Analyse
12:00 Uhr, 25.06.2014

Googles Schwarze Schwäne

Google ist mächtig, das wissen alle. Wie mächtig Google jedoch wirklich ist, das weiß keiner so genau. Nur einige Aktionäre wissen: Google kann Aktien zum Absturz bringen.

Erwähnte Instrumente

  • Alphabet Inc. (Class A) - WKN: A14Y6F - ISIN: US02079K3059 - Kurs: 566,52 $ (NASDAQ)

Googles Macht

Google hat sich selbst auf die Fahnen geschrieben: „don’t be evil.“ Nicht böse sein – ob das reicht, um gut zu sein? Das ist natürlich schwer zu sagen. Es gibt Google Anhänger, die in dem Unternehmen eine Institution sehen, die die Welt besser machen will und wird. Immerhin hat Google Projekte laufen, die es irgendwann ermöglichen sollen, in alle Regionen der Welt das Internet zu verbreiten. Das klingt zumindest nicht böse bzw. ist eigentlich sogar lobenswert. Andere wiederum sehen in Google die mächtige Datenkrake mit Weltherrschaftsambitionen...

Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte. Das Gute, was Google tut, tut es sicherlich nicht aus reiner Selbstlosigkeit. Dazu gehören z.B. auch die Updates des Google Such-Algorithmus. Pro Jahr gibt es unzählige Updates, die kaum jemandem auffallen. Diese Updates betreffen für gewöhnlich relativ wenige Webseiten und Suchergebnisse (unter 1 %). Dann gibt es aber auch die großen Updates. Hier sind oft 8 bis 12 % der Webseiten betroffen (sie erscheinen also an anderer Stelle als vor dem Update). Zuletzt gab es ein solches Update mit dem Panda 4.0 Release am 19.5.2014. Dieses Update hatte wie viele zuvor ein Ziel: die Qualität der Suchergebnisse steigern. Google wird immer wieder vorgeworfen, dass zu viel "Schrott" weit oben in den Ergebnissen zu finden ist. Das kann man nicht ganz von der Hand weisen, aber jeder versteht unter Schrott wohl etwas anderes. Für Google ist es entsprechend schwer solchen Forderungen nachzukommen. Wie soll man auch Schrott identifizieren?

Google versucht hier das Unmögliche. Das Unternehmen kann nicht ignorieren, dass viele Resultate inhaltlich nicht das widerspiegeln, was sich Nutzer erhoffen. An der Kundenzufriedenheit hängt letztlich Googles Geschäftsmodell. Dazu kommt noch eine hohe Gefahr durch SEO (Search Engine Optimization). Viele Unternehmen versuchen sich an die Spitze der Suchergebnisse zu setzten, indem sie z.B. bestimmte Schlagworte verwenden. Ebenso zählt die Anzahl der Verlinkungen. Ist eine Website sehr häufig verlinkt, dann muss was dran sein, so die Logik. Ebenso zählt, wie präsent Vernetzungen durch Twitter, Facebook etc. sind. In letzter Zeit wird vor allem eines immer wichtiger: Inhalt.

Während die meisten Suchkriterien wie Verlinkungen manipuliert werden können (die Industrie, die für Unternehmen Suchergebnisoptimierung betreibt, ist inzwischen sehr groß) kann man Inhalt schwer vortäuschen. Jede Website hat letztlich Inhalt. Die Frage ist vor allem, wie viel Inhalt sie hat. Das wird bestimmt, indem man prüft, wie viel Inhalt wirklich eigener Inhalt ist und wie viel einfach nur verlinkt, kopiert, neu gepostet und plagiiert wurde. Damit gilt momentan vor allem für Webseiten, die eigene Inhalte produzieren, ein gewisses Gütesiegel. Webseiten, die lediglich Inhalte anderer Seiten wiederverwerten, werden es schwerer haben, ganz oben bei den Suchergebnissen zu landen.

Das Vorgehen macht grundsätzlich Sinn. Wieso sollte eine Website, die Inhalte kopiert, weiter oben stehen als Webseiten, die den Inhalt selbst produziert haben? Das klingt eigentlich nur fair. Google bevorzugt Seiten, die einen eigenen Beitrag leisten. Das geht schon fast in die Richtung Schutz des geistigen Eigentums und es „bestraft“ Seiten, die sogenanntes Farming betreiben (Webseiten, die Inhalte woanders „abgrasen“ und kopieren). Trotzdem gibt es bei diesen zweifellos guten Absichten ein großes Problem.

Google Updates als Schwarzer Schwan

Wird der Suchalgorithmus upgedated, dann gibt es immer Verlierer und Gewinner. Wie oben beschrieben sind die Verlierer der letzten Updates Seiten, die lediglich Inhalte kopieren. Was gut klingt, ist praktisch allerdings problematisch. Viele Webseiten sind darauf spezialisiert, ungeordnete Inhalte zusammenzutragen. Dazu gehören etwa Vergleichsportale. Wer eine Versicherung abschließen will, kann über Vergleichsportale auf einen Blick viele Anbieter, die Preise und Leistungen sehen. Obwohl hier Inhalte lediglich zusammengetragen werden, sind Vergleichsportale oft hilfreich und nicht pauschal als Schrott zu definieren. Bei der Unterscheidung zwischen gutem und schlechtem Farming hapert es noch. Das führt dazu, dass einige Unternehmen nach einem Update kaum mehr in den Suchergebnissen auftauchen. Die Konsequenz: die Sichtbarkeit im Internet geht zurück. Nach einem Update kann der Rückgang im Bereich von 80 oder sogar 90 % liegen. Die Folge davon sind weniger Klicks von Nutzern und damit weniger Besucher einer Webseite. Für Unternehmen, die ihre Produkte ausschließlich über das Internet verkaufen, kann das tödlich sein. Stellen Sie sich vor, sie suchen nach einem Produkt und Amazon würde einfach nicht mehr in den Ergebnissen auftauchen. Für Amazon wäre das eine Katastrophe. Der Umsatz dürfte langfristig deutlich sinken.

