Merkantilismus 2.0: Zieht Euch alle warm an!
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Rückkehr des Merkantilismus und der Rolle von Handelsblöcken in der aktuellen geopolitisch-wirtschaftlichen Landschaft:
1. Merkantilismus reloaded: die Neuauflage eines alten Prinzips
Merkantilismus war historisch eine staatszentrierte Wirtschaftspolitik, die vor allem im 16.–18. Jahrhundert dominierte. Ziel war immer, langfristig Handelsüberschüsse durch Exportförderung und Importbeschränkungen zu erzielen, um Gold- und Devisenreserven zu mehren. Heute erleben wir eine moderne Version: Staaten setzen gezielt auf Industrieförderung, Subventionen, gezielte Zölle und strategische Protektion, um nationalen Wohlstand und Machtpositionen im globalen Wettbewerb zu sichern. Besonders vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Rivalität (z.B. USA gegen China).
2. Globale Handelsblöcke als strategische Machtzentren
Handelsblöcke wie BRICS, SCO, aber auch die Europäische Union und andere regionale Zusammenschlüsse verfolgen neben wirtschaftlicher Integration zunehmend geopolitische Ziele:
- BRICS: Diese heterogene Gruppe fördert eigene Finanzinstitutionen (z.B. Neue Entwicklungsbank), alternative Währungen und engere wirtschaftliche Zusammenarbeit, um die Abhängigkeit vom US-Finanzsystem zu verringern.
- SCO: Als Sicherheits- und Wirtschaftsbündnis stärkt es Russlands und Chinas Einfluss in Eurasien und kontrolliert wichtige Rohstoff- und Transitwege.
- EU: Trotz Freihandelsanspruch fokussiert die EU zunehmend auch auf technologische Souveränität (z.B. Chips, grüne Technologien) und strategische Autonomie.
Diese Blöcke bilden de facto konkurrierende Systeme, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Einflusssphären definieren.
3. US-Dollar-Dominanz unter Druck - Die geopolitische Dimension
Der US-Dollar spielt seit Jahrzehnten die Schlüsselrolle als Weltreservewährung und zentrale Transaktionswährung im internationalen Handel und Finanzsystem. Diese Vormachtstellung erlaubt den USA enorme monetäre und geopolitische Gestaltungsmöglichkeiten: z.B. Sanktionen, günstige Kreditkonditionen, Kapitalimport.
- Handelsblöcke mit BRICS und SCO forcieren daher Initiativen zur "De-Dollarisierung": Alternative Zahlungsmethoden (z.B. RMB/Yuan, digitale Währungen), bilaterale Tauschgeschäfte oder Schaffung gemeinsamer Kredit- und Abrechnungssysteme.
- Dies schwächt mittel- bis langfristig den Einfluss der USA, konfrontiert globales Finanzsystem mit Fragmentierung und birgt Risiken für die globale Stabilität.
4. Die Rückkehr protektionistischer Instrumente - Zölle, Subventionen, Regulierung
Das Bild von Freihandel als universelle Glücksformel wird momentan revidiert:
- Zölle werden nicht nur als kurzfristiges Druckmittel genutzt (handels- oder geopolitische Krisen), sondern als langfristiges strategisches Instrument zur Sicherung Industriesektoren (z.B. Halbleiter, kritische Rohstoffe).
- Subventionen für Schlüsselindustrien und Technologieförderung (z.B. Green Tech, KI) nehmen zu und werden Teil nationaler Sicherheitspolitik.
- Regulierung wird zunehmend als Schutzmechanismus angesehen, z.B. strengere Umwelt- oder Datenschutzvorschriften, die Handelspartnern auch als Wettbewerbsbarrieren dienen können.
5. Langfristige Folgen und Herausforderungen
- Fragmentierung des Welthandels: Mehrere parallele Handelssysteme und -regeln erschweren internationalen Handel, erhöhen Komplexität und Kosten für Unternehmen.
- Erosion multilateraler Institutionen: WTO und ähnliche Organisationen verlieren Einfluss, da wichtige Akteure zunehmend bilaterale oder regionale Abkommen bevorzugen, die besser ihre geopolitischen Interessen widerspiegeln.
- Wachsender Technologiewettbewerb: Kontrolle über Schlüsseltechnologien – von Halbleitern über KI bis zu erneuerbaren Energien – wird zum geopolitischen Machtfaktor, der Handel und Investitionen stärker politisiert.
