Kommentar
11:38 Uhr, 12.02.2025

Neue Zölle – DAX reagiert mit neuem Rekordhoch

US-Präsident Donald Trump hat die am Wochenende angekündigten neuen Zölle in Höhe von 25 % auf alle Stahl- und Aluminium-Importe in die USA beschlossen. Sie sollen am 12. März in Kraft treten. Es werde keine Ausnahmen oder Befreiungen geben, sagte Trump. Darüber dürfte das letzte Wort aber noch nicht gesprochen sein.

Denn Trump überlegt nach einem Telefonat mit Australiens Regierung bereits eine Ausnahme für das Land. Das kennen wir bereits von den Zöllen gegen Kanada und Mexiko (siehe „Zoll-Hickhack erwischt Bullen und Bären auf dem falschen Fuß“).

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Börsen reagieren äußerst gelassen

Die Börsen haben sehr gelassen reagiert, noch gelassener als zuletzt schon. Der DAX konnte heute sogar bereits das nächste Rekordhoch markieren, was ihm derzeit fast täglich gelingt. Aktuell zieht die psychologisch wichtige Marke von runden 22.000 Punkten die Kurse an. Bis dorthin hat der deutsche Leitindex seit Jahresbeginn nun schon um 10,61 % zugelegt.

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Ein Grund für die Gelassenheit der Anleger ist der typische Gewöhnungseffekt, über den ich vor einer Woche bereits berichtete (siehe oben verlinkte Börse-Intern-Ausgabe). Ein anderer Grund ist, dass diese Zölle wohl überschaubare Folgen für die Weltwirtschaft haben (so sie denn überhaupt in dieser Form bzw. ohne Ausnahmen kommen).

Woher beziehen die USA ihren Stahl?

Dazu sollte man zunächst wissen, dass etwa ein Viertel des in den USA verwendeten Stahls importiert wird. Der Großteil davon kommt aus den Nachbarländern. Nach Angaben des Branchenverbands American Iron and Steel Institute bezogen die USA ihren Stahl im vergangenen Jahr 2024 vor allem aus Kanada, Brasilien und Mexiko, gefolgt von Südkorea und Vietnam. Auch Deutschland rangiert in den Top 10 der Herkunftsländer von US-Stahlimporten, ebenso wie China.

Doch obwohl China der weltweit größte Produzent und Exporteur ist, wird aus der Volksrepublik nur sehr wenig Stahl in die USA geliefert. Denn die in Trumps erster Amtszeit 2018 eingeführten Zölle in Hohe von 25 % schlossen den Großteil des chinesischen Stahls bereits vom US-Markt aus. China exportierte im vergangenen Jahr nur 508.000 Nettotonnen Stahl in die USA, was 1,8 % der gesamten US-Stahlimporte entspricht.

Wie groß ist der Schaden für die deutsche Wirtschaft?

Zum Vergleich: Aus der gesamten EU wurden 2023 rund 4 Millionen Tonnen in die USA exportiert, allein aus Deutschland sind es jährlich rund 1 Million Tonnen, heißt es vom Branchenverband Wirtschaftsvereinigung Stahl. Und demnach sind die USA der wichtigste Absatzmarkt für die europäische und die deutsche Stahlindustrie.

Deutschland ist der größte Stahlproduzent der EU und steht weltweit an 7. Stelle – hinter China, Indien, Japan, den USA, Russland und Südkorea. Vor diesem Hintergrund könnte man nun einen relativ großen Schaden für die deutsche Wirtschaft erwarten.

Doch nach Einschätzung des Instituts für Weltwirtschaft machen die Zölle für Deutschland nur knapp 0,03 % oder 1,2 Milliarden Euro des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Dieser Schaden ist somit relativ gering. Für die USA sind die Zölle sogar noch weniger vorteilhaft. Laut dem Institut für Weltwirtschaft könnte Trumps Heimat gut 0,04 % des BIP verlieren.

Woher beziehen die USA ihr Aluminium?

