigkeit des Fracking-Booms sind die nicht sehr soliden Cash-Flows der amerikanischen Energieproduzenten.

Laut Raymond James generierte die Öl- und Gas-Industrie im Jahr 2009 noch einen Free Cash Flow (Operativer Cash Flow – CAPEX) im Bereich von -$15-20 Mrd, bevor die Zuflüsse in den kommenden Jahren dann regelrecht implodierten, um sich schließlich im Jahr 2012 in monströse Abflüsse von fast $60 Mrd zu verwandeln. Ab diesem Zeitpunkt jedoch konnten sich die Kapitalflüsse allerdings trotz weiter steigenden Investitionsaufwendungen signifikant verbessern, und stehen in diesem bzw. im nächsten Jahr vor dem Sprung in den deutlich positiven Bereich, um dann im Jahr 2016 bei über $10 Mrd zu liegen.

Diese Entwicklung der Zahlungsströme ist nicht weiter ungewöhnlich, denn in den letzten Jahren fand der sehr kostspielige „Land Grab“, sprich die Landnahme von riesigen Förderflächen statt. Nach Angaben von Bloomberg haben die amerikanischen Energieunternehmen im Zeitraum 2009-2012 fast eine halbe Billion US-Dollar nur in den Zukauf von Gebieten gesteckt. Dieser Prozess ist nun aber größtenteils abgeschlossen und deshalb kann ab jetzt mit dem Geldverdienen angefangen werden.

Niedrigere Ölpreise

Ein beliebtes Killer-Argument gegen die Nachhaltigkeit des amerikanische Fracking-Wunders ist, dass die Produktion im Vergleich zu konventionellen Förderung einfach zu kostspielig ist. Diese Sichtweise ist nur sehr eingeschränkt haltbar, denn „den“ Breakeven-Preis ab welche die Onshore-Ölproduktion in den USA unökonomisch wird, gibt es schlichtweg nicht.

Erstens ist die Geologie in den verschiedenen „Shale Plays“ zu unterschiedlich, und zweitens sind die Produktionskosten von erschlossenen Flächen kontinuierlich im Sinken begriffen. Der Großteil der Fracking-Kosten sind nämlich Vorlaufkosten. Ist das Land also erst erworben und die erste Quelle angezapft, dann liegen die Förderkosten nur noch bei einem Bruchteil. Citigroup rechnet damit, dass die „Full Cycle Costs“ also die Produktionskosten der ersten Quelle ca. $70 pro Barrel betragen. Jedes weitere Bohrloch fördert aber deutlich billiger, da die großen Investitionsaufwendungen für Land und Infrastruktur schon verdaut sind. Diese sogenannten „Half Cycle Costs“, liegen im Bereich zwischen nur noch $30 und $40.

Die gegen einen Ölpreisverfall abgesicherten Produzenten werden also unabhängig von ihrem gegenwärtigen Breakeven weiterpumpen und allein die Erschließung neuer Vorkommen in noch unetablierten Gegenden dürfte sich abschwächen. Nach Schätzungen von Citigroup würde ein Ölpreis von unter $70 pro Barrel das Produktionswachstum im nächsten Jahr um etwa 25%, und 2016 sogar um 50% drücken. Dies würde zwar einer deutlichen Verlangsamung des Booms, aber keinem Stillstand entsprechen. Die gegenwärtigen „Half Cycle Costs“ stellen darüber hinaus keine Untergrenze dar, denn der schon vorher angesprochene Technologiefaktor wird für eine weitere Verschiebung der Kosten nach unten sorgen.

Ein weiteres Ass im Ärmel

Das große Ass im Ärmel der amerikanischen Produzenten ist der Umstand, dass die Förderkosten zu einem großen Teil Service-Kosten sind. Keine Volkswirtschaft der Welt hat einen so flexiblen Service-Sektor und ein so starkes Unternehmertum wie die USA. Sinkende Weltmarktpreise werden zu großflächigen Anpassungsprozessen bei den Myriaden an mittleren und kleinen Unternehmen führen, die am Fracking-Wunder teilhaben. Ein Lastwagenfahrer verdient in Bakken rund $100.000 im Jahr. Dieser Trucker wird höchstwahrscheinlich auch noch für $75.000 Jahresgehalt arbeiten, und so rechnet Citigroup damit, dass ein Ölpreis von unter $70 pro Barrel die Kosten für Services um 25% einbrechen lassen könnte.

Fazit

Anders als die vielen Kritikern des Fracking-Booms, die in den letzten Jahren regelmäßig eines Besseren belehrt wurden, halte ich es für unwahrscheinlich, dass die amerikanische Erdöl-Story durch niedrigere Ölpreise nennenswert bedroht ist.

Ganz im Gegenteil glaube ich, dass keine Öl-Nation auf Dauer eine Chance hat gegen die USA zu bestehen, und bevor der Newcomer aufhört zu pumpen, werden viele etablierte und verwöhnte Ölproduzenten scheitern und damit für einen Boden bei Rohöl sorgen.

Fracking in den USA ist ein grundkapitalistischer Vorgang, an dem viele kleine und miteinander konkurrierende Unternehmen kontinuierlich ihre Kosten senken und für Innovation sorgen. Nirgendwo auf der Welt wäre eine ähnliche Erfolgsstory auch nur ansatzweise denkbar.

Das Shale-Wunder ist ein Technologiewunder und deshalb gehört den USA meiner Meinung nach die Zukunft im Geschäft.

