Hebel-ETFs: Taktisches Investment mit Haken und Ösen
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Das Nervenkostüm der Anleger ist angeknackst. Die gemütlichen Börsenzeiten, von Marktanalysten mit dem wohl klingenden Begriff „Goldilocks“ - also kräftiges Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig niedriger Inflation - scheinen fürs Erste vorbei zu sein. Die von einer langwährenden Hausse verwöhnten Aktienmarktteilnehmer wurden in den vergangenen Wochen und Monaten mit der Tatsache konfrontiert, dass die Stimmung von jetzt auf gleich kippen kann.
Die internationalen Börsen sind Anfang Februar in einem atemberaubenden Tempo in die Tiefe gefallen, selbst Bankvolkswirte, die zwar mehrheitlich eine Korrektur erwartet hatten, zeigten sich von der Geschwindigkeit überrascht. Seither schwanken die Kurse stark, zu einer umfassenden Erholung ist es bislang noch nicht gekommen. Zur Depotabsicherung greifen vor allem kurzfristig orientierte Investoren in solchen Marktlagen gerne auf Short-Strategien zurück, auch mittels börsennotierten Indexfonds, den Exchange Traded Funds (ETF).
Damit können Anleger auf fallende Kurse setzen. Die Short-ETFs gewinnen, sobald es mit den Kursen nach unten geht. Zu den hierzulande bekanntesten Basiswerten solcher Fonds zählen Short-ETFs auf den Leitindex DAX. Der ETF bildet auf täglicher Basis eins zu eins die inverse, sprich spiegelverkehrte Entwicklung des DAX ab. Der Grundsatz: Verliert der Leitindex ein Prozent, legt der Short-DAX um ein Prozent zu. Doch was zunächst einfach und transparent klingt, ist es nicht unbedingt, jedenfalls nicht über einen längeren Zeitraum.
Denn es treten Eigenheiten zutage, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Die Berechnung erfolgt auf täglicher Basis. Daher kommt es über einen längeren Zeitraum zu einer Verwässerung der inversen relativen Partizipation. Dabei kann vor allem die sog. Pfadabhängigkeit der Wertentwicklung bei Short-ETFs für den Anleger zu unvorteilhaften Situationen führen.
Ein einfaches Beispiel mit einem Short-ETF: Ein Index mit einem Stand von 100 Punkten fällt am kommenden Tag um 5 Prozent auf 95 Punkte. Ein Short-ETF auf diesen Index würde um diesen Prozentsatz auf 105 Punkte steigen. Am nächsten Tag legt der Index wieder um fünf auf 100 Punkte zu. Er verzeichnet damit einen Anstieg von 5,3 Prozent. Der Short-Index verliert dann, ausgehend von 105 Punkten, ebenfalls 5,3 Prozent und sinkt auf 99,43 Punkte. Unterm Strich hat sich der Index an den beiden Tagen nicht verändert, die Rendite liegt bei null Prozent. Die Short-Variante im Beispiel notiert aber 0,57 Punkte unter der Ausgangslage. Der Grund: Auf Basis der täglichen DAX-Schlusskurse wird die Hebelwirkung an jedem Handelstag wieder auf minus 1 zurückgesetzt. Der Hebel ist also nur auf Tagesbasis gültig.
Mit einem gehebelten ETF kann der Effekt noch anschaulicher dargestellt werden: Diese Produkte können die Rendite des zugrunde liegenden Index je nach Hebel vervielfachen. Doch dabei gilt die Regel: Je länger die Haltedauer eines solchen Produkts ist, desto höher wird das Risiko und auch die Wahrscheinlichkeit einer geringeren Rendite nimmt zu.
Ein gehebelter ETF ist üblicherweise mit einem „Lev“ gekennzeichnet (engl.: Leverage). Wir bleiben bei unserem Ausgangspunkt eines Index mit 100 Punkten. Legt dieser um 10 Prozent zu, steigt er auf 110 Punkte. Ein beispielsweise zweifacher Hebel würde jetzt um 20 Prozent auf 120 Punkte zulegen. Vice versa fällt der zweifach gehebelte ETF um 20 Prozent auf 80 Punkte, wenn der Index um 10 Prozent nachgibt. So weit, so gut.
Gehebelte ETFs bilden die Wertentwicklung eines Index wie oben beschrieben auf täglicher Basis ab. Die Auswirkungen der täglichen Glattstellung sind hier noch gravierender: Nach dem ersten Tag steht der zweifach gehebelte ETF in unserem Beispiel mit dem Ausgangswert von 100 einmal bei 120 Punkten (Variante A) und im zweiten Szenario notiert der Index bei 80 Punkten (Variante B). Am zweiten Tag fällt/steigt nun der Index zurück auf sein Ausgangsniveau von 100 Punkten. Das heißt in der Variante A kommt es zu einem Minus von 9,091 Prozent, in der Variante B zu einem Plus von 11,111 Prozent.
Noch mal: Der Index steigt/fällt am Tag eins jeweils um 10 Prozent und ist am Ende des Tages zwei wieder bei 100 Punkten. Der zweifach gehebelte ETF steht nach Tag zwei in der Variante A bei 98,18 (-18,182 Prozent) und in der Variante B bei 97,78 (22,222 Prozent). Damit erreicht der Lev-ETF in keinem Szenario wieder die 100 Punkte, es kommt zu einem sog. negativen Zinseszinseffekt.
Der große Vorteil von Hebel-ETFs kommt nur dann zum Vorschein, wenn der Index viele Male hintereinander steigt. In diesem Fall schneidet der gehebelte ETF besser ab, der negative Zinseszinseffekt wandelt sich dann in einen positiven um. Finanzmärkte sind aber volatil, fiebrig, und bewegen sich im Zick-zack mal in die eine und in die andere Richtung. Eine durchgängig positive Wertentwicklung kommt nur sehr selten vor. Steigen die Marktschwankungen an, lässt allerdings die Beziehung zum Index (Pfadabhängigkeit) tendenziell nach. Je höher letztlich die Volatilität, umso größer der negative Effekt auf die Performance.
Vor diesem Hintergrund sollten bei der Depot-Absicherung mit Short-ETFs die Entwicklung des zugrunde liegenden Referenzindex täglich kontrolliert werden. Das Produkt eignet sich somit in erster Linie für erfahrene und risikoaffine Investoren, die Trading-Strategien auf täglicher Basis implementieren wollen.
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