Kommentar
00:00 Uhr, 24.10.2007

Interview mit Rogalski - Trendfolge, Volatility Breakout, Contrarian

André Rogalski ist selbständiger Börsenhändler. Er studierte bis 1990 an der TU Berlin. Nach dem Studium begann er seine Karriere bei der Berliner Bank. Er spezialisierte sich gleich auf den technischen Futureshandel. Im Jahr 1995 entwickelte er ein Konzept, das auch Privatkunden Managed Futures Accounts anbieten konnte. Er war damals einer der ersten in Deutschland, der in seiner Abteilung als CTA (Commodity Trading Advisor) arbeitete. Mit diesem Knowhow ausgestattet, beschloss er 1998 sich selbstständig zu machen. Heute folgt der 40-jährige seinem eigenen Trading-Ansatz: Er hat ein technisches Trading-Konzept entwickelt, das anhand der tatsächlich erreichten Performance verschiedener Trading-Systemen die besten herausfiltert, die dann tatsächlich werden – ein klassisches Scoring-System. Was es damit auf sich hat und wie er auf dieses Konzept gekommen ist, hat er TRADERS Interview verraten.

Das folgende Interview wurde im TRADERS Magazin veröffentlicht, dem Printmagazin für Trader in Deutschland.

FRAGE: Wieso kamen Sie überhaupt zum Trading?
André Rogalski: Kurz vor dem Aktiencrash von 1987 investierte ich mit einem Studien-Kollegen zum ersten Mal in Aktien. Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Ich erinnere mich noch gut daran. Ich leitete zu diesem Zeitpunkt gerade das „Börsen-Informations-Team“ des Lehrstuhls Banken an der Technischen Universität Berlin (TU). Wir veröffentlichten wöchentlich einen Börsendienst, der chart- und markttechnische Analysen herausgab. Nachdem der Markt sich im Frühjahr 88 wieder fing, hielt ich einen Vortrag bei uns in der Universität vor über 900 Zuschauern. Thema: „Warum die Charttechnik den Ausverkauf am deutschen Aktienmarkt rechtzeitig anzeigte!“ Die Zuschauer waren fasziniert, denn 1988 war Charttechnik noch eine Randerscheinung – nur irgendwie hatte ich vergessen, meine Aktien rechtzeitig zu verkaufen…

FRAGE: Wie würden Sie heute Ihr Handelskonzept beschreiben?
Rogalski: Es ist rein technisch ausgelegt. Die Basis sind hierbei markttechnische Handelssysteme auf Tages- und auch Intradaybasis, die zu zirka 80 Prozent vollautomatisch umgesetzt werden. Wichtig hierbei ist natürlich zu erwähnen, dass das Handelskonzept dynamisch ausgelegt ist, das heißt ich unterziehe die einzelnen Handelssysteme jeweils zu Beginn des Geschäftsjahres einem so genannten Stresstest. Hierbei gehen – wie in einem Marathonlauf – 30 Systeme an den Start, von denen dann 15 ausselektiert werden. Sie kommen auf die „Watchlist“. Die anderen 15 Systeme werden dann real gehandelt. Die Bewertung ist hierbei eine Kennzahlenanalyse (Tabelle1). Es ist ein klassisches Scoring Modell. Kriterien wie „Wie lange wird das Modell schon real gehandelt?“ werden dann umso höher bewertet, wenn Modelle bereits lange ihren Deckungsbetrag zum Portfolio beisteuern.

FRAGE: Was passiert mit den anderen 20 Prozent, die diskretionär gehandelt werden?
Rogalski: Es kommt zur Abweichung bei dem Vergleich reiner Systemhandel und der Realität durch die aktuelle Performance. Haben wir eine gute Phase, investieren wir aggressiver und umgekehrt. Wenn wir gerade eine Drawdown-Phase „durchleiden“, sind wir zurückgezogen und warten defensiv ausgerichtet „in unserem Schneckenhaus“ auf bessere Zeiten. Wir lassen einige Signale aus und versuchen durch zusätzliche Analysen eine höhere Trefferquote bei der Tradeselektion zu erzielen.