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10 Kommentare

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  • Jantschik
    Jantschik

    ​Bitte mal ausgiebig recherchieren. Mit dem angeblichen sooooooooooooooo tollen Frackinghype bezüglich Erdgas habe ich mich schon 2009 beschäftigt. In den USA gehören die Bodenschätze, die unter der Erde liegen, dem Grundstücksbesitzer ! In den meisten Staaten ist das nicht so !

    Ich könnte jetzt über Fracking einige Seite schreiben !! Fakt ist - für die Bohrlöcher braucht man hunderte von Lastwagen voll Wasser !! UND - das so neu erfundene Fracking ist ein uralter Hut - schon in den 1950-er Jahren hat Halliburton dieses Verfahren zur Anwendung gebracht !! Hat sich nicht rentiert !!

    Das Problem an der Sache ist/war. im Jahr 2008 stand der Ergdaspreis bei ca. 13,60.- Dollar. Da hat sich das Frackinhg gelohnt. Alle Non-Commercials waren bei Erdgas Henry Hub long im Markt. Die Commercials haben dann gehedgt ! Dann kam die Krise - alle haben ihre Longpostionen aufgelöst und der Erdgaspreis fiel. Und das größte Problem war - die Konzessionen für die Förderung von Erdgas enthielt die Verpflichtung - man muss innerhalb von 5 Jahren mit der Förderung beginnen - sonst verfällt die Konzession. Zu dem Überangebot mussten nun die Explorer noch zusätzlcihes Gas fördern, um nicht die Konzession zu verlieren - es kam nun noch mehr Erdgas auf den Markt. Der Preis fiel ins Unendliche ! Ich könnte das nun noch weiter ausführen. Dick Cheney , der ehemalige US-Präisdent spielte hie reine sehr zwielichtige Rolle bezüglich des Frackings - er war ja auch dort dick :-) im Geschäft dabei ! Einfach googeln.

    Verzapft nicht so einen Unsinn - mit dem Fracking Boom. Das Fracking ist fast nur kreditfinanziert - die Vorstädne der Explorer streichen ihre Millionengehälter ein und die versuchen das Rad am Laufen zu halten. Viele Firmen der ersten Frackingstunden haben ihre Lizenzen verkauft - warum wohl. Schaut euch die Börsennotierungen an. Dead Cat bouncing !

    Und es ist leider so wie immer auf allen Börsenseiten ! 10 so tolle und ausgewiesene Experten schreiben dies und das ! Von 10 haben dann 9 nicht recht - der eine der das zufällig erraten hat - lässt sich als großer Guru feieren. Die 9, die falsch lagen, sind mucksmäuschen still - von den hörst du da nie mehr etwas.

    Das nächste mal liegt ein anderer per Zufall richtig !! Der, der zuvor zufällig mit seiner Prognose recht hatte und nun dieses Mal auch falsch lag - der taucht ebenfalls unter ! Verlasst euch nicht auf solche Heilsbringer !

    Nach 2008 sagte einer der bekanntesten Rohstoffexperten E.... W......, 6,50 Dollar im Henry Hub Edgaspreis sollten bald wieder erreicht werden. Der Gaspreis ist auf unter 1,90 Dollar gesunken !

    Schreibt doch nichts, wenn ihr keine Ahnung habt !

    .

    00:15 Uhr, 04.12.2014
  • Einspruch35
    Einspruch35

    ​@ balkansahel

    Nicht wundern, wenn ​die Welt in fünf Jahren nicht so aussieht, wie sie es heute schon ganz sicher wissen. Die "sterbenden USA" erleben gerade eine beispiellose Ära der Re-Industrialisierung. So etwas passiert nicht in wenigen Wochen. Die Auswirkungen wird man aber in einigen Jahren spüren. Wettbewerbsfähige Energiekosten sind ein entscheidender Treiber. So wie vorher zwei Jahrzehnte lang zu hohe Kosten die Industrie vertrieben hatten. Schauen sie, wo z.B. die Chemie- und Autoindustrie im Moment ihre grossen Investitionen platzieren, neben Asien natürlich.

    Wenn Russland jetzt jammert und RT pöbelt, dann bauen die eh nur auf die Dummheit und Ahnungslosigkeit ihrer Kunden. Es war ja wohl unlängst erst die RUSSISCHE Uralkali, die den Kaliweltmarkt vorsätzlich abgeschossen hatte. Also, mal nicht so unschuldig tun. Die Imperialisten nehmen sich alle nicht viel, wenn es um die Durchsetzung ihrer strategischen Ziele geht.

    14:10 Uhr, 01.12.2014
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    @ Wolfi81 - ein berechtigter Einwand.

    In einem "normalen" Umfeld würden einige hoch verschuldete Fracking-Unternehmen wegen des Ölpreis-Verfalls jetzt eben in Konkurs gehen, und das wars dann. Es ist allerdings zu befürchten, dass von "normal" überhaupt keine Rede sein kann. Das heißt, eine Peitewelle in dem Sektor könnte ein stark unterschätztes Risiko sein.

    http://www.wsj.de/nachrichten/SB10224152129988824652004580310011680347820

    12:46 Uhr, 01.12.2014
    1 Antwort anzeigen
  • Wolfi81
    Wolfi81

    Eine schlüssige Beschreibung, die aber mögliche Folgekosten aufgrund der Umweltverschmutzung vernachlässigt. Können die Beteiligten dafür haftbar gemacht werden und bilden die Fracker schon Rücklagen?​

    11:47 Uhr, 01.12.2014
    1 Antwort anzeigen
  • Schuby
    Schuby

    ​Klasse Artikel!

    10:50 Uhr, 01.12.2014

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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