Bei Aluminium sind die USA noch stärker von Importen abhängig. Etwa die Hälfte des in den USA verbrauchten Aluminiums wird importiert. Auch hier kommt der größte Teil aus einem Nachbarland. Kanada ist mit großem Abstand der größte Lieferant von Primäraluminium in die USA. Auf das Land entfielen in den ersten 11 Monaten des Jahres 2024 79 % der Gesamtimporte. Mit 3,2 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr waren die kanadischen Einfuhren doppelt so hoch wie die der 9 folgenden Länder zusammen. Auf Kanada folgen mit weitem Abstand die Vereinigten Arabischen Emirate und China mit 347.034 beziehungsweise 222.872 Tonnen.

Die EU und Deutschland sind also von diesen Zöllen kaum betroffen. Auch das also ein Grund für den sorglosen Anstieg des deutschen Leitindex auf ein neues Rekordhoch.

Es drohen weitere Zölle

Doch die Sorgen könnten bald größer werden. Denn die USA ziehen derzeit auch Zölle auf Fahrzeuge, Chips und pharmazeutische Produkte in Betracht. Schon innerhalb von zwei Tagen sollen weitere Zölle verkündet werden. Trump habe dabei nichts dagegen, sollten andere Länder Vergeltungsmaßnahmen ergreifen.

China hat bereits Vergeltungszölle auf einige US-Exporte beschlossen, die seit dem gestrigen Montag gelten. Zuvor war vor einer Woche ein Zoll in Höhe von 10 % auf US-Importe aus China im Wert von 300 Milliarden US-Dollar in Kraft getreten. China kündigte daher zusätzliche Zölle auf rund 80 US-Produkte an, womit allerdings Waren im Wert von nur 14 Milliarden US-Dollar betroffen sind. Allerdings leitete China zudem eine Kartelluntersuchung gegen Google ein, verschärfte die Exportkontrollen für kritische Mineralien und setzte zwei US-Unternehmen auf seine schwarze Liste unzuverlässiger Unternehmen.

Höhere Zölle bedeuten höhere Kosten bzw. steigende Preise

Zudem sollte man zur aktuellen Zollproblematik wissen, dass fast die Hälfte aller US-Importe als Vorleistungen für heimische Unternehmen dienen. Das bedeutet, die betroffenen Unternehmen werden durch neue Zölle entweder höhere Kosten an die Verbraucher weitergeben oder geringere Gewinnspannen in Kauf nehmen müssen. Eine Alternative wäre, die Lieferketten anzupassen. Doch auch das wäre mit Kosten verbunden, die es zu schlucken oder weiterzugeben gelte.

Diese Entwicklungen werden von den Notenbanken genau beobachtet. Und vor allem die Federal Reserve (Fed) wird geneigt sein, vorerst keine Zinssenkungen mehr vorzunehmen, um die wahrscheinlich steigende Inflation im Zaum zu halten.

Zumal eine am vergangenen Freitag veröffentlichte Umfrage unter Verbrauchern einen starken Anstieg der Inflationserwartungen für die kommenden 12 Monate zeigte. Laut Daten der Uni Michigan erwarten die US-Konsumenten eine Teuerung von 4,3 %, nachdem es im Januar „nur“ 3,3 % waren. Eine höhere Inflationserwartung als in der Februar-Umfrage war zuletzt im November 2023 gemessen worden.

Vor diesem Hintergrund sank das Barometer für das Verbrauchervertrauen auf 67,8 Punkte, nach 71,1 Zählern im Januar. Damit erreichte es aktuell das niedrigste Niveau seit Juli 2024.

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Das sorgte am Freitag für einen deutlichen Kursrutsch am Aktienmarkt. Denn auch höhere (Leit-)Zinsen bedeuten für Unternehmen tendenziell höhere Kosten.

