Mittels Short-Selling an fallenden Kursen profitieren
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Grundsätzlich gilt, dass ein guter Trader immer in der Lage sein sollte, den Markt von beiden Seiten zu spielen, das heißt nicht nur steigende sondern auch fallende Aktienkurse ausnutzt. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der aktuellen Tradingmärkte in den großen Indices, in denen wir es mit einer permanenten Sektorenrotation zu tun haben. In dieser Lesson widmen wir uns dem Short-Selling in den USA.
Die Begrifflichkeit Short-Selling steht für den Leerverkauf von Aktien insbesondere in den USA. Übergeordneter ist der Begriff Shorting zu sehen. Shorting bezeichnet alle Möglichkeiten, mittels eines Tradingvehikels (Futures, Options, Devisen, CFDs) an fallenden Kursnotierungen zu partizipieren.
Theorie
Beim Short-Selling (in Deutschland auch kurz „Shorten“ genannt) versucht man, von einem fallenden Aktienkurs zu profitieren.
In mancherlei Beziehung stehen beim Shorten die üblichen Vorgänge auf dem Kopf. Beispielsweise verkauft der Short-Seller die Aktie zuerst zu einem möglichst hohen Preis, um sie später zu einem niedrigen Preis wieder zurückzukaufen. Er vertauscht dabei eine hohe Gewinnmöglichkeit mit einem hohen Verlustrisiko, denn beim Short-Selling ist das Verlustrisiko unbegrenzt. Doch bevor ich auf die Details dieser Technik eingehe, erläutere ich kurz an einem Beispiel, wie das Shorten in der Praxis aussieht.
Stellen Sie sich vor, eine bestimmte an US-Märkten gehandelte Aktie notiert zur Zeit bei $100. Der Short-Seller erwartet, dass diese Aktie fallen wird. Aus diesem Grund leiht er sich von seinem Broker eine bestimmte Stückzahl dieser Aktie aus, um sie auf dem Markt wie gewohnt zu verkaufen. So könnte er sich beispielsweise aus dem Depotbestand des Brokers 100 Aktien ausleihen und diese zu $100 pro Stück veräußern. Damit erzielt er sofort Einnahmen in Höhe von $10,000, ist aber verpflichtet, die geborgten Aktien zu gegebener Zeit wieder an seinen Broker zurückzugeben. Das heißt, der Short-Seller muss die Aktie irgendwann auf dem freien Markt zurückkaufen. Das abschließende Kaufen wird „covern“ (eindecken oder glattstellen) genannt. Es ist von den anderen Marktteilnehmern nicht von einem normalen Kauf zu unterscheiden. Fällt die Aktie wie erwartet, zum Beispiel auf $80, dann müsste der Short-Seller für den Rückkauf nur $8,000 aufbringen - es bliebe für ihn also ein Brutto-Gewinn von $2,000. Steigt die Aktie jedoch auf $120, dann müsste er für den Erwerb der 100 Aktien $12,000 aufwenden – $2000 mehr, als er anfangs erhalten hat. Er würde also einen entsprechenden Verlust machen.
Hintergrund US-Broker
Um sich Aktien von einem US-Broker für das Shorten auszuleihen, bedarf es keines besonderen Verhandlungsgeschicks, denn das Shorten ist in den USA ein völlig normaler Vorgang, der in den meisten Fällen automatisiert ist. Wer zum Beispiel über einen Online-Broker handelt, der gibt in der Regel einfach einen Verkaufsauftrag ein. Wenn die Aktien nicht im Depot vorhanden sind, dann wird der Server den Auftrag als Short-Sell (Leerverkauf) buchen.
