Fundamentale Nachricht
15:02 Uhr, 04.09.2020

Health Care Made in China: Wie innovativ sind chinesische Pharma -und Biotechunternehmen?

Michael Lai und Elizabeth Wu vom Emerging Markets Equity-Team bei Franklin Templeton Investments werfen einen Blick auf eine neue Art von innovativen Unternehmen in China, die die Ergebnisse der Gesundheitsversorgung in den kommenden Jahren verändern könnten.

COVID-19 hat ein Schlaglicht auf die weltweiten Gesundheitssysteme geworfen, vor allem auf China, das relativ erfolgreich bei der Virusbekämpfung war und einer der führenden Liefe-ranten von Medizinprodukten ist. In einigen Bereichen werden bestehende Trends weiter verstärkt. Strukturell beobachten wir eine stärkere Innovationstätigkeit im Gesundheitssektor, die der Dynamik zu Beginn des Technologiebooms in China gleicht. Wir sind überzeugt, dass hier verschiedene Kräfte im Spiel sind:

• Der richtige Ort: Die Gesundheitsnachfrage in China wächst rasant angesichts einer alternden Bevölkerung, der Zunahme von Wohlstandskrankheiten und steigender Einkommen. Gleichzeitig fließen über immer offenere Kapitalmärkte Mittel in Gesund-heitsunternehmen, deren Ausgaben für Forschung & Entwicklung steigen.

• Der richtige Zeitpunkt: Die Regierung fördert massiv Innovationen, Effizienz und Auto-nomie im Gesundheitssektor, um den steigenden medizinischen Bedarf zu decken. Mit Hilfe verschiedener Initiativen werden Kosten gesenkt und gleichzeitig Produktqualität und -sicherheit verbessert.

• Die richtigen Leute: China lockt chinesische Wissenschaftler und Unternehmer, die im Ausland studiert haben, zurück in die Heimat. Erstklassig ausgebildete Rückkehrer und ein immenser Talentpool im Inland treiben die Arzneimittel- und Medizinprodukteentwicklung voran.

Diese Trends sorgen nach unserer Einschätzung für ein langfristig attraktives Anlageklima im chinesischen Gesundheitssektor. Gleichzeitig schürt die Pandemie kurzfristig den Lokalisierungsprozess. Regierungen rund um den Globus sind bestrebt, die Abhängigkeit von komplexen ausländischen Lieferketten für wichtige Gesundheitsprodukte zu reduzieren, was für chinesische Unternehmen Chancen und Risiken birgt.

GOLDENE ZEITEN IN SICHT

Bis zum Ausbruch des Coronavirus wurde der chinesische Gesundheitssektor durch den rasanten Aufstieg von Internetriesen wie Tencent und Alibaba in den Schatten gestellt. Die Pandemie hat die Bedeutung des Gesundheitssektors unterstrichen und bestehende strukturelle Trends verstärkt, die eine neue Innovationswelle in China auslösen könnten.

Der richtige Ort

Die alternde chinesische Bevölkerung (1,4 Mrd. Menschen) schürt die Gesundheitsnachfrage. Eine ungesündere Lebensweise trägt ein Übriges dazu bei, dass die Zahl der Krebserkrankungen, Schlaganfälle und sonstiger Erkrankungen steigt. Diese Trends und das höhere verfügbare Einkommen lassen den Gesamtzielmarkt im Gesundheitssektor anschwellen.

Die Kapitalmärkte öffnen sich für Gesundheitsunternehmen, die Kapital für ihre F&E-Aktivi-täten benötigen. Die Börse in Hongkong änderte ihre Notierungsregeln und lässt nun auch Biotechnologiewerte ohne Umsatz zu. Das kürzlich ins Leben gerufene Science and Technology Innovation Board (Star Market) in Shanghai gibt grünes Licht für den Börsengang von Unternehmen, die noch keinen Gewinn erzielt haben.

Der richtige Zeitpunkt

Die Regierung stärkt das Gesundheitssystem angesichts des wachsenden medizinischen Bedarfs. Durch Steuervergünstigungen für Unternehmen, die kontinuierlich in F&E investieren, und den Schutz geistigen Eigentums fördert die Regierung die Innovationstätigkeit. Ferner gibt es Bemühungen zur Steigerung der Effizienz. Um den Einsatz von Generika zu beschleunigen und Mittel für innovative Behandlungen freizusetzen, hat China Bioäquiva-lenz-Tests eingeführt, mit denen nachgewiesen werden muss, dass Generika in puncto Qualität den Original-Präparaten entsprechen. Regulatorische Änderungen wie diese auf Ebene der Arzneimittelforschung, die für Qualität und Sicherheit garantieren, könnten als positiven Nebeneffekt zu einer Verringerung der Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken führen. Außerdem implementierten die chinesischen Behörden ein Masseneinkaufsprogramm, um die Generikapreise zu senken, und ermutigen Arzneimittelhersteller, sich auf neuartige Behandlungen zu konzentrieren.

Auffällig sind auch Chinas Initiativen im Streben nach einem autonomen Gesundheitswesen, insbesondere vor dem Hintergrund der Spannungen mit den USA. Die chinesischen Behörden haben ambitionierte Ziele für die nationale Entwicklung moderner Arzneimittel und Produkte gesteckt, durch die sich die Abhängigkeit des Landes vom Westen verringern und es zu einem wettbewerbsfähigen Global Player im Gesundheitssektor avancieren könnte.