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Gründe für fallende Aktienkurse

Zölle sind ein wesentliches Abwärtsrisiko für unsere EPS-Prognosen für 2025“, warnten daher die Analysten von Goldman Sachs kürzlich (EPS = earnings per share = Gewinn pro Aktie). Sie schätzten, dass der effektive US-Zollsatz wahrscheinlich um insgesamt 5 Prozentpunkte steigt, was den Gewinn pro Aktie um 1 % bis 2 % schmälern würde. Das ist zwar kein Beinbruch, aber dennoch eher ein Grund für eine Pause der Rally am Aktienmarkt, wenn nicht gar für eine Konsolidierung oder eine Korrektur der relativ hohen Kurse.

Zumal die Gewinnerwartungen der Analysten seit Oktober vergangenen Jahres auch schon deutlich zurückgegangen sind. Hatten sie für das Gesamtjahr 2025 damals noch einen Gewinnanstieg der Unternehmen aus dem S&P 500 von 15 % erwartet, so sind es aktuell „nur“ noch 11,8 %.

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Womöglich sind damit die leicht sinkenden Gewinne durch die Zölle bereits eingepreist. Aber dennoch sollten sinkende Gewinnerwartungen eigentlich mit entsprechend fallenden Aktienkursen einhergehen. Der S&P 500 hat allerdings seit dem 1. Oktober um mehr als 6 % zugelegt (nach zuvor bereits extrem starken Kursgewinnen).

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Zwar hat der Index Probleme, das Hoch vom 6. Dezember bei 6.099,97 Punkten zu überwinden, da er nun schon seit mehr als 2 Monaten unterhalb dieser Marke konsolidiert, was den sinkenden Gewinnerwartungen geschuldet sein kann, aber der Druck auf das Hoch nimmt aktuell zu. Denn nach einer kleinen ABC-Korrektur kam es wieder zu einem impulsiven Anstieg, bei dem auch schon ein neues Rekordhoch markiert wurde. Und seitdem hält sich der Index an dem Widerstand bei rund 6.100 Punkten und greift ihn immer wieder von unten an. Daher ist mit einem baldigen Ausbruch nach oben zu rechnen.

Welche Länder könnten in Trumps Visier geraten?

Dabei stellt sich natürlich die Frage, welche Länder weitere Zölle zu fürchten haben und welche Aktienmärkte dadurch besonders Rücksetzer fürchten müssen. In dieser Hinsicht lohnt sich womöglich ein Blick auf die Höhe der Zölle, die verschiedene Länder in der Welt erheben:

Nach Angaben der Welthandelsorganisation liegt der handelsgewichtete durchschnittliche Zollsatz der USA bei 2,2 %. Im Vergleich dazu liegen Indien mit 12 %, Brasilien mit 6,7 % und Vietnam mit 5,1 % deutlich höher. Bei der Europäischen Union ist der Unterschied mit 2,7 % relativ gering. Zwar achtet Trump offenbar eher auf die Handelsbilanz als auf die Höhe der Zölle, dennoch hat die EU durchaus gute Gegenargumente für wahrscheinlich nötige Verhandlungen.

Und wenn es gleich von mehreren Ländern Gegenzölle gibt, könnte auch die US-Wirtschaft und somit der US-Aktienmarkt unter Druck geraten. Ein bullisches Chartbild ist daher in der aktuellen Zeit kein Garant für tatsächlich weiter steigende Kurse.

Fazit

Die aktuelle Sorglosigkeit der DAX-Anleger ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Dennoch erscheint der Anstieg des DAX angesichts der vorherrschenden Gegebenheiten und Risiken überzogen. Er ist weiterhin Teil der großen Übertreibung, die seit mehr als 2 Jahren herrscht. Ein Ende ist zwar nicht in Sicht, aber Vorsicht ist sicherlich angebracht.


PS: Bei den Stockstreet-Börsenbriefen hat es jüngst wieder Gewinnmitnahmen gegeben. In weiser Voraussicht auf die drohenden Zölle wurden am Freitag aus dem Depot des „Börse-Intern Premium“ Aktien von ThyssenKrupp mit einem Gewinn von 12 % und Aktien von Heidelberger Druckmaschinen mit einem Gewinn von sogar 18 % verkauft – in beiden Fällen binnen nur einem Monat.
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