FRAGE: Welche Ansätze zur Signalgenerierung liegen Ihren Handelssystemen zugrunde? Können Sie uns vielleicht einfach die Signallogik eines der Systeme darstellen?
Rogalski: Ich achte darauf, dass wir einen hohen Diversifikationseffekt durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Modellen bekommen. Das heißt es sind viele trendfolgende Modelle am Start sowie die klassischen Volatility Breakout oder Contrarian Systeme im Portfolio. Meine statistischen Auswertungen haben im Laufe der Jahre gezeigt, dass der Diversifikationseffekt (auch auf der Zeitebene durch tägliche und stündliche) viel wichtiger ist, als zum Beispiel ein Stopp für das Modell „xy“. Ein Beispiel für ein System habe ich bereits im damaligen Eberts Terminmarkt Magazin aus dem Jahre 2001 dargestellt. Es handelt sich um einen „Slow Stochastic“ Ansatz, der beim Crossover Signale erzeugt

FRAGE: Welche weiteren Methoden benutzen Sie?
Rogalski: Neben den oben erwähnten Handelssystemen auf Indikatorenbasis benutzen wir Filterkomponenten, die das gesamte Spektrum der Technischen Analyse abdecken (siehe Bild 1). Zu erwähnen sind hierbei neben der Chart- und Markttechnik, Sentimentindikatoren wie zum Beispiel der Bullish%, Elliott Wellen oder auch das Konzept der Relativen Stärke. Märkte verändern sich und reine Handelssysteme haben es heutzutage nicht mehr so leicht wie in den Jahren 1997 bis 2004. Es hat einen Strukturbruch gegeben. Darauf müssen wir als Trader reagieren. So sorgt der Filter konkret dafür, dass Signale an einem Tag nur in Trendrichtung (bullisch oder bärisch) gehandelt werden. Dies hat den großen Vorteil, dass weniger Trades genommen werden und dadurch die Trefferquote erhöht wird. Die heutigen Märkte zeichnen sich besonders dadurch aus, dass sie oftmals eine Eröffnungslücke vorliegen haben, danach aber wenig passiert. Der Tod eines jeden Daytraders…

FRAGE: Wie genau muss man sich das vorstellen mit Ihren Filtern? Sie erhalten ein Signal und führen es nur dann aus, wenn x andere Kriterien die Richtung des Signals bestätigen?
Rogalski: Wie in Bild 1 ersichtlich wird (siehe rechts „Summe“ für den DAX-Index) wurde die Trendrichtung von dem Filter seit dem 03.05. als bärisch (negativer Wert als Zeichen eines Bärenmarktes) eingestuft. Diese Analyse wird täglich um 10:00 Uhr durchgeführt und sorgt dafür, dass – in diesem Fall - nur Shortsignale für den DAX-Future umgesetzt werden.

FRAGE: Dann ist die Generierung der Signale automatisch und die Umsetzung aufgrund der Filter Restriktionen unterworfen?
Rogalski: Bezüglich der Umsetzung der Signale kann ich nur mit einem klaren „Ja“ antworten. Mein Konzept beinhaltet praktisch einen „Top-Down-Ansatz“, das heißt ich bekomme durch meine Analyse („Filter“) die Marktrichtung des Tages „vorgeschrieben“ und setze sie dann durch die Systeme um. All dies ist programmtechnisch zu 100% erfasst. Nur wenn der Trader ein klares Konzept (Systemansatz) vorliegen hat (das möglichst jede Eventualität berücksichtigen kann), hat er Chancen im Markt seine Position zu finden und zu behalten.

FRAGE: Wo liegen die Vorteile systematischer Ansätze?
Rogalski: Oft wird gesagt, dass systematischer Handel emotionslos ist. Unsinn. Die so genannte „Freischaltung“ für die Umsetzung der Signale zu geben, ist genauso emotionsgeladen wie reines diskretionäres Trading. Dennoch kann es manchmal – gegenüber dem diskretionären Handel – ein Vorteil sein, innerhalb einer klaren Handelssystematik zu verlieren! Menschen neigen dazu, sich verstecken zu wollen, wenn es schlecht läuft. In diesem Fall kann dem System „die Schuld gegeben werden“. Das ist ein nicht zu unterschätzender psychologischer Vorteil für das entsprechende Individuum! Obwohl man das System wahrscheinlich selber programmiert hat…Erwähnen muss man aber zweifellos den großen Vorteil des so genannten Backtestings von Handelssystemen. Geht man behutsam damit um, gewinnt man große Sicherheit im Alltag der Märkte. Und dies ist entscheidend, denn wenn die nächste Verluststrecke kommt, zweifelt man nicht so schnell an seinem System. Die Folge: Der Anfänger kann selbst mit einem guten Handelssystem nicht umgehen und suspendiert es am Tiefpunkt der Equity-Kurve, der erfahrene Trader hingegen kann mit diesem Umstand umgehen und überlebt!

