Kommentar
14:33 Uhr, 10.02.2017

„Ihr könnt mich alle mal“

Ob die Menschen irgendwann auf die Barrikaden gehen werden, weil sie sich den ganzen Konsumterror nicht mehr länger bieten lassen wollen?

Ein Kollege forderte in dieser Woche, Amazon müsse verboten werden. Wegen seiner überragenden Effizienz und seiner krakenartigen Ausbreitung bringe der Konzern den traditionellen Handel mittlerweile in jeder erdenklichen Hinsicht unter Druck. Vor allem spare der Amazon-Käufer viel Zeit, weil er die Ware direkt nach Hause geliefert bekomme. Katastrophal sei dies jedoch für den Arbeitsmarkt: Für jeden Job, der im Online-Handel geschaffen werde, gingen zwei Jobs im traditionellen Bereich verloren.

Der Konsument, der berühmte „Homo Öconomicus“, dem der Sinn angeblich ausschließlich nach wirtschaftlichen Vorteilen steht, spart also an allem Möglichen, während gleichzeitig (!) immer mehr Menschen arbeitslos werden? Die sparen dann wohl besonders viel Zeit - kein Arbeitsweg mehr, zum Beispiel - haben aber leider kein Geld?!

Sieht so aus, als hätte da irgendjemand etwas nicht ganz zu Ende gedacht. Oder sind wir womöglich alle mitschuld an dieser Entwicklung?

Wie man hört, soll Zeit ja angeblich Geld sein, irgendwie. Warum das so sein soll, konnte mir zwar noch nie jemand schlüssig erklären, doch dieser seltsame und oft zitierte „Zusammenhang“ könnte ein triftiger Grund sein, warum heutzutage angeblich alle und immerzu bei Amazon einkaufen „müssen“...

Alle? Nicht ganz: Meinetwegen können sie den Laden schon morgen dichtmachen. Ich habe dort noch nie irgendetwas gekauft und werde das mit größter Wahrscheinlichkeit auch künftig nicht tun.

Wenn ich etwa ein Buch brauche, das war ja mal das Kerngeschäft von Amazon, dann gehe ich in meine Lieblings-Buchhandlung. Die nette Verkäuferin dort kennt mich seit Jahren und wenn ich den Laden betrete, dann weiß sie meist sofort, was ich suche. Fast immer landet sie einen Volltreffer. Zeit sparen wir also beide. Mit anderen "Bedarfsgütern" mache ich es genauso.

Und wo wir schon beim Thema sind: Von mir aus können sie Smartphones, WLAN, Tablet-Computer, IPads, Facebook, Twitter und den ganzen anderen Krempel gleich noch mit verbieten. Wenn ich mir nämlich überlege, wieviel Zeit (und Geld!) ich spare, weil ich diesen ganzen Plunder nicht brauche, dann geht es mir bei dem Gedanken ziemlich gut.

Ob die Menschen irgendwann auf die Barrikaden gehen werden, weil sie sich diesen ganzen Konsumterror nicht mehr länger bieten lassen wollen, so wie die Leute im folgenden Video?

„Ihr könnt mich alle am Arsch lecken. Ich lass mir das nicht mehr länger gefallen!“

Immerhin scheint ein relativ konsumbefreites Leben nach meiner ganz persönlichen Erfahrung einige kreative Kräfte freizusetzen. Plaudern wir doch ein wenig aus dem Nähkästchen: Wenn wir zum Beispiel aus dem Fenster blicken, dann ist dort gerade Winter. Und da ja ein Wochenende vor der Tür steht, ein sonniges obendrein, wird man im oberbayerischen Voralpenland wieder vor einem Problem stehen, das weder mit Zeit noch mit Geld zu lösen ist:

Wie eine wildgewordene Meute werden am Samstag und Sonntag Tausende (Millionen?) Münchner Lifte, Skipisten und alle Parkplätze Oberbayerns in einen Massenauftrieb verwandeln, der dem Oktoberfest in nichts nachsteht.

Weil die erholungswütigen Großstädter mittlerweile selbst viele einstmals beschauliche Skitouren in wahre Trampelpfade verwandelt haben, und weil auch immer mehr Langlaufloipen aus allen Nähten platzen, muss man sich schon etwas überlegen, wenn man da ungestört die Ruhe und Beschaulichkeit der verschneiten Winterlandschaft erleben möchte.

