Kommentar
15:54 Uhr, 17.12.2014

Ist an den Anleihemärkten wirklich alles grau?

Viele Anleiheinvestoren schauen mit Sorge auf 2015 – doch wie bedrohlich sind die Aussicht auf Zinserhöhungen in den USA oder die Sorgen vor Deflation in den Industrieländern wirklich? In den USA hat das Ende des Quantitative-Easing-Programms weder der Wirtschaft noch der Währung geschadet. Im Gegenteil: Die US-Wirtschaft wächst und der Dollar setzt offenbar gerade zu einem Höhenflug an.

Doch während Jim Leaviss die amerikanische Währung weiterhin sehr schätzt, sieht er US-Staatsanleihen skeptisch: „Eine Möglichkeit, sich die Dollar-Stärke und mögliche Zinserhöhungen der Fed zunutze zu machen, bieten Floating Rate Notes, also Anleihen, deren Zinsniveau sich in regelmäßigen Abständen an die Entwicklung anpasst“, so der Fondsmanager. Ein weiteres, aktuell sehr beliebtes Instrument zur Diversifizierung seien hybride Papiere, die Merkmale von Eigen- und Fremdkapital vereinen, wie etwa CoCo-Bonds (Contingent Capital Notes) oder AT1s (Additional Tier 1 Notes). Dieses Segment sei 2014 in Europa am stärksten gewachsen: „Wenn der Kaufpreis stimmt und die Titel gewissenhaft ausgewählt werden, können sie in einem diversifizierten Anleihenportfolio für zusätzliches Risiko und damit Erträge sorgen“, sagt Leaviss.

Eine mögliche Deflation sorgt zurzeit wohl für die größten Ängste. Steuert der Westen auf japanische Verhältnisse zu? In allererster Linie beruht die schwache Preisentwicklung etwa in der EU oder in den USA auf dem Verfall des Ölpreises. Nach Leaviss‘ Einschätzung wirkt dieser Preisverfall jedoch gleichzeitig wie ein gigantisches Wirtschaftsförderungsprogramm für die Industrieländer. Die fallenden Preise bescherten der Weltwirtschaft einen Schub in der Größenordnung von 200 Milliarden US-Dollar. Außerdem habe insbesondere die EZB noch nicht alle ihre Pfeile verschossen. Sollte die Inflation nächstes Jahr nicht anziehen, so sei mit massiven QE-Maßnahmen zu rechnen, was die Spreads für spanische und italienische Anleihen noch einmal einengen dürfte.

Bei Unternehmens- und Hochzinsanleihen sei die Zeit des leicht verdienten Geldes jedenfalls vorbei, so Leaviss. Seit dem Höhepunkt der Kreditkrise seien die Spreads im Investment-Grade-Segment von ihrem Höchststand bei 511 Basispunkten im Jahr 2008 auf heute rund 123 Basispunkte gefallen. Im High-Yield-Segment fielen sie im gleichen Zeitraum von 2.193 auf 488 Basispunkte. Die gute Nachricht: „In jeder Kategorie außer mit CCC bewerteten Anleihen werden Anleger immer noch im Übermaß für das Ausfallrisiko entschädigt“, sagt Leaviss. Allerdings dürfte dabei insbesondere eine Illiquiditätsprämie ins Gewicht fallen. Das ist für langfristige Anleger nicht unbedingt ein Problem, könnte aber auf kürzere Sicht zu erhöhter Volatilität führen.

Autor: Jim Leaviss, Head of Retail Fixed Interest bei M&G Investments

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen