Höhepunkt der US-Inflation steht noch bevor
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Gerade erst glaubte man, dass die US-Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat. Doch dann übertraf sie einmal mehr die Erwartungen und wahrscheinlich bleibt sie noch länger hoch. Die nächste Zeit könnte schwierig werden. Was können Investoren tun?
Die Inflation in den USA ist im Juni auf Jahresbasis stärker als erwartet auf 9,1 Prozent gestiegen nachdem sie bereits im Mai überraschend bei 8,6 Prozent lag und sich erst im April verlangsamt hatte. Im Juni war der Preisauftrieb in der größten Volkswirtschaft dann aber so hoch wie zuletzt 1981. Und mehr noch: Die Preise stiegen auf breiter Front. Mit dem Krieg in der Ukraine wurden Energie und Lebensmittel teurer. Nach den jüngsten Zahlen sind aber auch die Wohnkosten in den USA erheblich gestiegen. Gebrauchtwagen und Flugtickets kosteten ebenfalls mehr – und vieles andere auch.
Und das gilt nicht nur für die USA. Im Juni erreichte die Inflation im Euroraum ein neues Rekordhoch von 8,6 Prozent zum Vorjahr. In Großbritannien waren es im Mai sogar 9,1 Prozent, so viel wie zuletzt vor 40 Jahren. Der Personalmangel in vielen Branchen macht es nicht besser. In den USA steigen bereits die Arbeitskosten, weil viele Mitarbeiter wegen der Inflation Lohnerhöhungen fordern. Im Euroraum zeichnet sich Ähnliches ab. Selbst in Japan, wo die Inflation traditionell niedrig ist, lag die Kernrate zwei Monate in Folge über dem zwei Prozent-Ziel der Notenbank.
Noch ist der Gipfel nicht erreicht
Ich glaube, dass uns der Höhepunkt der US-Inflation erst noch bevorsteht. Die Teuerung dürfte in den nächsten 18 Monaten auch überdurchschnittlich hoch sein, selbst wenn sie gegen Jahresende allmählich nachlässt. Auch im Euroraum und Großbritannien haben wir das Inflationsmaximum meiner Ansicht nach noch nicht gesehen.
Für den Euroraum werden jetzt sowohl für September als auch für Oktober 9,5 Prozent zum Vorjahr erwartet. Danach könnte die Teuerung nachlassen, wenn auch nur leicht. Die Inflationserwartungen könnten steigen, und die Teuerung könnte sich deshalb verfestigen. Anders waren die Prognosen vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine: Damals erwartete man ein Inflationsmaximum von 4,5 Prozent im zweiten Quartal 2022. Jetzt ist eine überraschend hohe Inflation wahrscheinlicher als eine überraschend niedrige, weil Europa stark von russischem Gas abhängig ist – und ausgerechnet jetzt, wo die Rohstoffpreise steigen, macht der schwächere Euro die Importe noch teurer.
Die Inflationserwartungen am Markt steigen noch immer
Um den Preisauftrieb einzudämmen, haben die Notenbanken weltweit mit Zinserhöhungen begonnen. An der Spitze steht die Federal Reserve (Fed), die ihren Leitzins im Mai um 50 und im Juni sogar um 75 Basispunkte (BP) erhöht hat. Noch dieses Jahr könnte die Federal Funds Rate über drei Prozent steigen. Das zeigen die Median-Erwartungen der Fed, der sogenannte Dot Plot. Der Leitzins läge dann deutlich über den noch vor drei Monaten erwarteten 1,9. Prozent. Die nächsten Quartale könnten für die Notenbanken schwierig werden. Die richtige Zinspolitik wird zu einer Gratwanderung. Die Inflation muss eingedämmt werden und die Wirtschaft muss sich etwas abkühlen. Zugleich gilt es, eine Stagflation oder gar Rezession zu vermeiden.
Die langfristige Breakeven-Inflation und inflationsindexierte Anleihen
Vor allem in Regionen, in denen die Inflation weiter steigen könnte, rechnen wir mit einer höheren Breakeven-Inflation – also einem größeren Abstand zwischen der Nominalrendite einer klassischen Anleihe und der Realrendite einer inflationsindexierten Anleihe, einem sogenannten Linker. Wenn eine Stagflation wahrscheinlicher wird und die Inflation zwar hoch bleibt, aber nicht weiter zulegt, wird der Ertrag kurzlaufender Linker vermutlich über der langfristigen Breakeven-Inflation liegen. Maßgeblich für die Inflationsindexierung ist der voraussichtlich weiterhin hohe Preisindex einschließlich Lebensmittel und Energie.
Zugleich dürfte die kurze Duration einen starken Zinsanstieg abfedern. Während die Indexierung des Nennwerts vor Inflation schützt, schützt die kurze Duration vor steigenden Zinsen. Und damit ist zu rechnen, wenn die Notenbanken ihre Geldpolitik weiter straffen. Wie erwähnt, rechnen wir kurzfristig nur noch mit einem geringen Anstieg der Breakeven-Inflation, was kurzlaufende Linker interessanter machen kann. Langfristig wächst zwar das Risiko einer unerwartet hartnäckigen Inflation, doch hält man die Teuerung am Markt noch immer nur für vorübergehend.
Auf und Abs, aber ein positiver Ausblick
Wenn die Inflation sinkt, dann wohl vor allem wegen billigerer Rohstoffe. Da der Krieg in der Ukraine aber noch nicht vorbei ist und der Winter naht, rechnen wir weiter mit hohen Energiepreisen. Auch andere Rohstoffe könnten teuer bleiben, weil die Nachfrage nach den Lockdowns und den anhaltenden Lieferstörungen wieder steigt.
Länger laufende Linker könnten auch weiterhin außergewöhnlich hohe laufende Erträge in Aussicht stellen, denn die Realrenditen sind hoch und die Inflationsindexierung funktioniert. Allerdings rechnen wir nur mit einer geringen Zusatzrendite gegenüber kurzlaufenden Titeln, und das bei einer deutlich höheren Zinssensitivität und daher höheren Risiken. Langlaufende Linker könnten sich vor allem für langfristige Investoren eignen, da die Realrenditen seit Jahresbeginn stark zugelegt haben. Sie könnten auch von einer Stagflation profitieren.
Kurzfristig sollten sich Investoren wie schon seit Jahresbeginn auf eine gewisse Volatilität einstellen. Die Notenbanken befinden sich weiter zwischen Skylla und Charybdis. Einerseits bleibt die Inflation im Vergangenheitsvergleich wohl hoch, andererseits lässt das Wirtschaftswachstum schon nach. Das zeigen jedenfalls die Anfang Juli 2022 veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes (PMIs) für Europa und die USA. Außerdem wachsen die Rezessionssorgen. Wenn aber die Realrenditen ähnlich den Zinsen wieder positiv werden, halte ich den Ausblick für inflationsindexierte Anleihen weiterhin für durchaus interessant.
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