Natürlich sind US-Broker keine Philantropen, die, ausschließlich um das Wohl ihrer Kunden besorgt selbstlos teure Aktien ausleihen. Auch sie haben Vorteile von den Geschäften der Short-Seller. Zunächst fallen nämlich auch beim Shorten die üblichen Provisionen an, und das eingenommene Geld erhöht die Liquidität des Brokers, die er einsetzen kann, um Effektenkredite bereitzustellen. Und nicht zuletzt bietet er seinen Kunden einen weiteren Service, der ein ausschlaggebender Faktor bei der Entscheidung für einen bestimmten Broker sein kann. Die Quelle für die ausgeliehenen Aktien befindet sich im Übrigen hauptsächlich direkt bei den Brokern. Sie verwalten diverse Sammeldepots, aus denen sie Aktien verleihen können. Sie müssen nur darauf achten, dass jeder Aktienbesitzer jederzeit uneingeschränkte Verfügungsgewalt über seine Stücke hat. Das lässt sich durch ein geschicktes Depot-Management sicherstellen. Als Anleger werden Sie nie bemerken, dass Ihre Aktien ausgeliehen wurden. Genau genommen besitzen Sie in einem Sammeldepot immer nur das Anrecht an einer bestimmten Stückzahl des Gesamtbestands. Und dieser Anteil wird immer vorhanden sein. Größere Broker-Häuser bieten im Allgemeinen eine größere Zahl von Aktien, die sich shorten lassen, da sie auf größere Bestände zurückgreifen können. Üblicherweise erteilt man dem Broker beim Eröffnen eines Margin-Accounts, auf den ich noch näher eingehen werde, das Recht, sich Aktien auszuleihen. Wer unter allen Umständen einen Verleih der eigenen Aktien ausschließen will, sollte nur ein normales Depot eröffnen und darauf achten, dass der Vertrag keine Vereinbarung über das Verleihen enthält beziehungsweise dieses eindeutig ausschließt. Vorteile hat man dadurch allerdings kaum.
Normalerweise kommt es sehr selten vor, aber wenn der Broker die ausgeliehenen Aktien zurückverlangen sollte, muss der Short-Seller diese umgehend zurückgeben, indem er sie notfalls zu jedem Preis erwirbt. Und dagegen kann er sich nicht wehren.
Eine Aktie – zwei Besitzer, Dividenden und Kapitalmaßnahmen
Betrachtet man den Vorgang des Leerverkaufs genau, stellt man fest, dass es danach zwei Besitzer ein- und derselben Aktie gibt, die beide sämtliche Rechte daran besitzen: sowohl derjenige, der die Aktie an den Short-Seller ausgeliehen hat als auch der Käufer, der sie von ihm erworben hat. Beide wissen unter Umständen gar nicht, dass sie an einer solchen Transaktion beteiligt waren. Zahlt ein Unternehmen Dividende, so geht diese direkt an den letzten Käufer. Damit der Verleiher nicht leer ausgeht, muss der Short-Seller für ihn die Dividende übernehmen. Demzufolge empfiehlt es sich, bei einem größeren Short-Engagement, sich die letzten Dividendenzahlungen anzusehen, damit es zu keiner bösen Überraschung kommt. Der Short-Seller ist an allen Kapitalmaßnahmen beteiligt. Splittet ein Unternehmen beispielsweise im Verhältnis 2:1, dann muss der Short-Seller die doppelte Anzahl Aktien zurückgeben. Da bei einem Split in diesem Verhältnis jedoch auch der Preis der Aktie halbiert wird, macht es für den Short-Seller kaum einen Unterschied. Auch wenn die Details zunächst einen verwirrenden Eindruck hinterlassen, ist Shorten im Prinzip nicht sehr schwierig. Es unterliegt jedoch weiteren Einschränkungen und Besonderheiten, die man unbedingt kennen sollte, bevor man das erste Mal short geht.
Unbegrenztes Risiko
Wer auf fallende Kurse setzt, hat eine maximale Gewinnerwartung von 100 Prozent. Dieser Gewinn tritt nämlich genau dann ein, wenn das Unternehmen Pleite geht und der Handel eingestellt wird - das heißt, der Short-Seller die Aktien nicht covern muss. Die Verlustmöglichkeiten sind dagegen nahezu unbegrenzt, denn eine Aktie kann im Prinzip grenzenlos an Wert gewinnen. Wenn beispielsweise die eingangs erwähnte Aktie von $100 auf $200 steigt, dann hätte der Short-Seller seinen gesamten Einsatz verloren. Steigt sie sogar noch weiter, dann verliert er mehr als er eingesetzt hat. Bei einer normalen Aktienposition (auch Long-Positionen genannt) beträgt das Verlustrisiko dagegen maximal 100 Prozent, während die Gewinnaussichten unbegrenzt sein können.