FRAGE: Wo liegen die Grenzen?
Rogalski: Wie ich schon sagte, ist es immer der Mensch, der hinter allem steckt. Dies ist offensichtlich, aber längst nicht jedem Trader/Investor klar! Insofern sind die Grenzen die menschlichen Verhaltensschwächen. Übrigens bei jedem Investmentstil!

FRAGE: An welcher Stelle kommt Subjektivität ins Spiel?
Rogalski: Davon muss man sich distanzieren. Eine gute technische Strategie beinhaltet keine Subjektivität, sondern nur eine klare Handelsmatrix. Jeder nur erdenkliche Fall sollte bereits im Voraus durchdacht sein. Klar ist hierbei natürlich, dass man seine „Hausaufgaben“ machen sollte.
Wenn ich als Administrator ein Handelssystem an den Start schicke, welches hochoptimiert ist, kann ich nicht viel – hinsichtlich Performance – erwarten. Es ist wichtig, neben einer Systemsimulation auch eine Datensimulation vorzunehmen: das heißt ich teste Systeme auch mit künstlich erzeugten Daten, um Stabilität und Vertrauen in ein System zu gewinnen.

FRAGE: Nun, diese Aussage zeugt natürlich von großer Erfahrung im Umgang mit den Märkten und mit Systemen. Die meisten aber befinden sich lange nicht in einer solchen Situation. Wie lässt sich dieser Erfahrungs- oder nennen wir ihn Reifeprozess abkürzen?
Rogalski: Das Besuchen von Seminaren und Lesen von allen nur erdenklichen Büchern zum Thema Trading (besonders die englischsprachigen Bücher) kürzt diesen Prozess natürlich ab.

FRAGE: Was macht ein gutes Handelssystem aus?
Rogalski: Robustheit, Robustheit und nochmals Robustheit. Ich suche als Systemtrader keine „Übermodelle“, sondern solide, einfache Systeme. Auch hier ist dem KISS-Ansatz („keep it simple stupid“) zu folgen. Betrachten Sie die Bilder 2 und 3. Im Bild 2 sehen Sie eine Equity-Entwicklung, die längst nicht genial ist, sich aber in jeder Marktphase seit über sieben Jahren (Beispiel auf Stundenbasis) bewährt hat. Demgegenüber könnte Bild 3 als ein hochoptimiertes System durchgehen, welches zwar oftmals so beworben wird (Werbeprospekte von Systemverkäufern) doch die harte Tradingpraxis sieht dann plötzlich (ex ante) ganz anders aus…

Code 1: Easy Language Stochastiksystem
Inputs: HighValue(High), LowValue(Low), CloseValue(Close), Length(14);

Vars: stofast(0), stomove(0);

stofast = SlowKCustom(HighValue, LowValue, CloseValue, Length);
stomove = SlowDCustom(HighValue, LowValue, CloseValue, Length);

if stofast>stomove and stofast[1]<stomove[1] and stofast<70 and stofast>10 then buy this bar on close;
if stofast<stomove then exitlong;
if stofast<stomove and stofast[1]>stomove[1] and stofast>20 and stofast<80 then sell this bar on close;
if stofast>stomove then exitshort;

