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13:30 Uhr, 02.04.2011

Kupfer: Kommt die Trendwende?

Erwähnte Instrumente

  • Kupfer
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    Aktueller Kursstand:   (ARIVA Indikation)
  • US Kupfer
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    Aktueller Kursstand:   (Admiral Markets)

Zu Jahresbeginn schien die Wette auf Kupfer eine sichere zu sein: Das zweite Jahr in Folge sollte das Industriemetall ein negatives Marktsaldo aufweisen und Gerüchte über einen physisch besicherten Kupfer-ETF ließen die Aussichten auf weitere Preissteigerungen nur noch umso verführerischer aussehen. Das Interesse der Privatanleger an Kupfer stieg seither stetig weiter an - uns erreichen vermehrt Fragen zu Kupfer und auch die Abrufzahlen von Kupferchartanalysen auf unserem Portal Godmode-Trader.de nehmen zu. Seit Jahresbeginn werden die Sorgenfalten der Anleger aber immer tiefer, denn: Die Lagerbestände steigen, die chinesische Nachfrage ist deutlich gefallen und der Kupferpreis sieht charttechnisch angeschlagen aus. Ob es angesichts der hohen Liquidität in den Märkten zu einer großen Korrektur kommen wird, ist allerdings offen.

Das charttechnische Muster deutet aber zumindest auf Instabilität hin, sagt Harald Weygand, Head of Trading bei Godmode-Trader.de in der Sendung "Am Puls der US-Märkte" bei Godmode TV. "Der Kursverlauf des US-Technologieindex Nasdaq 100 gleicht dem Kupferpreis. Beide Märkte bewegen sich seit Monaten fast deckungsgleich. Und zum Nasdaq 100 bin ich skeptisch." Dennoch gilt: Trotz der Katastrophe in Japan, der Korrektur im DAX um fast 1000 Punkte binnen kurzer Zeit und trotz der Unsicherheit, die an den Märkten herrschte, korrigierte Kupfer ausgehend vom Allzeithoch Mitte Februar bei 10.190 Dollar pro Tonne zu keinem Zeitpunkt um mehr als 12%.

Die Konsensschätzungen zu Anfang des Jahres sahen ein Angebotsdefizit von 500.000 Tonnen Kupfer. Dennoch stiegen die Lagerbestände im ersten Quartal um 110.000 Tonnen, was diese Prognose doch in Frage stellt. Weltweit liegen in Lagern offiziell 1,1 Millionen Tonnen Kupfer, wovon 377.000 Tonnen in London und 727.000 Tonnen in Shanghai lagern. Für die Analysten der BNP Paribas ist das wenig verwunderlich. China lege es darauf an, große Lagerbestände, auch strategische Vorräte, aufzubauen. "Wir können nicht sagen wie groß die chinesischen Vorräte wirklich sind. Unsere beste Schätzung ist, dass der Anstieg im vierten Quartal 2008 und in den Jahren 2009 und 2010 bei mindestens einer Million Tonnen liegt", heißt es in einer Kundenberatung der BNP. "Der Aufbau der strategischen Lagerbestände, die vom Strategic Reserves Bureau durchgeführt werden, tragen nur zu 20-25% dieser Menge bei." Der Rest sei von Provinzregierungen, Endverbrauchern, Händlern und Spekulanten gekauft worden. Viele von ihnen nutzen die Kupfervorräte auch als Bankbürgschaft, um an günstige Kredite zu kommen - eine Ansicht, die auch von den Analysten von Standard Chartered geteilt wird. "Die Schätzungen für die Menge des Metalls, dass in dieser Art und Weise gebunden ist, reicht von 40-80%, wobei unsere Schätzungen am oberen Ende dieser Spanne liegen", schreibt Standard Chartered. "Baufirmen (und die Bau-Tochterunternehmen großer Konglomerate) scheinen hinter dem Löwenanteil dieser Art der Geschäfte zu stehen, die getrieben werden durch die Weigerung von Banken, bestehende Kreditlinien zu erweitern, oder wenn, dann nur zu Beleihungszinsen von 10-20%. Auf dieser Basis erscheinen die Kreditzinsen bei Metall in Höhe von LIBOR + Kreditabschlussgebühren sehr attraktiv." So können sie die Bemühungen der chinesischen Regierung, dem überhitzten Markt Liquidität abzuziehen, umgehen.

Es ist die Vermutung, dass diese Unternehmen und Konglomerate die erhöhte Kupfernachfrage in den offiziellen Lagerhallen erzeugten und dass Besitzer von nicht offiziellen Lagerhallen die Rekordpreise bei Kupfer Mitte Februar nutzten, um ihre Bestände zu verkaufen. Das könnte den Zuwachs der chinesischen Lagerbestände in Shanghai im ersten Quartal um 110.000 Tonnen erklären und würde somit nicht die Prognose in Frage stellen, dass Kupfer immer noch ein negatives Marktsaldo aufwirft, schreiben Analysten von BNP.

Die Situation ist aber dennoch getrübt, auch auf der Angebotsseite. Der Internationale Kupferforschungsverband ICSG berichtet, dass nach einer schwachen Auslastung der Förderkapazitäten der weltweiten Kupferbergwerke im Jahresverlauf 2010 eine kräftige Erholung im vierten Quartal 2010 stattgefunden habe. Zwischen 2011 und 2014 wird laut ICSG-Prognose aber die Kapazität der weltweiten Kupfererzminen um 6% zulegen - pro Jahr. Insofern ist es nicht ausgeschlossen, dass der Kupfermarkt im kommenden Jahr wieder ein ausgeglichenes oder sogar ein positives Marktsaldo erreichen wird. In der Zwischenzeit werden die hohen Lagerbestände ausreichen, um jeglichen Lieferengpässe vorzubeugen. Auch die japanischen Investitionen zum Wiederaufbau dürften daran nicht viel ändern. Zwar wird die Nachfrage nach Kupfer dadurch steigen. Die japanische Regierung rechnet damit, dass der Wiederaufbau Japans nach dem Erdbeben und Tsunami über 300 Milliarden Dollar kosten wird. 10% dieser Summe könnten allein für Stahl und Kupfer ausgegeben werden, jedoch dürfte sich die Nachfrage über viele Jahre verteilen. Sollten die Märkte beginnen, ein ausgeglichenes Marktsaldo bei Kupfer vorwegzunehmen, wäre dies klar negativ für die Preisentwicklung.

Autor: Jochen Stanzl, Chefredakteur Rohstoff-Report.de

Der Rohstoff-Report ist eine Publikation der BörseGo AG

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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