Der Begriff „Verlust des eingesetzten Kapitals“ ist beim Shorten natürlich etwas konstruiert, denn genau genommen setzt der Short-Seller ja zunächst überhaupt kein Kapital ein, sondern erzielt ausschließlich Einnahmen. So könnte ein Short-Seller, der nur $10,000 in seinem Depot hat, eine Million Aktien zu $100 leerverkaufen und käme so auf einen realen Depotstand von über 100 Millionen Dollar. Ginge die Sache gut, beispielsweise indem die Aktie auf $80 fällt, hätte er mit minimalem Aufwand ein Vermögen gemacht. Ginge sie jedoch schief, dann wäre er für den Rest seines Lebens ruiniert und sein Broker ebenfalls schwer geschädigt. Damit solche Katastrophen nicht eintreten, lassen die Broker jeden Klienten nur so viel Aktien shorten, dass ein Rückkauf auch unter extremen Bedingungen sichergestellt ist. In der Praxis heißt das: Der Short-Seller darf zunächst nur Aktien vom doppelten Wert seines Bargeldbestands leerverkaufen.
Margin Account
Um Leerverkäufe tätigen zu können, muss der Kunde über einen sogenannten Margin-Account (Einschusskonto) verfügen. Dessen besonderes Merkmal ist, dass es sich überziehen lässt, und zwar um Aktien auf Kredit zu kaufen und um zu shorten. Die Bestimmungen zur Eröffnung eines Margin-Accounts werden von dem Federal Reserve Board, der amerikanischen Notenbank in Zusammenarbeit mit der NASD (National Association of Securities Dealers) und der NYSE (New York Stock Exchange) reguliert. Kauft der Anleger auf seinem Margin-Account mehr Aktien als er sich leisten kann, so erhält er automatisch einen Effektenkredit. In den USA ist es üblich, dass der Kunde mit einem solchen Konto für jeden Dollar, den er deponiert, für zwei Dollar Aktien kaufen kann. Dies bedeutet zugleich, dass er eine Bringschuld in Höhe von 50% gegenüber dem Broker hat. Die tatsächlichen Konditionen sind jedoch von Broker zu Broker unterschiedlich.
Für das Einrichten eines Margin Accounts sind keine besonderen Einkommensnachweise erforderlich, denn der Broker behält als Sicherheit die Aktien im Depot und kassiert natürlich Überziehungszinsen.
Margin Rules
Der Kunde darf ein bestimmtes Verhältnis von geliehenem Geld zu Aktienbuchwert (Margin Ratio) nicht längerfristig unterschreiten, sonst fordert ihn der Broker per „Margin Call“ auf, sein Konto wieder in Ordnung zu bringen. Die Formel zur Berechnung des Margin Ratio finden sie im folgenden:
Margin Ratio = (Long Stock Value + Short Stock Value + Real Cash) / (Long Stock Value + Abs(Short Stock Value)) x 100%
wobei:
Long Stock Value der gegenwärtige Buchwert aller Aktien im Depot, die „marginable“ sind
Short Stock Value der gegenwärtige Buchwert aller leerverkauften Aktien im Depot. Dieser Wert ist negativ
Real Cash der Bargeldbestand – dieser Wert ist negativ, wenn das Konto überzogen wurde. Einnahmen aus Leerverkäufen erscheinen hier positiv.
Abs(Short Stock Value) der absolute Buchwert aller leerverkauften Aktien im Depot; dieser Wert ist positiv
Das Margin Ratio verändert sich also während der Börsenöffnungszeiten kontinuierlich, da es von den Aktiennotierungen abhängig ist. Natürlich muss der Kunde diesen Wert nicht selbst ausrechnen, sondern wird in seiner Account-Übersicht darüber informiert.