FRAGE: Auf welche Faktoren sollte man dann besonders achten?
Rogalski: Es gibt sehr, sehr viele. Besonders zu erwähnen ist natürlich dennoch eine einigermaßen gleichmäßige Equity-Entwicklung vorliegen zu haben (ex post und auch out of sample). Und dies sowohl auf der Long- als auch Shortseite. Ich habe beispielsweise ein System im Portfolio, welches den DAX-Future um 18:00 Uhr kauft und am nächsten Tag zum Eröffnungskurs wieder glattstellt. Selbst in den großen Baissejahren 2000 bis 2003 hat es nachhaltig verdient. Das nenne ich Robustheit, denn der Markt hat über 5000 Indexpunkte in diesem Zeitraum verloren! Offensichtlich aber intraday…
Auch sehr wichtig ist es, dass das gleiche System auf mehreren Märkten (zum Beispiel Bund/DAX/MiniS&P/EUR) und Zeitfenstern (daily/hourly) funktioniert. Eines meiner favorisierten Systeme handelt so beispielsweise – wie weiter oben bereits dargelegt – den DAX/ESTX50 Spread und dann auch wieder den 60-Minuten-Chart des DAX-Futures…
Die Inputs der Systeme werden in Form der „sekundären Optimierung“ überprüft. Das heißt es wird unter anderem nach Hochplateaus gesucht, die aber nicht angepasst (optimiert) werden. Dies sollte elementarer Bestandteil jedes Systementwicklers sein. Doch hier hapert es oft…

FRAGE: Jetzt wollen wir aber schon wissen, nach welchen Kriterien Sie den Dax-Future über Nacht halten.
Rogalski: Bei den beiden bei mir im Portfolio handelnden 18:00 – 08:00 Uhr-Systemen wird das Gap-Risiko bewusst in Kauf genommen. In den heutigen Märkten – wie ich weiter oben bereits ausführte – sind dies derzeit mit die höchsten Ertragsquellen für den Trader (auch wenn es in den letzten Wochen besser wurde). Natürlich geht das nicht immer gut – aber der Trend stimmt.

FRAGE: Und können sie uns nun daraus eine Handelslogik verraten?
Rogalski: Ein System basiert auf der Analyse, dass Aktienmärkte besonders dann positiv (höher) eröffnen, wenn der Markt mehr als ein Prozent verliert und gleichzeitig das Volumen stark über- oder unterdurchschnittlich ist. Es widerlegt die alte These, dass ein Markt beispielsweise bärisch zu bewerten ist, wenn der Markt mit fallendem Volumen steigt. Genau das Gegenteil ist – zumindest für die kommende Eröffnung – der Fall. Da dieses Modell nur long geht, muss es besonders den Stresstest in der Phase 2000 bis 2003 (Baisse) überstehen. Und es gelingt!

FRAGE: Was verstehen Sie unter sekundärer Optimierung?
Rogalski: Welles Wilder schrieb bereits 1978 das Standardwerk „New Concepts in Technical Trading Systems“. Damals ließ er den Input für den zum Beispiel ADX oder Stochastik Indikator bei 14 stehen. Daher habe auch ich diesen Wert übernommen und in den letzten 17 Jahren niemals bei einem meiner Systeme verändert. Als „sekundäre Optimierung“ bezeichne ich jetzt erstens das Überprüfen dieser Inputwerte von zum Beispiel 8 bis 20. Im Idealfall sollten sie alle positiv sein und es von den Kennzahlen nebensächlich sein, ob der Input bei 8 oder eben 20 liegt. Das gibt dann das Vertrauen in das jeweilige System.
Zweitens wird überprüft, wie der Trade im Zeitverlauf (in kurzfristigen Systemen in Stunden) abschneidet. Hier ist eine überraschend große Kontinuität/Stabilität vorhanden. Im oben angesprochenen Stochastik-System sollte der Trader in diesem Kontext bei einem Crossover (Kaufsignal) im Intervall 20/30 nicht sofort investieren. Der Einstiegszeitpunkt sollte ein bis zwei Stunden später gesucht werden. Dieses Wissen kann für die Performance zuträglich sein.

FRAGE: Was genau meinen Sie mit Hochplateaus?
Rogalski: Ein Hochplateau würde bezogen auf das eben erwähnte Beipiel bedeuten, dass zum Bespiel bei Inputs zwischen zehn bis 15 konstante Gewinne erwirtschaftet werden (Netprofit und Risikokennzahlen in ähnlicher Größe). Unter zehn und über 15 geht das System in die Verlustzone. Der Bereich zehn bis 15 wäre dann ein Hochplateau. Als Folge – wenn man sich zur Aufnahme des Systems in die Watchlist oder in den realen Handel entschließen würde – würde man eine Einstellung von 12 oder 13 wählen. Doch bedenken sie: Das ist bereits eine Optimierung und damit Curve fitting! Meine Hochplateaus müssen weitestgehend um 14 liegen. Ansonsten kommt es bei mir nicht zum Einsatz.

FRAGE: Suchen Sie immer noch nach neuen Setups?
Rogalski: Selbstverständlich. Ich studiere alle möglichen Magazine, Bücher etc. Und manchmal hat man auch nach 17 Jahren Day- und Swingtrading noch eine neue Idee. Gerade im Trading gilt das Motto „Wer rastet – der rostet!“ mehr als anderswo. Märkte verändern sich – wir müssen uns anpassen. Nur die Optimierung ist dabei der falsche Weg. So billig kriegt man die Märkte nicht in den Griff!

FRAGE: Dann optimieren Sie Ihre Systeme überhaupt nicht?
Rogalski: Nein. Wie ich eben schon kurz ausführte, ist dies der Tod jedes Traders. Ich habe viele Leute getroffen (auch namhafte Buchautoren), die sagten: „Optimierung ist eine mächtige Waffe – man muss nur damit umgehen können!“ Alles Unsinn. Sie sind alle gescheitert und fahren jetzt Taxi oder leben vom Geld Ihrer Frau…

FRAGE: Welche Märkte handeln Sie und warum?
Rogalski: Bund-, Dax-, E-Mini S&P, Eurostoxx- und Währungsfutures (zum Beispiel EUR/USD) an der EUREX (bzw. Globex für den E-Mini S&P und die Währungen). Sie sind hochliquide und bieten damit beste Vorraussetzungen, um besonders den Slippage- und auch den Provisionseffekt so gering wie möglich zu halten. Diese Effekte kann man nicht genug betonen. Viele Systementwickler zeigten mir in den letzten Jahren Systeme, die eine faszinierende Performance hatten. Und sie waren nicht optimiert!
Des Rätsels Lösung war ein Handel in sehr illiquiden Märkten oder es wurde keine Slippage/Provision mit berechnet. Bei diesen Systemen war dann der durchschnittliche Gewinntrade im zum Beispiel DAX-Future mit 15 Euro angegeben. Doch ein Punkt Slippage macht bereits 25 Euro aus (bei der kleinsten Größe von einem Kontrakt). Die entsprechenden Systementwickler entgegneten mir dann oft, dass sie immer nur Limit Orders geben würden. So würden sie die ein oder zwei Punkte sparen. Doch daran erkennt man wieder den Theoretiker: Viele Trader schaffen es tatsächlich in neun von zehn Fällen, diese ein oder zwei Punkte zu sparen. Doch das nützt ihnen nichts. Im zehnten Fall greift ihr „Limit-Stopp“ nicht und sie verlieren alles und noch viel mehr als sie in den ersten neun Trades einsparten. Eine Provision muss letztlich jeder Trader zahlen. Ist sie gering, habe ich bessere Chancen im Markt zu bleiben. Da der so genannte Transaktionskostenindex immer weiter sinkt, steigen logischerweise auch die Chancen, erfolgreich handeln zu können. Gerade die oben genannten Märkte bieten diese Vorteile.

FRAGE: Welche Instrumente benutzen Sie und warum?
Rogalski: Neben dem reinen Futures Trading verfolge ich auch Optionsstrategien. Ich entwickelte die „SysCoCall“- Strategie (Systematisches Covern von Calls). Beim Schreiben von Optionen hat man den großen Vorteil des Zeitwertverfalls. Ein mächtiges Schwert, das aber nicht einfach zu kontrollieren ist! Bei der SysCoCall-Strategie werden nur At-the-money-Call-Optionen verkauft, solange die Summe der Handelssysteme (gewichtet mit der Kontraktanzahl) auf den DAX-Future (aktuell drei Systeme auf Stunden- und vier auf Tagesbasis) short gestimmt sind. Ich erwarte dann natürlich einen Abschwung des Marktes, der die Optionsprämie entsprechend sinken lässt. Im umgekehrten Fall von – per Saldo – einem oder mehreren Kaufsignal(en) im Markt werden die Optionen gedeckt, das heißt es werden DAX-Futures gekauft und somit gegen die „naked options“ gestellt. At-the-money-Optionen besitzen ein Delta von 0,5, so dass man etwa für zehn DAX-Optionen einen Future zur Absicherung kaufen muss. Sobald Verkaufsignale der Systeme wieder die Oberhand gewinnen, werden die Futures-Bestände aufgelöst. Interessant und kritisch wird es natürlich bei einer starken Aufwärtsbewegung, weil dann das Delta der Optionen gegen eins geht und der Hedge nicht mehr perfekt gegeben ist. In diesem Fall werden die alten Optionen geschlossen und in einen höheren Strikepreis gerollt. Somit wird das Delta von 0.5 wieder erreicht und die Konzentration liegt erneut auf der Einnahme der Optionsprämie.

