Fundamentale Nachricht
13:03 Uhr, 31.03.2017

Managergehälter, Boni in der Kritik: Jetzt handelt der Gesetzgeber!

Die Hauptversammlung soll verbindlich über die Vergütung des Vorstands abstimmen, Banker, die Verluste zu verantworten haben müssen ihre Boni zurückzahlen. Gehaltsexzesse und teures Fehlverhalten in der Wirtschaft will der Gesetzgeber künftig unterbinden. Doch die Vorschläge sind alle nicht das Gelbe vom Ei.

Üppige Gehälter für Vorstandschefs oder Boni für Banker stehen schon lange in der Kritik. Vor allem in Vorwahlkampfzeiten. Wenig verwunderlich, dass SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz auf das Pferd aufgesprungen ist. So hat sich die SPD ins Wahlprogramm geschrieben, die steuerliche Absetzbarkeit von Managergehältern bei variablen Gehaltsbestandteilen auf jeweils 500.000 Euro begrenzen. Gehälter sind als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar. Zudem will die SPD ein Maximalverhältnis der Vergütung von Managern zum Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer festlegen. Laut dem Anlegerschutzverein DSW verdienten Vorstände von DAX-Unternehmen im Jahr 2015 das 50-fache von durchschnittlichen Mitarbeitern.

Ist das nun zu viel? Oder zu wenig, schließlich trägt der Vorstand doch mitunter die Verantwortung für tausende Mitarbeiter? Wer legt eigentlich die Managergehälter fest? Wer hat die Hoheit über das Lohnregime an der Spitze von börsennotierten Unternehmen? Und wer haftet, läuft nun etwas aus dem Ruder?

In letzter Zeit hat die Debatte auch Einklang ins Parlament gefunden, genauer gesagt ins Europäische Parlament. Straßburg hat Mitte März mit überwältigender Mehrheit einer Neufassung der Aktionärsrichtlinie zugestimmt. Danach sollen die Anteilseigner mehr Einfluss auf die Vergütungspolitik von Unternehmen bekommen. So sollen die Aktionäre börsennotierter Unternehmen mindestens alle vier Jahre über die Bezüge des Vorstands abstimmen. Zudem müssen sie bei wesentlichen Änderungen im Vergütungssystems gefragt werden. Gehaltsexzesse sollen so verhindert werden.

Der Haken ist allerdings: Die Richtlinie muss noch in nationales Gesetz umgesetzt werden. Und die Parlamente haben freie Hand festzulegen, ob die Entscheidung der Hauptversammlung bindend ist oder nur empfehlende Wirkung haben soll. Für Deutschland hieße das, es ändert sich nichts! Die Rolle des Aufsichtsrats würde von der Reform unberührt bleiben. Das Gremium würde hierzulande wie bisher auch künftig die Vergütungspolitik und die aktuellen Gehälter der Manager bestimmen.

In Deutschland lassen viele größere Unternehmen die Aktionäre bereits unverbindlich über das Vergütungssystem abstimmen. Doch es ist zur Zeit, wie eingangs schon erwähnt, Wahlkampf. In der Politik ist man also geneigt, den Investoren das Heft in die Hand zu geben, um in der Öffentlichkeit zu punkten. Eine Alleinverantwortung der Aufsichtsräte gäbe es dann nicht mehr, die Hauptversammlungsbeschluss könnte dann verbindlich über die Gehälter der Vorstände abstimmen und gegebenenfalls auch die Vorschläge ablehnen, sollte es zu potenziellen Exzessen kommen. Einen Vorteil hätte diese Lösung in jeden Fall: Die Transparenz über die Saläre alleine würde vor Ausreißern schützen, die Vorstandsvergütungen wären regelmäßig auf der Tagesordnung und noch stärker als bisher in öffentlicher Diskussion. Allerdings, wo Licht da auch Schatten: Der Aufsichtsrat würde auch in seiner Funktion als Kontrollgremium bei einem verbindlichen Hauptversammlungsvotum in der Haftung bleiben. Im Endeffekt hieße dies: Die Entscheidung würde sich von der Verantwortung abkoppeln. Juristisch heikel und angreifbar!

Weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkt, ist Anfang März die neugefasste Institutsvergütungsverordnung in Kraft getreten. Haben sich danach Banker schwerwiegende Fehler erlaubt, oder massive Verluste verursacht, sollen sie bereits erhaltene Boni zurückzahlen müssen. Eine Konsequenz aus der Finanzkrise 2008! Nun geht es den Bankern aber an den Kragen, möchte man meinen. Doch das Gesetz reiht sich ein in die Liste unzähliger Vorschriften, die mit dermaßen hohen Hürden bespickt sind, dass ihre „Alltagstauglichkeit“ in gleichem Maße stark eingeschränkt ist, sprich: es handelt sich mehr oder weniger um einen weiteren Papiertiger.

Wen betrifft die Verordnung? Die Rückforderung von Boni gilt für Kreditinstitute mit einer Bilanzsumme von mehr als 15 Milliarden Euro. Das sind gegenwärtig 50 Geldhäuser in Deutschland. Die Banken müssen nun regelmäßig überprüfen, wer in ihrem Hause ein Risikoträger ist, die Finanzaufsicht Bafin kontrolliert die Identifizierung. Vordringlich wären also Vorstandsmitglieder und die Führungsebene darunter betroffen. Ist nun einem Top-Banker ein Fehlverhalten, das „maßgeblich" am Entstehen erheblicher Verluste oder Strafen für das Institut vorzuwerfen, soll der bereits gezahlte Bonus bis zu sieben Jahre zurückgefordert werden können.

In der Verordnung heißt es in Paragraph 20: „Der vollständige Verlust einer variablen Vergütung tritt insbesondere dann ein, wenn der Geschäftsleiter oder Geschäftsleiterin (…) 1. an einem Verhalten, das für das Institut zu erheblichen Verlusten geführt hat, beteiligt war oder dafür verantwortlich war und 2. externe oder interne Regelungen in Bezug auf Eignung und Verhalten nicht erfüllt hat“. Doch da fangen die Probleme an, zunächst die Definitionsprobleme. Was ist ein erheblicher Verlust, was ist maßgeblich? Sollte ein Banker einen direkten Betrug begangen haben, ist ihm dieser nachweisbar, ok, die Verordnung greift. Doch die Fälle im Graubereich dürften die Gerichte bemühen. Es muss sich um ein gravierendes Fehlverhalten handeln? Was heißt das?An welchen Kriterien richtet sich das aus? Es bleiben viele Fragen offen.

Aber auch die arbeitsrechtliche Gestaltung dürfte schwierig werden. Die Rückforderung soll der Verordnung nach auf Basis vertraglicher Vereinbarungen erfolgen. Das ist beim Abschluss neuer Anstellungsverträge kein Problem. Bei laufenden Alt-Arbeitsverträgen gilt hingegen der Vertrauensschutz, der Arbeitgeber kann weder einseitig neue Klauseln einfügen, noch hat er einen Anspruch darauf, dass der Angestellte einer vertraglichen Veränderung zustimmt, auch nicht aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Gesetzesänderung. Auch wenn die Rückforderung einer variablen Vergütung Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist, ist eine Rückzahlung recht schwer. Die Klausel „externe oder interne Regelungen in Bezug auf Eignung und Verhalten nicht erfüllt hat“ ist zu unbestimmt, als dass sie jemals zur Anwendung gelangen könnte. Summa summarum ist zu konstatieren, dass eine Rückforderung auf Basis dieser Verordnung so gut wie ausgeschlossen ist. Sollte sie dennoch einmal angewendet werden können, dürfte sie die Gerichte jahrelang beschäftigen.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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