Wenn man die Konditionen eines ausgewählten US-Brokers zu Grunde legt, dann würde die Entwicklung des Margin Ratio in der Praxis folgendermaßen aussehen:
Ein Kunde eröffnet beispielsweise ein Depot mit $10,000. Der Broker ermöglicht es seinen Kunden, bei bestimmten Aktien bis zum Doppelten des Bargeldbestands zu kaufen. Ein Margin Call wird ab 30 Prozent fällig. Der Broker behält sich das Recht vor, Aktien unmittelbar zu verkaufen, wenn das Margin Ratio unter 10 Prozent fällt. Um einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, kauft der Kunde nun für $20,000 Aktien zum Stückpreis von $100. Er hat damit zwar seinen Effektenkredit bis zum Anschlag ausgenutzt, aber sein Margin Ratio ist noch im grünen Bereich: (20,000-10,000) / 20,000 = 50%. Die Aktie darf durchaus ein Stück abrutschen, bis der Kunde eingreifen muss. Steigen seine Aktien nun beispielsweise auf $120, dann steigt das Ratio auf rund 58 Prozent. Fällt die Aktie dagegen auf $80, dann verschlechtert sich das Margin Ratio auf 37,5 Prozent. Konkret heißt das, der Kunde hat sich $10,000 ausgeliehen, kann diesen Kredit jetzt aber nur noch mit $16,000 Aktienbuchwert absichern. Hält der Kursschwund an, dann wird er ab rund $71 (30%) einen Margin Call erhalten. Jetzt muss er entweder Geld nachschiessen, um auf das notwendige Ratio zu kommen oder er muss zumindest einen Teil der Aktien verkaufen. Reagiert der Kunde nicht innerhalb kurzer Zeit auf diese Aufforderung oder fällt der Aktienwert bis unter 56 Dollar (10%), wird der Broker von sich aus eingreifen und Aktien aus dem Depot des Kunden verkaufen. Diese Betrachtungen gelten zunächst nur für Long-Positionen in einem Margin Account. Ein Kunde, der sein Konto nicht überzieht, muss sich auch keine Gedanken um einen margin call machen. Er kann jeden Verlust beliebig lange aussitzen, denn er hat nur sein eigenes Geld eingesetzt und kann nur dieses Geld verlieren.
Anders verhält es sich beim Short-Seller. Selbst wenn er für jeden Dollar in seinem Konto nur für einen Dollar short geht, muss er das Short Ralio beachten, denn seine Position kann mehr als 100 Prozent Verlust machen. Beispiel: Der Kunde mit einem Account von $10,000 shortet 200 Aktien zum Preis von je $100. Er hat jetzt einen Bargeldbestand von $30,000, da er aus dem Leerverkauf $20,000 erzielt hat. Er muss allerdings sicherstellen, dass er mit diesem Geld jederzeit die 200 ausstehenden Aktien zurückkaufen kann. Auch er hat zunächst die maximale Anzahl Aktien geshortet, denn er darf für jeden Dollar, denn er im Depot hat, zwei zusätzliche Dollar einnehmen. Sein Margin Ratio beträgt anfangs 50% = (-20,000 + 30,000) / 20,000.
Läuft die Sache nun schief, weil der Kurs wider Erwarten steigt, dann fällt sein Margin Ratio. Schon bei rund $115 wird ihn der Margin Call erreichen. Bei $136 dürfte der Broker die Short-Positionen covern. Normalerweise sollte jede einzelne Short-Position im Depot nur einen geringen Teil des Depotbestands ausmachen, sodass diese Position nicht das gesamte Portfolio gefährden kann. Einzelne Positionen können dafür aber auch um mehr als 100 Prozent in den Verlust gehen. Mit dem Margin Ratio will der Broker nur sicherstellen, dass ihm keine Verluste entstehen. Wie sich der Kunde ruiniert, dürfte ihn jedoch nur wenig interessieren. Seit dem 28. September 2001 gelten neue Margin Rules. Diese betreffen aber lediglich einen Teil der Day Trader, die sogenannten Pattern Day Tader (PDT’s). Broker stufen Day Trader als PDT’s ein, wenn ein Trader vier Trades pro Tag in einer 5-Tages-Periode macht (Öffnen und Schliessen der Position am gleichen Tag). Ausnahme: Die Anzahl seiner Day Trades beträgt weniger als sechs Prozent seiner Handelsaktivität. Nach den neuen Margin Rules muss ein PDT einen Margin-Account in Höhe von mindestens $25,000 eröffnen. Viele Direct-Access Firmen stellen jedoch ihre Mindestanforderungen bereits in dieser Höhe.
Obwohl diese neuen Margin Rules den Grossteil der Trader nicht betrifft, haben sie dennoch einen gewaltigen Einfluss, denn die Buying Power eines PDT’s steigt von 2:1 auf 4:1. Statt mit einem Account in Höhe von $50,000 Aktien im Werte von $100,000 zu handeln, können nach der neuen Margin-Regel $200,000 gehandelt werden. Änderungen betreffen aber auch den Umgang mit der Margin, doch dies soll hier nicht näher erläutert werden.
Short-Sale-Liste
Weil das US-amerikanische Gesetz vorsieht, sowohl den Broker als auch den Kunden zu schützen, erstellt das Federal Reserve Board (FED) eine an aktuelle Risikobedingungen geknüpfte Liste von Aktien, die von ihr zum Short-Sale freigegeben wurden.