FRAGE: Welchen Anteil hat dieses Zusatzeinkommen bezogen auf die Gesamtperformance?
Rogalski: Die SysCoCall-Strategie wurde von mir in den letzten zwei Jahren kontinuierlich ausgebaut und hat somit einen steigenden Einfluss auf die Performance. Aktuell liegt er um die 15 Prozent auf die Gesamtperformance.

FRAGE: Wie wichtig ist Moneymanagement?
Rogalski: Auch ich sage natürlich nichts anderes als alle aktiven, erfolgreichen Trader: Sehr wichtig! Es gilt der alte Spruch: „Solange Sie in den Märkten nichts verlieren, ist alles gut. Gewinne kommen dann von alleine!“ Ähnlich ist es auch beim Money-Management: Lange geht es seitwärts, bis es sich dann einmal richtig auszahlt, eine große Position (Pyramide) aufgenommen zu haben. Die Positiongrößenproblematik ist hierbei das alles entscheidende Element: Es wurde inzwischen sogar in wissenschaftlichen Tests nachgewiesen, dass die Frage nach dem „Wie viel soll ich investieren?“ fast wichtiger ist, als ob ich long oder short gehe. Natürlich brauchen sie einen positiven Erwartungswert für ihr System, doch gerade in den Büchern über Money-Management (besonders die Bücher von Van K. Tharp: Trade your way to financial freedom) wird sehr schön beschrieben, was es heißt, ein erfolgreicher Money-Manager zu sein. Er zeigte so zum Beispiel in einem Test, dass die Mehrzahl der Investoren verlieren, und das, obwohl das Modell einen klar positiven Erwartungswert hatte. Die Lösung: Die angehenden Trader investierten zu Beginn einfach zuviel ihrer Equity und wurden durch eine Verluststrecke – die nun einmal bei jedem Modell vorkommt – aus dem Markt geschleudert. Ich verfolge daher auch den klassischen Anti-Martingale-Ansatz: Läuft es gut (das heißt: steigende Equity Kurve), wird auch mehr riskiert/investiert als in einer Verluststrecke. Man muss Geduld haben und handlungsfähig bleiben!


FRAGE: Haben Sie ein bestimmtes Regelwerk für Ihr Money-Management?
Rogalski: Mein Money-Management ist einfach gestrickt und folgt der gerade erwähnten klassischen Lehre des „Pyramidisierens in Stärke“. Ich versuche – bei langfristigen Positionen – oft meine Position zu erhöhen, wenn ich vorne liege (Ansatz der Modelle). Steigt mein Konto an, investiere ich entsprechend mehr in den Märkten. Orientierung findet das Ganze an der Additional Margin der Eurex. Die Margin für den DAX-Future liegt aktuell bei 13 760 Euro. Ich rechne mit der zweifachen Margin also 27 520 Euro. Besitzen sie nun ein 100 000 Euro Portfolio können sie 3,63 DAX-Futures handeln (immer abrunden: in diesem Fall dann auf drei Kontrakte). Über 110 080 Euro (27 520 * 4) Equity können Sie einen vierten Kontrakt dazu handeln.
Da der DAX-Future der schwerste Kontrakt ist, werden die anderen Futures Märkte zum DAX-Future ins Verhältnis gebracht. Dies geschieht über die Average True Range (30 Tage geglättet; ATR). Wenn ich ein DAX-System und ein Eurostoxx-System habe, muss ich wissen, wie viel Eurostoxx-Futures einem DAX-Future entsprechen. Ich folge der Formel ATR*Multiplikator (DAX 25 und ESTX 10). Anschließend werden die Werte dividiert. Aktuell (21.05.) entsprechen so – abgerundet – vier Eurostoxx-Futures einem DAX-Future.

