Analyse
10:07 Uhr, 17.09.2015

Rohstoffe sinken, Aktien steigen, Wirtschaft schwach, Speku-Blase voraus?

Moment mal: Die Zinserhöhung in den USA wird noch dieses Jahr kommen, Begründung: Ausreichend starke Wirtschaft. Aber signalisieren die sinkenden Rohstoffpreise nicht exakt das Gegenteil, also sehr schwache Weltwirtschaft?

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  • Kupfer
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  • Kupfer - WKN: 720321 - ISIN: XC0007203216 - Kurs: 5.385,50 $/Tonne (Deutsche Bank Indikation)

Ein Leser auf meinem Stream auf Guidants hat diese Frage gestellt:

"Wir haben seit Monaten und Jahren sinkende Rohstoffpreise und einen tendenziell steigenden Aktienmarkt in den Industrieländern. Für mich ist das ein Widerspruch, da die sinkenden Rohstoffpreise ja auf eine nachlassende Wirtschaft hindeuten sollten."

Ich finde diese Beobachtung absolut zutreffend. Ein großer Teil der Kursanstiege am Aktienmarkt seit dem Jahr 2009 ist eine Funktion des hohen Maßes an Liquidität an den Weltmärkten. Hätten die Zentralbanken den Zusammenbruch des Finanzsystems nach der Pleite von Lehman Brothers nicht gestoppt, wären wir heute wo ganz anders. Auch was die Realwirtschaft angeht. Diese hat sich zumindest in den USA wieder gefangen und befindet sich auf einem Wachstumspfad, das Potenzial des Wachstums heute ist aber geringer als vor der Finanzkrise.

Also langsameres Wachstum. Aber es ist Wachstum. Das gibt der US-Notenbank die Möglichkeit, die Leitzinsen zu erhöhen, nachdem sie Winter 2014 ihr QE-Programm bereits beendete. Man kann also sagen: Die Maßnahmen der US-Notenbank sind erfolgreich. Das wiederum löste schon 2011 einen Bullenmarkt beim US-Dollar aus. Der starke USD wiederum lastet auf dem Wachstum der Schwellenländer, die laut BIS auf USD lautende Fremdwährungskredite in Höhe von 3 Billionen USD seit der Finanzkrise aufgenommen haben.

Diesen Fremdwährungskrediten liegt die Erwartungshaltung zugrunde, dass der USD weiter sinkt und die Zinsen auf absehbare Zeit tief bleiben werden. Beides hat sich geändert: der USD steigt, das gleiche tun die Zinsen am US-Rentenmarkt am kurzen Ende. Eine Einheit inländischer Währung, die ein Unternehmen in den Schwellenländern mit den Projekten erwirtschaftet, die mit den Fremdwährungskrediten umgesetzt wurden, zahlt also einen immer geringeren Teil der auf USD lautenden Fremdwährungskredite ab. Das führt dazu, dass diese Kredite geradezu panisch aufgelöst werden, was in den vergangenen Wochen zu teilweise unkontrollierten Abwertungen der Schwellenländer-Währungen geführt hat, man betrachte sich den Ringgit in Malaysia zum Beispiel.

Das BIS schätzt, dass sich diese USD-Short-Positionen, also die USD-Fremdwährungskredite, auf 9 Billionen USD belaufen. Das ist ein Faktor, der einen dazu bewegen könnte, einen weiter steigenden USD zu erwarten. Das wiederum wäre bärisch für Rohstoffe. Ein Faktor für tiefe Rohstoffpreise ist auch China. Wahrscheinlich liegt das BIP-Wachstum aktuell nur noch unter 7 %. China machte vor 15 Jahren noch unter 10 % der weltweiten Nachfrage nach Rohstoffen aus. 2014 waren es 47 %. Diese schnelle Abschwächung des Wachstums auf Jahresfrist lässt viele Rohstoffe unverkauft in den Lagerhallen der Produzenten zurück, ein Überangebot ist entstanden, das immer größer wird, weil die Rohstoffe produzierenden Unternehmen nicht aufgehört haben, große Mengen nachzuproduzieren.

Das liegt auch daran, dass sie Angst haben Marktanteile zu verlieren, die Entscheidung von Ivan Glasenberg, dem CEO von Glencore, dem größten Rohstoffhändler der Welt, ist vor diesem Hintergrund betrachtet sehr mutig. Er gab vergangene Woche bekannt in Eigenregie, also ohne Absprache mit anderen Produzenten, seine Kupferproduktion drastisch herabzusetzen.

Bislang gibt es niemanden, der es Glencore gleichtut. Also man kann den Punkt machen dass die Preise vieler Rohstoffe noch viel tiefer sinken müssen, um Angebotsreaktionen der Unternehmen zu erzwingen. Erst wenn sich das Angebot an die Realitäten an der Nachfrageseite angepasst haben wird ist ein Boden bei den Rohstoffen gefunden, nicht schon bei der bloßen Erreichung der Produktionskosten - den Auswirkungen billigen Geldes der Zentralbanken sei Dank..

GodmodeTrader ist im Oktober in sieben Städten vor Ort - seien Sie mit dabei!

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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