Interview mit Jochen Stanzl, Rohstoffexperte
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Herr Stanzl, Sie beschäftigen sich mit der Analyse der Rohstoffmärkte. War das der erste Markt, in dem Sie anlegten?
Ich kam zur Börse wie die Jungfrau zum Kind: Mein Vater meldete mich gegen meinen Willen beim Börsenspiel bei einer Bank bei uns im Ort an. Ich fand aber schnell Gefallen daran, mit dem gesamten verfügbaren Kapital Aktien des Neuen Marktes zu kaufen, die am Vortag schon im 20-30% gestiegen waren. Die stiegen am nächsten Tag immer nochmal um 20-30%. Mit dieser Harakiri-Strategie machte ich in drei Monaten aus 50.000 D-Mark mehr als 100.000 D-Mark. Das hat Spaß gemacht und so landete ich an der Börse. Das war im Jahr 1998. Die Rohstoffe wurden ja erst später interessant, das war so 2002-2003, als Öl plötzlich von 20 auf 40 USD stieg. Ich beschäftige mich mit diesem Markt seit dem Jahr 2005.
Warum sind für Sie die Rohstoffe so interessant?
Sehen wir uns einfach einmal Gold an: Gold wurde in den vergangenen zehn Jahren um 402% teurer, Goldaktien im NYSE Arca Gold Bugs Index verteuerten sich in der gleichen Zeit um 350%. Der DAX kommt da nur auf mickrige 18% Zuwachs. Sie werden eine schwere Zeit haben, sich mit etwas anderes als Gold gegen eine Abwertung der Währungen abzusichern, und Sie werden Probleme haben, sich mit etwas anderes als Öl gegen geopolitische Spannungen zu hedgen. Außerdem sind Rohstoffe ein relativ ineffizienter Markt. Es gibt wissenschaftliche Studien, die Rohstoffe in der Kategorie Markteffizienz sehr weit unten ansiedeln. Ganz oben sind Märkte wie Währungen oder der FDAX: Wenn Sie da versuchen, mit Kursmustern aus einem Charttechnik-Buch Geld zu verdienen, das vor zehn Jahren geschrieben wurde, haben Sie keine Chance mehr. Der Wettbewerb der Trader an diesen hochliquiden Märkten ist einfach zu heftig und Sie müssen schon ein ausgefuchster Hund sein, um in diesen Märkten Geld zu verdienen. Wir haben Trader bei Godmode-Trader.de, die das können. Aber bei den Rohstoffen ist es einfach leichter, an Rendite zu kommen, denn wer handelt schon Nickel oder Kakao genauso gern, wie Hebelzertifikate auf den DAX?
Die Märkte korrigieren wegen der Euroschulden-Angst seit einigen Monaten. Wie ist Ihr Ausblick für das zweite Halbjahr?
Der DAX hat zu Jahresbeginn die stärkste Aufwärtsbewegung seit 30 Jahren absolviert. Dieser Impuls dürfte sich nach oben fortsetzen. Zuvor war es aber logisch, dass es zu einer zeitlich wie preislich ausgedehnten Korrektur kommen wwürde. Wir notieren jetzt 20% unter dem Hoch bei rund 7200 Punkten. Aus Sicht der Intermarket-Analyse, wo man die Beziehungen verschiedener großer Märkte zueinander untersucht, kann ich sagen, dass rohstoffintensive Währungen wie der australische Dollar, konjunktursensible Rohstoffe wie Kupfer und Risikoaktiven wie der DAX gleichzeitig auf wichtigen Unterstützungen angelangt sind. Ich gehe davon aus, dass wir die Korrekturtiefs am DAX, bei Kupfer und Gold gesehen haben.
Was macht Sie so zuversichtlich?