FRAGE: Wie lange halten Sie Ihre Positionen im Schnitt?
Rogalski: Da ich vornehmlich auf Stunden- und Tagescharts handle, beginnt es bei einer Stunde bis zu mehreren Tagen. Während meine Systeme versuchen, in Stärke meine Positionen auszubauen, liegt hier auch einer der größten Fehler von vielen Tradern. Sie bauen Pyramiden in der Schwäche auf. Beispiel: Ein Trader entschließt sich den DAX-Future zu 7600 zu kaufen. Weshalb auch immer. Die Range ist eng und – überraschenderweise – bricht der Markt nach unten aus. Der Trader stellt nicht glatt, sondern entschließt sich mit 7584 nachzukaufen. Sein Durchschnittskurs liegt jetzt bei 7592. Sofort stellt er jetzt einen Briefkurs von 7593 in den Markt, denn er möchte „ja nur noch eine Kleinigkeit“ gewinnen. Daran er kennt man schon das Problem: Jeder weiß, dass man eine Position immer wieder hinterfragen sollte. Wenn man eine bestehende Position im Depot hat, die man aktuell eigentlich nicht mehr neu kaufen würde, muss sie umgehend verkauft werden! Unser Trader denkt zwar auch so, will aber eben keinen Verlust realisieren. Sie kennen den Ausgang: Der Markt fällt weiter, der Trader kauft weiter nach und wird letztlich von seinem Broker „zwangsliquidiert“. Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Fehler schon gesehen habe….

FRAGE: Wie viel Prozent Ihres Kapitals riskieren Sie pro Trade?
Rogalski: Ich bin ein sehr aggressiver Trader und investiere daher über meine Modelle zwischen zwei und acht Prozent meiner Equity pro Trade, aber in Abhängigkeit vom aktuellen Verlauf der Equity. Hier sehen sie auch wieder die 20 Prozent Abweichung, da ich eben nicht 100 Prozent systematisch anlege.

FRAGE: In welchem Verhältnis stehen Gewinn- und Verlust-Trades?
Rogalski: Ich bin – vornehmlich – ein Trendfolger. Bei den meisten trendfolgenden Ansätzen liegt die Trefferquote nur bei rund 40 bis 45 Prozent. Dies ist auch mein Ergebnis. Auch hier ist es wieder faszinierend und erschreckend zugleich, dass auch heute noch Kommentare zu hören sind wie: „… was, Du hast weniger als 50 Prozent Recht - dann verlierst Du ja!“ Diese Kommentare kommen sogar von leitenden Bankangestellten, die immer noch nicht verstanden haben, dass die so genannte „Trefferquote“ nicht viel mit dem eigentlichen Ergebnis zu tun hat. Viel wichtiger ist halt die Frage danch, wie viel mit den Gewinntrades gewonnen und den Verlusttrades verloren wird...

FRAGE: Arbeiten Sie mit Trailing-Stopps und Kurszielen?
Rogalski: Mit Kurszielen sehr selten. In den heutigen Märkten geht alles schneller als früher. Ein Kursziel macht da wenig Sinn. Bewegungen werden immer erratischer. Sowohl nach oben (treppenförmig) als auch crashmäßig nach unten. Schauen Sie nur auf Ende Februar, als der DAX-Future panikartig in fünf Tagen über 600 Punkte verlor. Wie hätte man hier sagen können, wo der Markt seinen Boden findet? Es ist doch wie bei der Wetterprognose. Sehr kurzfristig werden gute Prognosen abgegeben, doch kann mir jemand sagen, ob wir einen heißen Sommer bekommen werden? Als Trader müssen wir mit dem Markt schwimmen. Er gibt alles vor. Bei der Verwendung von Kurszielen ist es so, als wenn ich heute behaupte, dass am 25.07. die Sonne scheinen wird! Das sollte ich aber erst ein paar Tage vorher analysieren. Das Rauschen der Märkte wird immer größer, je weiter ich in die Zukunft blicke.Trailing-Stops machen mehr Sinn. Denn sie werden nachgezogen und passen sich somit dem letzten Geschehen des Marktes an.

