Kommentar
19:00 Uhr, 18.08.2014

Kann Europa einem neuen Abschwung noch entgehen?

Es geht ein ziemlich ernstzunehmendes Schreckgespenst umher: Rezession. Die Alarmsignale sind inzwischen alle da.

In Deutschland zeigten sich zuletzt die Auftragseingänge sehr schwach. Über das Märchen von der starken, deutschen Wirtschaft hatte ich hier schon berichtet. In vielen anderen Ländern sieht es nicht besser aus. In Osteuropa lässt das Wachstumstempo deutlich nach. Italien steckt bereits wieder in der Rezession. Frankreich schrumpft zwar nicht, kann aber auch nicht wachsen.

Ermunternde Signale kamen zuletzt aus Spanien, Portugal, Griechenland und Irland. Spanien wächst seit einem Jahr wieder. Das Wachstum hat sich von Quartal zu Quartal beschleunigt. Angefangen hat es vor einem Jahr mit einem Plus von 0,1% und steht aktuell bei 0,6%. Portugal hat in den letzen 5 Quartalen in 4 davon Wachstum ausweisen können. Griechenland kam ebenfalls wieder in die Pluszone (+0,2%). Dynamisch ist das allerdings noch nicht... Einzig Irland legt wieder richtig los. Hier betrug das Quartalswachstum zuletzt 2,7%.

All das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Industrieproduktion in allen Ländern seit 3 bis 5 Monaten drastisch zurückgeht. Seit Anfang des Jahres hat sich das Wachstum der Industrieproduktion tendenziell verlangsamt. In den meisten Ländern ist es nun zum Erliegen gekommen oder sogar wieder rückläufig. Ganz vorne mit dabei ist Frankreich. Hier schrumpfte die Produktion zuletzt um 2%.

Schwächephasen sind grundsätzlich ganz normal. Auch im Aufschwung gibt es nicht nur eine Richtung. Es gibt aber auch mittelfristige Warnsignale. Besonders gut eignet sich das Wachstum der Geldmenge M1 (Bargeld und Sichteinlagen). In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Geldmengenwachstum hervorragend als Vorlaufindikator geeignet. Die Grafik zeigt das BIP Wachstum im Euro Währungsraum und das Wachstum von M1, allerdings zwei Quartale nach vorne verschoben. Ganz exakt ist das nicht. Man könnte die M1 Zeitreihe auch drei Quartale nach vorne schieben. In beiden Fällen ändert das aber nichts am Vorlaufcharakter. Die Frage ist lediglich wie schnell der Abschwung in der Wirtschaft nach dem Rückgang des M1 Wachstums kommt.

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Das M1 Wachstum hat ungefähr zu Jahreswechsel eine Trendumkehr eingeleitet. Jetzt, 2 Quartale später, zeigt auch das Wirtschaftswachstum einen Knick nach unten. Das deutet zumindest darauf hin, dass es auch im dritten Quartal kaum besser wird. Das wäre sehr ungewöhnlich. Ob dann aus zwei schwachen Quartalen ein neuer, waschechter Abschwung wird - darüber kann man nur spekulieren. Es könnte grundsätzlich wie 2004/05 kommen. Hier kam es lediglich zu einer temporären Schwächephase.

Das ist natürlich das favorisierte Szenario. Eine neue, flächendeckende Rezession dürfte der Eurokrise ein fulminantes Comeback ermöglichen. Inzwischen wissen wir, dass die EZB zu allem bereit ist. Muss die EZB allerdings ihr Maßnahmenpaket noch einmal deutlich ausweiten, dann lässt das tiefgreifende Zweifel an den bisherigen Maßnahmen und deren Wirkung zu. Wenn die EZB es in den vergangenen Jahren nicht richten konnte, wieso sollte sie es dann jetzt tun können?

Persönlich gehe ich nicht von einem langanhaltenden Abschwung aus. Es kommt aber auch nicht zum großen Befreiungsschlag für die europäische Wirtschaft, den sie so dringend gebraucht hätte. Es sieht derzeit eher danach aus, als müssten wir uns bis nächstes Jahr mit einem weiter so (sprich Stagnation) anfreunden.

Die europäischen Aktienmärkte sind im Griff der Ukrainekrise. Die heute gestartete Erleichterungsrallye kann noch andauern. Ist die Erleichterung aber erst einmal eingepreist, dann dürften sich Anleger wieder auf andere Themen konzentrieren. Und da sind die fundamentalen Daten momentan einfach schlecht. Bis Ende September/Anfang Oktober sehe ich in Europa noch Luft nach unten, vor allem beim Dax.

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3 Kommentare

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  • dandy
    dandy

    wirtschaftskrise...........................??

    eurokrise....................................nein

    schuldenkrise.............................ja

    zinsen..EZB-------------------------nein

    politische krisen.........................ja

    Sanktionen................................ja

    psychologische Auswirkungen..ja

    börsenentwicklung....................??.

    ..

    sehr geehrter herr schmale

    ..

    eine umfangreiche Analyse, in der viele Fakten zusammengestellt wurden.

    ..

    ich habe mir erlaubt, ebenfalls einige punkte aufzuführen, die ihre Analyse

    beeinflussen werden.

    ..

    EURO - SCHULDENKRISE - ZINSEN

    ..

    es gab und gibt keine eurkrise, lediglich wegen schulden bzw. überschul-

    dung ausgelöste Vertrauenskrisen zb. Griechenland.!

    die Zinspolitik ermöglicht Rückführung..

    ..

    ein niedriger Eurokurs verbessert sogar die exportchancen,

    insbesondere die Deutschlands.

    ..

    POLITISCHE KRISEN - SANKTIONEN - PSYCHOLOGISCHE AUSWIRKUNG

    ..

    politische krisen beeinflussen die wirtschaftsentwicklung wegen der der

    Verunsicherung bzw. negativer Wahrnehmung und Zukunftsängsten..

    Sanktionen zerstören vertrauen der Bevölkerung und beeinflussen das

    konsumverhalten sowie die Vertragstreue zwischen Staaten und unternehmen.

    ..

    BÖRSENENTWICKLUNGEN

    ..

    fundamentaldaten

    chartdaten

    Psychologie...........zzt. überwiegen psychologische Erwägungen

    mutige anleger nutzen die Unsicherheit

    für gezielte käufe - zb. gazprom -

    ..

    mfg

    oldendorp

    09:56 Uhr, 24.08.2014
  • dandy
    dandy

    08:39 Uhr, 24.08.2014
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    ​Hallo Herr Schmale,

    es ist nicht von der Hand zu weisen, das in den EU-Problemstaaten Wachstum vorliegt. Wesentlich rsanter als das BIP wachsen jedoch die Schuldenberge. In Italien ist die Lage besonders desolat. Italien durchlebt aktuell die 3. Rezession seit der Finanzkrise. An jeder Ecke werden Immos zum Verkauf offeriert, oft zu Schnäppchenpreisen. Die jüngsten Daten aus den USA sind auch nicht berauschend, Japan röchelt, die Immo-Blase in China ist geplatzt. Ich schätze die Chance für einen neuerlichen Hardcoreeinsatz der Zentralbankster in den nächsten Monaten für relativ hoch ein. Monster QE forever.

    23:10 Uhr, 18.08.2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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