- Risiko von Handels- und Währungskriegen: Protektionismus, Sanktionen und Währungsmanipulationen könnten zyklisch zu Gegenmaßnahmen eskalieren und globale Stabilität gefährden.
6. Was bedeutet das für Unternehmen und Politik?
- Unternehmen müssen sich auf volatilere, fragmentierte Märkte einstellen, Supply Chains diversifizieren, geopolitische Risiken besser managen.
- Politik ist gefordert, "strategische Autonomie" zu entwickeln: Balance zwischen Offenheit und Schutz, multilateraler Kooperation und nationalen Sicherheitsinteressen, Innovation und Industriepolitik.
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Identität statt Preis: Europas neue Distanz zu amerikanischen Marken
Die EZB-Umfrage aus März 2025 liefert tiefergehende Einblicke in die Ursachen und Strukturen der Abkehr europäischer Konsumenten von US-Marken: In der Befragung von rund 19.000 Personen gaben 44% an, unabhängig von Zöllen bewusst auf US-Marken verzichten zu wollen. Der Fokus lag auf hypothetischen Zollszenarien (5, 10 oder 20%), wobei der durchschnittliche Substitutionswert, also die Bereitschaft, durch Produkte aus anderen Ländern zu ersetzen über alle Szenarien hinweg sehr hoch lag (Median: 80 von 100 Punkten). Das bedeutet: Auch geringe Zölle führen bereits dazu, dass viele in Europa Alternativen zu US-Produkten suchen.
Besonders auffällig ist, dass eine große Gruppe ("Präferenzgruppe"), die zur Abkehr bereit ist, nicht den Preis als Hauptmotivation angibt, sondern persönliche Einstellungen und Werte ("Vorlieben"). Nur in geringerem Maß spielen wirtschaftliche Beweggründe wie Preissteigerungen eine Rolle. Für diese Gruppe lag der Substitutionswert sogar bei 95 von 100, und dies blieb konstant. Egal, wie hoch die Zölle simuliert wurden.
Haushalte mit höherem Einkommen zeigen sich in der Umfrage am stärksten bereit, US-Produkte zu meiden. Ein Hinweis, dass hier Geopolitik, Haltung und Image dominierten und nicht ökonomische Zwänge. Die Umfrage wurde im Kontext einer neuen US-Zollpolitik durchgeführt (Basiszoll Trumps: 10%, kurzzeitig 20% ...). Die EU arbeitet laut Insidern an einer Strategie zur stärkeren wirtschaftlichen Eigenständigkeit. Dazu gehören etwa Pläne zur Reduzierung der Abhängigkeit von US-Technologien und verstärkte Schutzmaßnahmen für geistiges Eigentum.
Weitere Hintergrundaspekte:
Obwohl die Bereitschaft groß ist, US-Produkte zu meiden, bleibt die tatsächliche Umsetzung je nach Konsumsegment unterschiedlich ausgeprägt. Bei Gütern, die als „alternativlos“ gelten (z.B. bestimmte Digitalkonzerne), ist der Prozess langsamer. Die Entwicklung wird von Experten der EZB als langfristige strukturelle Verschiebung gewertet, nicht als temporäre "Boykottlaune". In Fachkreisen wird diskutiert, dass solche antiamerikanischen Präferenzen Ausdruck einer wachsenden Emanzipation Europas von den USA sind . Sowohl wirtschaftlich, als auch im Hinblick auf Werte- und Außenpolitik.
Meine Stimme aus dem Off: Mir scheint so, als ob die Bereitschaft europäischer Konsumenten, US-Marken, US-Waren zu meiden, da ist. Noch fehlt aber eine konkrete größere Änderung des Kaufverhaltens. In Kanada gibt es diese Änderung des Kaufverhaltens der Konsumenten; und zwar drastisch.
Nach den Erfahrungen des WW II versuchte man mit der UNO eine multipolare Weltordnung aufzubauen. Spätestens mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben sich dann die USA als alleiniger Hegemon etabliert. Diese Ära geht mit dem Aufstieg Chinas nun zu Ende. Erkennbar mögen sich die USA mit einer neuen Rolle nicht abfinden und versuchen einen möglichst großen Block von Staaten zu dominieren. Dabei werden auch die alten Regeln (z. B. Freihandel) aufgegeben. Die entscheidende Frage wird sein, ob der Übergang in eine neue Weltordnung halbwegs friedlich verlaufen wird.