FRAGE: Sind Foren bzw. der Austausch mit anderen Tradern
wichtig für Sie?
Rogalski: Ich ziehe mich grundsätzlich vollkommen zurück, da ich – genauso wie alle anderen Menschen – von der Natur her schwach bin. Umso weniger ich von anderen Tradern mit bekomme, desto konsequenter kann ich meinen Handelsstil umsetzen.
Ich erinnere mich an den letzten Herbst, als mich jemand anrief und mir einen „heißen Tipp“ gab. Meine Reaktion war natürlich, dass ich nicht darauf reagierte, doch es ergab sich, dass der Tipp goldrichtig war. Einen ganzen Tag lang hatte ich schlechte Laune! Besser ich kriege nur die Preise der Märkte mit – sonst nichts.
Auch bei den News (zum Beispiel Arbeitsmarktzahlen aus den USA) reagiere ich nicht. Hier folge ich dem Gesetz der großen Zahlen aus der Statistik: „Ist man immer im Markt, gleicht sich das Glück und Pech aus!“ Wer weiß schon, wie die Zahlen heute wieder interpretiert werden? In den Nachrichtensendungen wird dann vermeldet: „Es war ja nur logisch, dass der Markt heute in die Konsolidierung überging!“ Doch das ist klassisches ex-post-Wissen!

FRAGE: Welchen Einfluss hatte die Marktentwicklung der letzten Jahre auf Ihr Konzept?
Rogalski: Es hat sich deutlich verändert. In den Jahren 2004/05 hatte auch ich eine schwierigere Phase in der Equity (Bild 4). Ich musste meine Konzepte anpassen (wohl gemerkt: nicht optimieren!). Ich entwickelte die SysCoCall-Strategie bei den DAX-Optionen, fügte Filterkomponenten bei den Handelssystemen ein und ging neue Wege beim Spreadtrading. Das Spreadtrading ist inzwischen ja auch als Alpha-Komponente bei den Zertifikaten ganz oben auf der Emittentenliste.

FRAGE: An welcher Stelle kommen Emotionen ins Spiel? Wie gehen Sie mit ihnen um?
Rogalski: Ich versuche sie auszugliedern, doch auch ich bin nur ein Mensch und daher gelingt es mir nicht immer. Trading ist Psychologie und daher sollte z.um Beispiel der Artikel „Sportpsychologie gleich Trading-Psychologie“ (TRADERS’ Mai 2007) durchaus noch einmal nachgelesen werden. Hier ist noch viel Verbesserungspotenzial bei Tradern zu suchen.

FRAGE: Was unterscheidet Sie von so vielen weniger erfolgreichen Händlern?
Rogalski: Vermutlich bin ich wesentlich konsequenter beim Akzeptieren von Schieflagen als bei der Umsetzung einer Strategie. Die meisten Trader besitzen eigentlich gar keinen Handelsansatz. Sie springen ins kalte Wasser und wundern sich, wenn sie verlieren. Auch hier wurde ja schon längst bewiesen, dass gute Trader nicht hochintelligent sein müssen. Ich nehme mich da nicht aus (lacht). Richard Dennis zeigte schon vor 30 Jahren mit seiner Wette gegen seinen Partner, dass Trading teilweise erlernbar ist. Doch an der Börse muss man völlig anders denken, als wir es von unseren Müttern gelernt haben…

FRAGE: Welche Ratschläge würden Sie Anfängern geben?
Rogalski: Weiterbildung durch Seminare und mithilfe von guten Büchern. Anschließend „Learning by doing“ mit kleinem Geldbeutel. Nichts hinterlässt deutlichere Spuren im Entwicklungsprozess eines Traders als Verluste mit eigenem Geld. Führt man ein Trading-Tagebuch, kann man die Fehler perfekt analysieren….

FRAGE: Wie planen Sie Ihre weitere Zukunft?
Rogalski: Ich bin gerade dabei, mit meinem Partner ein Managed Account für vermögende Privatanleger und Institutionelle aufzulegen. Unter www.wallst.de/institutionelle.html kann man sich einmal unser Konzept anschauen. Ich möchte hier nachdrücklich betonen, dass die abgebildete Performance real (seit Mitte 1999; notariell beglaubigt) und kein backtesting ist. Sie geht auch nicht kontinuierlich nach oben. Es ist wie im wirklichen Leben: Es gibt sehr gute und auch einmal schwierigere Zeiten.

Quelle: Traders-MagazinEin Archiv bisheriger TRADERS Interviews finden Sie hier : Bitte hier klicken

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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