Fundamentale Nachricht
16:37 Uhr, 29.11.2018

OECD sieht für die Türkei schwarz

Düsterer Ausblick: Die OECD erwartet, dass die türkische Wirtschaft im kommenden Jahr schrumpt, die Inflation und die Arbeitslosigkeit dürften weiter steigen. Erst 2020 soll sich das Schwellenland erholen.

Erwähnte Instrumente

Wien/Ankara (Godmode-Trader.de) - Die Türkei ist neben Argentinien die einzige größere Volkswirtschaft, die 2019 schrumpfen dürfte. Das geht aus dem Wirtschaftsausblick der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor.

In der Türkei-Analyse heißt es, dass nach einem sehr starken BIP-Wachstum im Jahr 2017 die Inlandsnachfrage, die Inflation und das Leistungsbilanzdefizit aufgrund der politischen Impulse bis Mitte 2018 weiter angestiegen sind. Da der Marktdruck als Reaktion auf wachsende Ungleichgewichte zunahm, habe die Zentralbank die monetären Bedingungen verschärft. Das Wachstum habe sich verlangsamt, als ein weiterer „Vertrauensschock“ im August eintrat. Dieser war vor allem motiviert durch die Politik von Präsident Recep Tayyip Erdogan, unter anderem durch seine Andeutungen, die Zentralbank zu entmachten. Daraufhin verlor die Lira innerhalb von zwei Wochen 40 Prozent an Wert, und die Risikoprämien und langfristigen Zinssätze stiegen stark an. Die Inflation ist dadurch zuletzt auf fast 25 Prozent gestiegen - gegenüber 16 Prozent im Juli.

Das Vertrauen von Unternehmen und Haushalten sei gesunken, und laut Indikatoren schrumpften der private Konsum und die Investitionen in der zweiten Jahreshälfte 2018, so die OECD. Die Exporte hingegen hätten sich sowohl in der Verarbeitenden Industrie als auch im Tourismus aufgrund von Wettbewerbsvorteilen bei den Preisen beschleunigt.

Die politischen Entscheidungsträger hätten auf den Druck an den Finanzmärkten mit der Freisetzung von Devisenliquidität reagiert, indem sie die Mindestreserveanforderungen der Banken reduzierten und ihr Engagement in Cross-Currency-Swaps einschränkten, schreibt die OECD. Die Zentralbank habe ihren Leitzins im September deutlich auf 24 Prozent erhöht, was laut der Organisation den Wechselkurs und die erforderliche wirtschaftliche Anpassung unterstützen sollte. Ein "New Economic Programme" ziele darauf ab, den Export zu fördern und die Inlandsersparnis durch Haushaltskonsolidierung zu erhöhen.

Das gesamtstaatliche Defizit soll voraussichtlich von 2,4 Prozent des BIP im Jahr 2018 auf 1,6 Prozent im Jahr 2019 sinken, hauptsächlich durch Kürzungen der öffentlichen Investitionen. Im Oktober sei zudem ein „umfassender Plan gegen die Inflation" angekündigt worden, der auf administrativen Preisstopps und freiwilligen Preissenkungen des privaten Sektors bei bestimmten Artikeln des Verbraucherkorbs über zwei Monate basiert und anschließend von vorübergehenden Mehrwertsteuersenkungen bei zahlreichen Produkten begleitet werde.

Bevor sich das Wachstum 2020 wieder erholen soll, sieht es laut der OECD für die Türkei nicht gut aus. Die Bruttoanlageinvestitionen dürften 2019 um 5,6 Prozent fallen, die Importe um 2,3, der private Verbrauch um 4,1 Prozent. Weil das Staatsdefizit sinken soll, geht das Wachstum im öffentlichen Verbrauch 2019 stark zurück. Die OECD erwartet, dass das BIP der Türkei im Jahr 2019 um 0,4 Prozent schrumpft, bevor es 2020 um 2,7 Prozent wachsen sollte. „Um eine solche Erholung zu erreichen, bedarf es einer glaubwürdigen und transparenten Geld- und Finanzpolitik und der erfolgreichen Überwindung der Belastungen im Unternehmens- und Bankensektor“, schreibt die Organisation.

In der OECD sind 36 Länder zusammengeschlossen. Untersucht wurden aber 45 Staaten. Die Türkei gehört als einziges Schwellenland der OECD seit der Gründung 1961 an.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

Mehr Experten