Mir ist da vor einiger Zeit folgende Idee gekommen: Wenn die Staumeldungen lang und länger werden und der Ansturm der „Stoderer“ kein Ende zu nehmen scheint, dann schnalle ich mir ein Paar ältere Tourenski unter die Füße, montiere die Steigfelle und wandere mit Rucksack, Trinkflasche und einer deftigen Brotzeit ausgestattet abseits aller Straßen und Wege über tief verschneite Wiesen und Felder stundenlang durch das winterliche Voralpenland.

Es ist wirklich erstaunlich, was sich dort alles entdecken lässt: Selbst in unmittelbarer Nähe der eigenen Scholle findet man überraschende Ecken und verträumte Winkel, die man im Sommer gar nicht erreicht. Ganz bei mir in der Nähe etwa gibt es einen kleinen Hügel, der im Sommer von Weidezäunen umstellt ist. Im Winter kann man mit Tourenski dorthin wandern und an dem winzigen Bergerl eine kleine Abfahrt riskieren.

Drei einsame Spuren habe ich kürzlich an einem Sonntagnachmittag bei bestem Pulverschnee in den Hang gezeichnet. Einmal runterfahren sind nur 35 Schwünge, ich habe mitgezählt, aber das Erlebnis ist einmalig: Weil außer ein paar Bauern niemand diesen Hügel kennt und das Gelände von keiner Straße eingesehen werden kann, findet man dort selbst an einem sonnigen Winterwochenende und einem Millionenheer auf den Skipisten absolute Ruhe.

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Wo der Hügel zu finden ist, wird natürlich nicht verraten. Aber das wäre ja auch langweilig. Viel spannender ist es doch, sie selbst zu suchen, die einsamen Pfade, die zwar kaum jemand kennt, die aber erahnen lassen, dass es in diesem Leben Dinge gibt, die sich auch mit viel Geld nicht kaufen lassen.

Noch nicht einmal bei Amazon...

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Weitere Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de

30 Kommentare

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  • Spielwiese
    Spielwiese

    @Hoose: So ist es - was Ihnen nicht passt gehört sofort verboten. Die überwältigende Mehrheit der Menschen, die dort kauft oder zumindest die Möglichkeit nicht missen möchte, wird dafür Verständnis zu zeigen haben. Ist das Ihr Verständnis von Marktwirtschaft und Demokratie, ja? Da haben sie die Geschichte hervorragend studiert, bisher haben Verbote schließlich immer funktioniert. Das ist sogar für Ihre Verhältnisse wirr.

    18:54 Uhr, 13.02.2017
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Ein Samstag im Februar. Du willst den Streß einer harten Arbeitswoche abschütteln. Die Einsamkeit der Berge, das wäre jetzt genau das Richtige. 5 Uhr früh, die Scheinwerfer des Wagens fressen Löcher in die Dunkelheit der zuende gehenden Nacht. Ambros dröhnt aus dem Autoradio, Schifoan....

    Um 8 Uhr bist du am Parkplatz des bekannten Alpendorfs, tausend weitere Einsamskeitssucher hatten dummerweise dieselbe Idee wie du. Erlebnis Berg, Zeit zum Atmen, titelte einst Reinhard Karl. In der Warteschlange vor der Kasse, wartest du jedoch atemlos, bis du endlich an der Reihe bist. Geschafft, du sitzt in der Gondel, die dich über glitzernde Schneefelder nach oben trägt. Auf 2200 Metern spuckt dich die moderne Technik aus und du denkst, yes auf den Bergen wohnt die Freiheit. Doch dann traust du deinen Augen kaum, denn statt der Freiheit wohnt hier oben der BMW x1. Die weissblauen Konsumterroristen haben doch tatsächlich wieder zugeschlagen und deinen Traum von Freiheit und Einsamkeit zerplatzen lassen, wie eine Seifenblase im Wind. :-))))))))

    13:44 Uhr, 12.02.2017
  • Sonnenschein
    Sonnenschein

    Für die (Kern-)Aussage des Artikels ist es völlig unerheblich, ob das Foto den zuletzt, also kürzlich vorgenommen oder aber einen früheren (möglicherweise fotographisch besser festgehaltenen) Ski-Ausflug zeigt.

    Dankesehr auch für diesen Gedanken zum Wochenende!

    Eine Absage an den Konsum von Zahnpasta oder ähnlich Wertvollem oder auch die Ansage eines minimalistischen Lebensstils kann ich übrigens nicht aus dem Artikel lesen.

