Kommentar
08:30 Uhr, 07.04.2016

Normalisierung der aufgeblähten Zentralbank-Bilanzen? Niemals!

Die Notenbanken versprechen, dass sie ihre Politik früher oder später normalisieren werden. Das ist wohl eine Illusion. Bestätigt wird diese Annahme durch die Jahresberichte der US-Notenbank seit 1914.

Eines muss man den USA lassen: die zur Verfügung stehende Datenfülle ist weltweit einzigartig. Seit Gründung der modernen Notenbank im Dezember 1913 kann man jeden Jahresbericht einsehen. Diese Berichte geben Aufschluss über die Politik der Zentralbank. So steht jedem offen, die Entwicklung der Bilanz der Notenbank seit Gründung nachzuvollziehen.

Die Jahresberichte beinhalten alles, von Wirtschaftsdaten über die Bilanzen der Geschäftsbanken bis hin zur Notenbankbilanz. Letzteres ist besonders aufschlussreich, wenn man wissen möchte, ob die Notenbankbilanz jemals wieder normalisiert wird. Grundsätzlich hat die Fed ihre Absicht bekundet, ihre Bilanz langfristig zu normalisieren. Man darf daran zweifeln, denn es ist ihr in den vergangenen 100 Jahren kein einziges Mal gelungen.

Grafik 1 zeigt die Entwicklung des Bestandes an Staatsanleihen in der Bilanz. Die Zeitreihe ist zweifach dargestellt, einmal in normaler, einmal in logarithmischer Skala. In der normalen Darstellung sieht man sehr gut, wie stark der Anleihenbestand von 2009 bis 2014 über Trend wuchs. Die logarithmische Darstellung lässt zu, dass man auch die Anfänge erkennen kann.

Der Anleihenbestand wuchs zwischen der Gründung der Notenbank und 1917 stark an. Das lag einfach daran, dass die Notenbank erst einmal ihre Aktivität „hochfahren“ musste. Das Wachstum in den Jahren 1917 und 1918 ist auf den Ankauf von Kriegsanleihen zurückzuführen. Die Regierung gab Anleihen zur Finanzierung des Krieges aus. Die Notenbank unterstützte die Ausgabe, indem sie einen erheblichen Teil dieser Anleihen aufkaufte.

Dieser Fall war, wenn man so möchte, das erste Quantitative Easing der Fed. Sie tat damals nichts Anderes als auch in den vergangenen Jahren, wenn auch zu einem anderen Zweck. Der Zweck damals war die indirekte Staatsfinanzierung, der Zweck der letzten Jahre war die Erzwingung eines Vermögenspreiseffektes. Das Instrument für beide Zwecke war das gleiche: der Ankauf von Staatsanleihen.

Grafik 2 zeigt das jährliche Wachstum des Staatsanleihenbestandes sowie das Wirtschaftswachstum. Im Vergleich zu den ersten 30 Jahren der Notenbank war das QE in den vergangenen Jahren harmlos. Zwischen 1917 und Ende des Zweiten Weltkrieges expandierte und schrumpfte der Anleihenbestand rasend schnell. In einigen Jahren verdoppelte die Notenbank den Bestand, in anderen Jahren baute sie zwei Drittel ab.

Wie bereits Grafik 1 zeigte, ist es der Notenbank nicht gelungen, ihren Bestand nach QE-Programmen wieder nachhaltig zu normalisieren. Das höchste der Gefühle war es, den Bestand von 1933 bis 1940 konstant zu halten. Unter anderem diese Trägheit wird heute noch für die langsame, wirtschaftliche Erholung nach der Großen Depression verantwortlich gemacht.