Um eine Aktie überhaupt shorten zu können, muss sie von der FED als „marginable“ bezeichnet sein, also auch zum Kauf auf Kredit freigegeben sein, und sie muss darüber hinaus "shortable“ sein. Ob eine bestimmte Aktie für das Shorten freigegeben ist, erfährt man normalerweise aus einer Liste, die man auf Anfrage vom Broker erhält beziehungsweise direkt mittels einer Online-Abfrage. Selbst wenn die Aktie im Prinzip zum Shorten freigegeben ist, muss der Broker beim realen Auftrag die gewünschte Stückzahl vorrätig haben oder beschaffen können.
Im Allgemeinen völlig ausgeschlossen vom Shorten sind Aktien, die unter fünf Dollar notieren und die erst innerhalb der letzten 30 Tage an die Börse gekommen sind. Diese Tagesanzahl ist lediglich eine inoffizielle Zahl, die für einige Broker von Bedeutung ist. Somit kann es durchaus auch sein, dass sie beispielweise ein junges IPO bereits nach 20 Tagen shorten können, vorausgesetzt sie handeln über einen guten Broker. Manche Broker haben sich mit bestimmten sehr volatilen Aktien bereits massiv die Finger verbrannt, weil Konten ihrer Kunden geplatzt sind, für die sie anschließend gerade stehen mussten. So musste der Internet-Broker Ameritrade Ende 1998 rund 1,6 Millionen Dollar abschreiben, weil einige seiner Kunden mehr Geld verloren haben, als die Konten hergaben. Aus diesem Grunde standen derzeit bestimmte ausgewählte Aktien bei Datek beispielsweise ganz oben auf der schwarzen Liste. Denn sie waren nach Ansicht von Datek in der Lage, mit gigantischen Kurssprüngen die Konten reihenweise auszuhebeln. Dies galt insbesonders für die Internet-Aktien, die mit ihren atemberaubenden Kurssteigerungen den Brokern, aber auch der Börsenaufsicht Sorgen machten. Demzufolge hoben die meisten grossen US-Broker die Anforderungen an die Margin-Accounts bereits Ende 1998 an, weil Internet-Aktien völlig unberechenbar geworden waren.
Clearing
Eine weitere wichtige Instanz neben der FED und dem Broker ist das Clearinghouse. Obwohl Sie persönlich nicht direkt mit dem Clearing in Berührung geraten, hat das Clearing einen direkten Kontakt zu ihrem Account. Das Clearing ist für die Überwachung der Kundenkonten verantwortlich und stellt sicher, dass die Margin-Limits eingehalten werden. Zudem stellt das Clearinghouse aufgrund der Vorgaben der FED die Short Sale-Liste zusammen, die dann an den Broker weitergegeben wird. Die Short Sale-Liste des Clearings muss nicht unbedingt mit den Vorgaben der FED identisch sein, sondern kann durchaus kürzer sein, auf keinen Fall aber darf sie den Restriktionsgrad der FED überschreiten. Der Broker wiederum kann diese Liste nach Risikoaspekten noch weiter einschränken, darf jedoch selbst keine weiteren Aktien hinzufügen.
Tick Rules – NASDAQ und NYSE/AMEX
Angeblich um zu verhindern, dass Short-Seller stark fallende Aktien erbarmungslos unter Druck setzen, ist das Shorten nur bei steigenden Kursen erlaubt. Hier müssen wir Leerverkäufe an der NASDAQ von denen an der NYSE, AMEX unterscheiden.
Bei einem Leerverkauf an der NASDAQ gilt die sogenannte Uptick-Rule. Diese Regel schreibt vor, dass der Geldkurs (Bid) höher sein muss als der vorausgegangene Kurs. Für Market Maker hingegen gilt diese Uptick-Rule nicht.
Wollen Sie Aktien an der NYSE, AMEX leerverkaufen, dann gilt die sogenannte Zero-Plus Tick-Rule. Diese Regel schreibt zwei Bedingungen vor: Zum einen können Sie bei einem Uptick des Geldkurses (Bid) einen Short-Sale in das System geben, zum anderen muss die Aktie zuvor einen höheren Geldkurs gebildet haben und seitdem auf dem derzeitigen Briefkurs (Ask) gehandelt werden, ohne dass sie sich bewegt hat. Die Uptick Rule gilt nicht innerhalb des vor- und nachbörslichen Handels, jedoch stellen sich Transaktionen in der Regel in diesen Phasen mit einem erhöhten Risiko dar, da der Markt zum einen „enger“ ist und somit schon relativ kleine Orders für Kurssprünge sorgen können und zum anderen, weil Bid- und Ask-Kurse einen größeren Spread (Spanne) bilden.