    13:33 Uhr, 12.02.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Daniel Kühn
    Daniel Kühn Freier Finanzjournalist

    Grundsätzlich sollte man jeden Lebensentwurf respektieren, unter dem andere nicht zu leiden haben. Insofern ist auch ein minimalistischer Lebensstil nicht zu verurteilen. Ich habe davor sogar großen Respekt. Allerdings wird Konsumverzicht und insbesondere Technologiefeindlichkeit ganz sicher nicht dazu beitragen, die Probleme von bald 8 Mrd Menschen zu lösen. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir konsumieren dürfen. Niemand muss. Das nennt sich Freiheit. Ich will jetzt gar nicht darüber referieren was in Sachen Massenarbeitslosigkeit passieren würde, wenn Minimalismus ein Massenphänomen wäre. Das kann sich ja jeder denken. Wir sollten als Gesellschaft vielleicht nicht immer zu selbstkritisch und auch mal stolz auf den erreichten Wohlstand sein. Früher war das meiste eben nicht besser, sondern teils drastisch schlechter.

    08:34 Uhr, 12.02.2017
    2 Antworten anzeigen
  • Der Alex
    Der Alex

    >Drei einsame Spuren habe ich kürzlich an einem

    >Sonntagnachmittag bei bestem Pulverschnee in den Hang gezeichnet.

    Wenn man sich das Bild mal runterlädt - mit dem bezeichnenden Namen "Drei Spuren im Schnee-10.jpg" - findet man in den erweiterten Informationen das Aufnahmedatum. Es ist Mittwoch der 13.02.2008 um 16:32. Somit ist 'kürzlich' genauso falsch, wie der Sonntagnachmittag...

    Kritisch wird es dann, wenn man als Autor regelmäßig selbst den Wahrheitsapostel spielt...

    17:06 Uhr, 11.02.2017
    3 Antworten anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    Es wird doch niemand dazu gezwungen zu konsumieren. Sollte man sich nicht lieber darüber freuen, dass es vielen Leuten so gut geht, dass sie sich etwas leisten können, was sie sich wünschen?

    Terror, scheint mir, geht eher von den ewigen Weltverbesserern aus, die anderen ihre Vorstellungen oft genug aufzwingen wollten und damit anstelle dessen, was sie versprachen, nämlich den Himmel auf Erden zu schaffen, die Hölle auf Erden verwirklichten.

    Als es noch "Natur pur" gab, da stank es in den Städten, da jeder seinen Abfall einfach aus dem Haus warf und Pest und Cholera wüteten. Die Menschen wurden kaum älter als 35 Jahre. Oft mussten sie Hunger leiden. Die Hütten in denen sie ihr Leben - ganz ohne Konsumterror - fristeten, waren nachts kalt. Von Zentralheizung und fließend Kalt- und Warmwasser konnten die Leute nicht mal träumen. Selbst der Adel hatte verfaulte und schwarze Zähne, weswegen auf den Portraits des Adel in aller Regel nicht die Zähne gezeigt werden. Es gab nämlich keine Zahnbürsten, solchen Konsumterror sich die Zähen mehrmals am Tag mit Zahnpaste zu putzen, wie er uns in der Werbung nahegelegt... Verzeihung, wolle sagen aufgezwungen durch den Werbeterror aufgezwungen wird, gab es nämlich auch nicht. Ja das war eine richtig heile schöne Welt, ohne all den Konsumterror, nicht wahr?

    14:45 Uhr, 11.02.2017
    1 Antwort anzeigen
  • barkovsky
    barkovsky

    btw, Andreas, thanks for the Read,

    11:12 Uhr, 11.02.2017
  • barkovsky
    barkovsky

    The Mass buys bei Amazon, The Mass is generally Stupid, The Mass are the people who Choose Merkel or Le Pen or Trump, The Mass rule the world in an Unconciousness Way, Amazon is a Mass Lieferant, means Amazon rules the world partly, wether you like or not, The Mass dictates its Stupidity on The World, to change The Mass Psyche is like winning the Lotterie every day, means impossible in a short range, in a long range the Small other Group of semi concious People is growing very slow, and will get bigger in time, for now, The Mass Dictates the World and Amazon provides the Mass, as a business model one of the biggest stories in the last decades, when i first bought Amazon it was a few $, and i had a few 1000s of aktien, man o man, i suppose i was too concious of selling them, ! way too early, otherwise my Balcony view would be even better now, but that is just a hunch, the view from the snowy mountain, the Silence, the Tranquility, the GridOff feeling, yeah, I sign for that, have a nice weekend all, Cheers

    11:10 Uhr, 11.02.2017