Die richtigen Leute

Mit seinem riesigen Zielmarkt und der freundlichen Regierungspolitik lockt das Reich der Mitte chinesische Wissenschaftler und Unternehmer zurück, die im Ausland studiert und gearbeitet haben. Viele von ihnen kommen in die Führungsetagen chinesischer Unternehmen und bringen eine globale Vision und solide Kompetenzen mit. Chinas Universitäten nähren darüber hinaus einen Pool hochqualifizierter Talente. Zusammen mit hochkarätigen Rückkehrern bringen sie die Arzneimittel- und Medizinprodukteentwicklung in China in Fahrt. Das könnte chinesischen Unternehmen helfen, sich von schnellen Nachahmern zu Innovationsführern zu entwickeln.

CHANCEN IN GESUNDHEITSSEKTOREN

Die Arzneimittelentwicklung birgt einige Unsicherheiten. Das gilt vor allem für junge chinesische Biotechnologieunternehmen mit mehr oder weniger solidem Management. Die Beurteilung von Produktpipelines kann ebenfalls komplex sein, da sich Krankheits-Epidemiologien, ärztliche Methoden und die Wettbewerbslandschaft in China deutlich von Industrieländern unterscheiden. Im Übrigen geht der Trend zur Lokalisierung in beide Richtungen. So bemühen sich westliche Länder beispielsweise, die Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten für persönliche Schutzaus-rüstung zu verringern. Angesichts derartiger Herausforderungen sind eine umfassende Analyse der Fundamentaldaten und Bewertungen von Unternehmen sowie eine aufmerksame Beobachtung von Branchentrends erforderlich.

Innovative Arzneimittelhersteller mit soliden Portfolios oder Therapie-Pipelines bieten nach unserer Einschätzung größeres langfristiges Potenzial als Generika-Hersteller, die wahrscheinlich durch staatliche Reformen unter Druck geraten werden. Einige chinesische Biotechnologieunternehmen haben in rasantem Tempo neuartige Behandlungen auf den Markt gebracht. Ein Entwickler von Immunonkologie-Präparaten, die mit dem Immunsystem Krebs bekämpfen, erhielt letztes Jahr von der US-Arzneimittelaufsicht (FDA) die Zulassung für eine zielgerichtete Therapie gegen eine seltene und aggressive Form von Lymphomen. Dies war das erste in China entwickelte innovative Medikament, das den FDA-Status als bahnbrechende Therapie erhielt. Die FDA gab ihr grünes Licht noch vor der chinesischen Zulassungsbehörde.

Daneben gibt es vielversprechende Unternehmen in der Pharma-Outsourcing-Branche. Auftragsforschungsinstitute (CRO) unterstützen Arzneimittelhersteller mit Dienstleistungen wie präklinischen Studien, klinischen Prüfungen und Arzneimittelherstellung. Ähnlich wie die Anbieter von Goldgräberausrüstung vom Goldrausch profitierten, ganz gleich welcher Schürfer auf Gold stieß, könnten Auftragsforschungsinstitute vom Wachstum im Gesundheitssektor getragen werden und ihre unternehmensspezifischen Risiken sinken. Ein weltweit führendes Auftragsforschungsinstitut für Biologika mit einem globalen Kundenstamm hat ein „Follow-the-molecule“-Geschäftsmodell und bietet End-to-end-Lösungen von der Arzneimittel-entdeckung bis zur Kommerzialisierung. Dieses Modell beschert nachhaltige Gewinne: Wenn ein Projekt die einzelnen Phasen durchläuft, steigt sein Umsatzbeitrag.

Daneben gibt es Beispiele für Innovationen bei Herstellern von Medizingeräten. Dabei handelt es sich um führende inländische Anbieter mit großem Kostenvorteil gegenüber ausländischen Konkurrenten, deren Wachstum durch die staatlichen Initiativen zur Förderung der Lokalisierung angekurbelt werden könnte. Ein Hersteller minimal invasiver Chirurgie-Technik für die Orthopädie profitiert von der starken Nachfrage nach Wirbelsäulenoperationen, da die alternde Bevölkerung gegen Osteoporose kämpft. Das Unternehmen sucht nach neuen Wachstumstreibern, da es eine vielseitigere Nutzung seiner Chirurgie-Technik erforscht und gleichzeitig in die Entwicklung eines robotergestützten Navigationssystems investiert. Darüber tastet es sich in den Bereich Sportmedizin vor, der angesichts der steigenden Zahl von Sportverletzungen und einem wachsenden Bewusstsein dafür enormes Potenzial birgt.

ZEIT FÜR MEHR AUFMERKSAMKEIT

Wir finden, dass diese Unternehmen eine neue Generation innovativer Akteure sind, die in den kommenden Jahren für bahnbrechende medizinische Ergebnisse sorgen könnten. Im Zusammenspiel mit boomenden Kapitalmärkten, einer günstigen staatlichen Politik und motivierten Talenten entsteht vermutlich gerade ein dynamisches Ökosystem.

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