Short-Squeeze
Für den Short-Seller zeigt sich die Entwicklung von Gewinn- und Verlustpositionen völlig anders als für den klassischen Anleger. Eine Gewinnposition verzeichnet bei konstant fallendem Kurs immer geringere Gewinnzuwächse, während eine Verlustposition bei konstant steigendem Kurs immer höhere Verluste produziert. Gerade diese Eigenschaft macht das Shorten gefährlich. Shorts lassen sich nicht ohne weiteres Aussitzen. Man sollte den Begriff „Short“ also wörtlich nehmen, denn er bedeutet sowohl „knapp bei Kasse“ als auch „kurzfristig“. Da sich die meisten Short-Seller dieser Problematik sehr wohl bewusst sind, sind sie auch sehr schnell bereit, eine Verlustposition aufzugeben, indem sie durch Käufe ihre Short-Positionen covern. Jeder Kauf trägt seinerseits dazu bei, dass der Kurs weiter ansteigt, was weitere Short-Seller zum Covern bewegt. Da die Short-Seller praktisch aus der Aktie herausgepresst werden, nennt man das Ganze „Short Squeeze“. Manche Trader und Anleger suchen ganz gezielt nach Kandidaten für Short-Squeezes. Sie erwarten von Aktien, die besonders intensiv geshortet wurden, dass sie eine große Chance besitzen, wieder stark zu steigen. Hilfestellung bei der Suche bieten die Statistiken der US-Börsenaufsicht, die monatlich zu einem bestimmten Stichtag die Anzahl der ausstehenden Leerverkäufe auflisten lässt.
Trading-Konstruktionen - „Short Selling against the Box“
Mit Leerverkäufen lassen sich, neben dem Wunsch nach direkten Profit durch fallende Kurse, auch spezielle Trading-Varianten konstruieren.
So ist die „Short Selling against the Box" oder auch „boxed shorts“ genannte Transaktion auf den ersten Blick möglicherweise etwas sinnlos. Dabei baut der Trader zu einer bestehenden Position eine genau entgegengesetzte auf, wenn es sein Broker gestattet. Beide Positionen neutralisieren gegenseitig Gewinne und Verluste, bleiben aber aktiv. Fällt der Kurs der Aktie, dann macht die Short-Position genau so viel Gewinn, wie die Long-Position Verluste macht, und umgekehrt.
US-Amerikaner können mit dieser Konstruktion unter Umständen Steuervorteile erzielen, indem sie die Realisierung von Gewinnen in das nächste Steuerjahr verschieben, ohne Gefahr zu laufen, dass ihnen durch die Verzögerung Verluste entstehen. Ein deutscher Anleger könnte kurz vor Ablauf der Spekulationsfrist eine bisher erfolgreiche Position zusätzlich shorten, um sie vor Verlusten und dem Fiskus zu schützen. Auch wenn es nicht ganz legal ist, umgehen geschickte Short-Seller durch einen „boxed short“ die Uptick-Rule. Sie bauen die Short-Position bereits im Aufwärtstrend auf und sichern diese sofort mit einer Long-Position ab. Sobald der erwartete Kurssturz eintritt, lösen sie die Long-Position auf und gehen somit short, ohne dass sie auf einen Uptick warten müssen. Genau genommen müsste der Verkauf der Long-Position aber wie ein Short-Vorgang behandelt werden, denn der Trader ist anschließend short. Bei vielen Brokern ist das „Short-Selling against the box“ allerdings nicht mit einem einzigen Account möglich. Wer zum Beispiel bei Datek Aktien kauft, die er zuvor geshortet hat, covert automatisch. Diese Technik funktioniert dafür sogar länderübergreifend. Viele deutsche Anleger versuchen zum Beispiel, den Zeitvorteil auszunutzen, den sie dadurch haben, dass die deutschen Börsen viele Stunden vor den US-Börsen öffnen. Erhält eine Aktie Auftrieb, so steigen sie hier in Deutschland in die Aktie in der Hoffnung ein, dass sie in den USA nach Handelsbeginn (15:30 Uhr deutscher Zeit) deutlich weiter steigt.