Wir wurden zu Wochenbeginn Zeuge, wie eine heftige Aufwärtslücke nach dem 100-Milliarden-Euro-Paket für Spanien wieder komplett abverkauft wurde. Man könnte ironischerweise sagen: Die Halbwertszeit der Bailouts wird auch immer kürzer. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit: Am Sonntag wird in Griechenland gewählt. Erst danach wissen wir, was los ist und wie viel uns das kosten wird. Davor will sich keiner aus dem Fenster lehnen. Ich glaube aber, dass wir nach den Wahlen in Athen eine Erleichterungsrally an den Märkten sehen werden. Außerdem muss man China auf dem Plan haben. Der chinesische Premier Wen Jiabao stellte schon im Mai klar, dass er zwar die Balance zwischen Wirtschaftsreformen, Kontrolle der Inflation und Wachstum wahren möchte. Er sagte aber das erste Mal seit zwei Jahren, dass er einen stärkeren Schwerpunkt auf eine wachstumsfreundlichere Wirtschaftspolitik legen werde. China regelte das Wachstum zwei Jahre lang nach unten, um die Inflation zu senken. Das Tempo der Steigerungen der Verbraucherpreise sank auf Jahressicht von 6,5% auf 3% im Mai. Jetzt sehen wir erste Lockerungsmaßnahmen der chinesischen Geldpolitik, während es Gerüchte über ein großes Konjunkturpaket gibt. China könnte eine V-förmige Konjunkturerholung im zweiten Halbjahr erzeugen. An Europas Börse werden diese Entwicklungen einfach ignoriert, aber nicht deshalb, weil sie irrelevant sind, sondern nur wegen Griechenland. Der Markt braucht das Wahlergebnis aus Athen. Danach wird die Rally losgehen.
Sie sind sich ziemlich sicher…oft sind solche Prognosen genau dann falsch, wenn man sich selbst zu sicher ist…
Da stimme ich Ihnen zu! Was wäre das andere Szenario? Griechenland schafft es wieder nicht, eine Regierung zu stellen – dann ist Griechenland verloren. Es wird vermutlich die Eurozone verlassen. Das wird zu Verwerfungen an den Märkten führen und ich glaube nicht, dass die EZB und die europäische Politik für ein solches Szenario nicht Bazooka und andere geldpolitische und wirtschaftspolitische Notfallszenarien entworfen haben. Ich rechne im Fall, dass Griechenland austritt, mit einer konzertierten weltweiten Intervention der Zentralbanken, und dies wahrscheinlich in einem Umfang, wie wir es bislang noch nicht gesehen haben. Also Griechenland wird der alles entscheidende Termin für die Märkte.
Herr Stanzl, vielen Dank für das Gespräch!
Jochen Stanzl ist Chefredakteur des Gold- & Rohstoff-Report, der auflagenstärksten Publikation zum Thema Rohstoff-Investments im deutschsprachigen Internet. Der Mitbegründer des Münchner Finanzinformationsdienstleisters BörseGo AG (zu dem auch Godmode-Trader.de gehört) und Co-Autor des Sachbuchs "Der große Rohstoff-Guide" beschäftigt sich seit dem Jahr 2005 intensiv mit dem Rohstoffmarkt und versorgt einen wachsenden Zustrom an Lesern auf mehreren Kanälen mit den neuesten Informationen und Anlagetipps. Dazu zählt das Fundamental-Research im Gold- & Rohstoff-Report-PDF, das im Blog unter www.limitup.deüber den Menüpunkt „PDF abonnieren“ kostenfrei bestellt werden kann und alle zwei Wochen an 40.000 interessierte Leser versendet wird, sowie der Rohstoff-Blog (www.limitup.de), der marktnah verfasst täglich von mehreren Tausend Anlegern angesteuert wird. Jochen Stanzl ist seit dem Jahr 1998 an der Börse aktiv und als Referent auf Fachmessen, B2B-Fachveranstaltungen sowie Börsentagen sowie als Interviewpartner in Wirtschaftsmedien geschätzt.
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