Der folgende Kriegsboom war dafür umso ausgeprägter. Die Fed verlängerte ihre Bilanz wieder durch Staatsanleihenkäufe. Zwischen 1941 und 1945 stieg der Bestand von 2,2 Mrd. Dollar auf 24 Mrd. Betrachtet man diesen Anstieg relativ zur Wirtschaftsleistung (Grafik 3), dann sieht man, dass der Bestand von 1,9 % auf 11 % der Wirtschaftsleistung anstieg. Wegen des hohen Wachstums in den Kriegsjahren ist die relative Ausweitung der Bilanz im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung weniger groß als das absolute Wachstum von 2 auf 24 Mrd.

In Grafik 3 sieht man, dass sich die Bilanz im Verhältnis zum BIP immer wieder normalisieren konnte. Das lag jedoch nicht so sehr daran, dass Staatsanleihen wieder abgestoßen wurden, sondern daran, dass das Wachstum des Anleihenbestandes im Vergleich zum Wirtschaftswachstum geringer ausfiel.

Die Reduktion des Anleihenbestandes nach dem Zweiten Weltkrieg war bescheiden. Bis Ende der 40er Jahre reduzierte die Fed den Bestand von 24 Mrd. auf 18 Mrd. Zwei Jahre später wurde das bis dahin geltende Rekordhoch von 24 Mrd. wieder erreicht. Anhand von Grafik 1 sieht man sehr gut, dass der Bestand nicht nachhaltig sank – in keiner Phase der letzten 100 Jahre.
Seit 2 Jahren ist der Anleihenbestand der Notenbank in Relation zur Wirtschaftsleistung wieder rückläufig. Der Bestand an sich bleibt stabil, doch da die Wirtschaft wächst, reduziert sich der Prozentsatz automatisch. Bedenkt man, dass es der Fed in der Vergangenheit nie gelungen ist Staatsanleihen wieder aus der Bilanz zu nehmen, ist dies auch in den kommenden Jahren nicht realistisch.

Die Notenbank hat immer klargemacht, dass sie zunächst eine Normalisierung des Zinsumfeldes sucht. Erst danach wird der Bestand reduziert. Das erweckt den Anschein einer Normalisierung in der Zukunft, doch praktisch heißt das: eine Normalisierung der Bilanz wird es nicht geben.

Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung kann sich der Staatsanleihenbestand normalisieren. Wie das funktionieren kann, zeigt Grafik 4. Kauft die Notenbank keine weiteren Anleihen und wächst die Wirtschaft bis 2040 nominal mit 4 % pro Jahr, dann hat sich das Verhältnis wieder normalisiert.

Nun kann man darüber streiten, ob ein solches Szenario realistisch ist. Das Wachstum von 4 % ist nicht aus der Luft gegriffen. Real wachsen die USA mit gut 2 %. Nominal, bei einer Rückkehr der Inflation zu 2 %, wächst das BIP dann 4 %. Zweifelhafter als das Wachstum ist die Bilanz der Notenbank. Die längste Phase einer stabilen Bilanz war bisher 8 Jahre. Diesmal müssten es 25 Jahre sein. In 25 Jahren wird es immer wieder Krisen geben, die eine Bilanzausweitung notwendig machen werden.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass eine Normalisierung im engen Sinne nicht stattfinden wird. Der Bestand an Staatsanleihen wird nur mit Mühe unter die 10 %-Marke sinken können. Ein realistisches Szenario sieht eher so aus, dass die neue Normalität nicht bei 5 % liegt, sondern bei 8-10 %.

Bild Bilanz Normalisierung.png

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  • ZeroG
    ZeroG

    Interessante Analyse !

    Vielleicht an dieser Stelle falsch, aber ich habe angefangen die "Trading- und Investmentsumfrage" zu beantworten, bin ja auch gerne bereit Feedback zu geben, aber wer hat den die Zeit tausend Fragen zu beabtworten und Kästchen anzuclicken? Das wird dazu führen, dass außer ein paar Arbeitslose und Rentger (nichts gegen die Leute, die die Zeit haben) niemand die Fragen zu Ende beantwortet und das Ergebnis überhaupt nicht repräsentativ ist ...

    13:12 Uhr, 07.04.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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