Da die deutschen Börsen aber bereits um 20:00 Uhr schließen, müssen sie entweder vorher verkaufen oder gehen das Risiko ein, einem eventuellen Absturz der Aktie ausgeliefert zu sein. Sollte sich dieser erst nach 20:00 Uhr abzeichnen, so besteht für den Marktteilnehmer die Möglichkeit, die gleiche Anzahl Aktien in den USA zu shorten, sodass er seine Gewinne gesichert hat. Arbitrage-Geschäfte sind besonders beliebt, weil sie ein Traden mit nur geringem spekulativen Anteil erlauben. Üblicherweise sucht man dabei eine Börse, bei der eine bestimmte Aktie möglichst billig angeboten wird, um sie umgehend an einer anderen Börse teurer zu verkaufen. Im Prinzip sind diese Geschäfte auch zwischen Deutschland und den USA möglich, doch bei vielen deutschen Brokern erworbene Aktien lassen sich nicht sofort in den USA verkaufen. Wenn man zusätzlich ein Konto bei einem US-Broker hat, ist ein Transfer der Aktien aber gar nicht notwendig, wenn man die Aktien in den USA leerverkaufen kann.
Angenommen, eine Aktie kostet in den USA $100, aber in Deutschland umgerechnet nur $90. Man könnte die Aktie in Deutschland für $90 erwerben und sofort in den USA für $100 shorten. Sobald sich die Kursdifferenz wieder annähert, macht man Gewinn, und zwar unabhängig davon, wohin sich der Aktienkurs inzwischen bewegt.
Ein Beispiel: Jemand kauft in Deutschland 100 Aktien zu umgerechnet $90 und zahlt dafür $9,000. Jetzt shortet er in USA 100 Aktien und erhält dafür $10,000. Er hält also eine Long- und eine Short-Position und wartet darauf, dass sich die Kursdifferenz wieder annähert. Der Kurs fällt anschließend in Deutschland auf $70 und in den USA auf $72. Der Verkauf in Deutschland bringt einen Verlust von $2,000. Das Glattstellen der Short-Position in den USA sorgt aber für einen Gewinn von $2,800. Unterm Strich bleiben (ohne Berücksichtigung der Broker-Provisionen) $800 Gewinn, der ausschließlich aus der Annäherung der Kursdifferenzen entstanden ist. Die Aktie hätte genauso gut auf 150 Dollar steigen oder auf 50 Dollar fallen dürfen. Nur der Abstand der Notierungen hätte sich nicht vergrößern dürfen. Die Sache funktioniert allerdings nur, wenn zu Beginn der Kurs in Deutschland niedriger ist als in den USA. Sonst müsste man in den USA kaufen und in Deutschland shorten, aber das ist bei den meisten Brokern in Deutschland, bei denen Privatanleger ihre Depots führen, nicht möglich. Ferner könnten Shorts helfen, die Volatilität im eigenen Depot herabzusetzen. Wer beispielsweise nur in Biotech-Aktien investiert ist, weil er von den Zukunftsaussichten dieses Sektors überzeugt ist, aber Angst hat, vollends abzustürzen, wenn diese Werte mal heftig korrigieren, der könnte mit einer kleinen Short-Position die teilweise extremen Schwankungen abmildern. Dabei würden jedoch nicht nur Verluste begrenzt, sondern auch die Gewinne eingeschränkt.
Short-Kandidaten
Das wichtigste Motiv, Aktien zu shorten, dürfte jedoch der Wunsch sein, unmittelbar von einem Kursrückgang zu profitieren. Short-Selling ist eine Trading-Variante und keine Anlagestrategie. Die Frage, welche Aktien besonders für das Shorten geeignet sind, lässt sich genauso schwer beantworten wie die Frage nach der besten Anlage. Der Short-Seller wird sich jedoch immer Aktien in Extremsituationen suchen. Wenn die Fantasie mit den Anlegern durchgeht, dann werden sich die Short-Seller das zu Nutze machen. Beispielsweise neigen Pharmawerte oder Biotechtitel bei Forschungserfolgen oder Zulassungen dazu, um teilweise mehrere 100 Prozent zu steigen. Selbst wenn die Gewinnerwartungen real sind, setzt sich im Allgemeinen sehr schnell die Erkenntnis durch, dass die Gewinne erst in einigen Jahren zu erwarten sind. Die Kurse bröckeln daraufhin sehr schnell ab. Ein Short-Seller, der den Mut aufbringt, solche Aktien zum Höhepunkt der Euphorie leerzuverkaufen, kann einen ansehnlichen Gewinn erzielen. Wenn er sich jedoch verrechnet hat, weil er eine kurzzeitige Verschnaufpause beim Aufstieg für eine Trendwende gehalten hat, dann könnte es bei fehlendem Positions-Management hingegen teuer für ihn werden. Grundsätzlich sollte man gemäss dem Konzept der Relativen Stärke (siehe Lesson) vorgehen, um schwache Aktien zu shorten und dabei bestimmte Entry-Techniken nutzen (z.B. „Pullbacks from Lows“, siehe Lesson). Während der Anleger üblicherweise unterbewertete Aktien sucht, fahndet der Short-Seller nach überbewerteten Aktien. Weder für den Kauf noch für das Shorten gibt es jedoch Patentrezepte.
„Shorties“ – unbeliebte Marktteilnehmer
Short-Seller (in Deutschland abfällig auch „Shorties“ genannt) gehören neben den Market Makern (US-Kursmakler) wohl zu den unbeliebtesten Marktteilnehmern überhaupt. Das hat hauptsächlich psychologische Gründe. Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass erfolgreiche Short-Seller sich sehr gut mit den Aktienmärkten und den Unternehmen auskennen müssen, von denen sie einen Kursrückgang erwarten. Sonst wären sie auf Grund des hohen Risikos sehr schnell pleite. Daher müssten sie eigentlich als Spezialisten angesehen sein. Wenn solche Fachleute Aktien shorten, sollte das für einen Anleger ein sicheres Signal sein, über einen Verkauf zumindest, nachzudenken.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Statt dieses Know-how zu nutzen, werden Short-Sellern grundsätzlich eigennützige Motive unterstellt. Ihre Aussagen beruhten nicht auf Recherche, sondern sollten ausschließlich den Kurs drücken. Dabei erwartet niemand ernsthaft von irgendeinem Marktteilnehmer, dass dieser uneigennützig handelt. Schließlich ist auch jeder Anleger auf seinen Profit aus. In der Wahrnehmung des Investors macht sich der Short-Seller jedoch besonders verdächtig, weil er schlecht über die Aktien redet, von denen der Investor überzeugt ist und von denen er sich einen weiteren Kursanstieg erhofft. Und das nimmt niemand auf die leichte Schulter. Auch hier stehen die Verhältnisse Kopf. Selbst wenn der Short-Seller seinen Sachverstand durch eine hohe Trefferquote unter Beweis stellt, wird er wenig Anerkennung finden, denn er hat sich abfällig über die Aktien der anderen Anleger geäußert. Man gibt ihm die Schuld am Kursrückgang und nicht etwa dem miesen Management, der dahinsiechenden Konjunktur oder der hoffnungslosen Überbewertung der Aktie. Gurus, Stock-Promoter und Hypester haben es dagegen einfacher: Wenn sie auch nur bei einem von zehn 'Tipps' richtig liegen, wird ihnen Sachverstand bescheinigt. Bei den neun Flops hätten sie sich ja immerhin bemüht. Ähnliches gilt für die Profis. Gibt ein Investmenthaus eine Kaufempfehlung in der Nähe des Höchstkurses heraus und ändert es dieses nach einer Halbierung des Kurses auf „Halten“, dann rümpft der eine oder andere Anleger zwar die Nase, würde aber kaum von einen Betrug oder gar einem Verbrechen reden. Weiterhin sind Investment-Häuser, die Kaufempfehlungen herausgeben, sehr oft auch als Market Maker tätig und dürften sich kräftig mit bestimmten Aktien eindecken, bevor ihre Empfehlungen nach außen gehen.
Fazit
Das Short-Selling in den USA ist eine interessante Trading-Möglichkeit für den erfahrenen Marktteilnehmer. Es ist viel risikoreicher als die normale Anlage, da die Verluste deutlich über das eingesetzte Kapital gehen können. Dafür ermöglichen Shorts auch bei fallenden Aktienkursen Gewinne. Wer das Shorten bei seinem US-Broker ausprobieren möchte, sollte zunächst mit kleineren Beträgen beginnen und möglichst nur intraday handeln.
Autor: Frank Thönnißen - Co-Investment Advisor bei STRADIVARI (Luxemburg)
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