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Beim letzten Update im Mai hat es wieder viele Unternehmen erwischt. Amazon war übrigens nicht dabei. Dafür aber eBay. Die Aktie verlor „zufällig“ nach Bekanntwerden des Updates und dessen Effekte mehrere Tage hintereinander. Immerhin ist die Visibilität um 33 % gesunken. RetailMeNot wurde noch härter getroffen. Die Sichtbarkeit ging zwar ebenfalls nur um 33 % zurück, der Aktienkurs dafür umso deutlicher. Die Aktie verlor an einem Tag 23 %. So etwas geht schon als Schwarzer Schwan durch. Wer als Anleger in ein solches Unternehmen investiert hat, kann böse überrascht werden, obwohl das Unternehmen per se ein gutes Geschäftsmodell hat und auf dem Vormarsch ist. Fällt ein Unternehmen aber weit ab, dann können sich Wachstumsphantasien schnell in Luft auflösen. So etwas wird beinhart und schnell eingepreist.

Unternehmen, die mehr als 50 % Sichtbarkeit verlieren, können langfristig sogar sehr gravierende Probleme bekommen. Ein kleiner Rückgang der Sichtbarkeit kann oft kompensiert werden. Ebenso zählt die Bekanntheit eines Unternehmens. Ebay ist relativ bekannt. Hier sollte der Effekt eher gering sein. Neue Unternehmen, die allerdings noch keine starke Marke haben, sind darauf angewiesen, weit oben in den Suchergebnissen zu erscheinen. Passiert das nicht, dann kann das schlimmstenfalls zum Ende des Unternehmens führen.

Suite101 war eine Art Social Article Platform. Hier wurden Artikel von Usern online gestellt. Nach der Ersteinführung des aktuellen Algorithmus Panda sank die Sichtbarkeit um mehr als 82 %. Heute gibt es Suite101 nicht mehr. Das Unternehmen betreibt eine Nachfolgewebsite mit einem anderen Fokus. Der Fairness halber muss man sagen, dass Suite101 vor allem dazu diente, Werbeeinnahmen zu generieren. Nutzern wurde beigebracht wie sie ihre Texte schreiben sollten, um möglichst häufig gefunden zu werden und in der Konsequenz mehr Klicks auf Werbung zu haben. Ob es also wirklich schade ist, dass das Unternehmen sein Geschäftsmodell komplett verwerfen musste, sei dahingestellt.

Ein ähnliches Schicksal wiederfuhr Associated Content. Das Unternehmen hatte 380.000 Autoren, die 10.000 Artikel in der Woche posteten. Das Unternehmen wurde 2010 von Yahoo für 100 Mio. gekauft. 90 % der Nutzer der Website stoßen über Suchergebnisse darauf. Nach Panda ging der Traffic um ca. 75 % zurück. Yahoo entschloss sich letztlich das Portal in Yahoo Voices umzubenennen.

Viele Unternehmen haben sich nach einem großen Google Update umorientiert bzw. umorientieren müssen. Das sagt schon viel aus. Nicht um alle Unternehmen ist es schade. Wenn es dann aber unter anderem auch direkte Konkurrenten wie Yahoo hart trifft, dann gibt es wohl Grund zum Zweifel...

Bisher sind häufig nicht börsennotiert Unternehmen auf der Liste der Gewinner und Verlierer. Wenn es aber ein börsennotiertes Unternehmen trifft, dann kann der Kurs schon mal 23 % an einem Tag nachgeben. Bedenkt man, dass einige Unternehmen ihr Geschäftsmodell verändern mussten, nur weil sich der Algorithmus geändert hat, dann sind Panikverkäufe gar nicht so absurd, wie man vielleicht zunächst glaubt.

Wieso Google so wichtig ist

Google hat in vielen Märkten ein Quasi-Monopol. Taucht eine Webseite systematisch nicht weit oben in den Suchergebnissen auf, dann gibt es ein gravierendes Problem, welches nicht über bezahlte Werbung gelöst werden kann. Das ist ein ziemlich zentraler Punkt. Suchergebnisse sind viel wichtiger als Werbung im Internet. Werbung wird größtenteils ignoriert. Studien zufolge nehmen 80 % der User Werbung gar nicht wahr. Das wurde durch Eye-Tracking festgestellt. Dabei wird aufgezeichnet, wohin User schauen und wohin nicht. 80 % der Blicke landet direkt auf den Suchergebnissen und übergehen die ersten Google Ergebnisse, die bezahlte Anzeigen sind. Immerhin finden noch ein paar Prozent den Weg dorthin. Die rechte Werbeleiste wird so gut wie komplett ignoriert. Die Werbung mag zwar nicht vollkommen sinnlos sein, aber effektiv ist sie nicht. Sie reicht schon gar nicht, um für ein fehlendes Auftauchen bei den Suchergebnissen zu kompensieren.

Hinzu kommt, dass Nutzer den „natürlichen“ Suchergebnissen mehr trauen. Es wird sechs Mal so häufig auf einen Ergebnislink geklickt wie auf einen Werbelink. Als wäre das nicht schon deutlich genug, haben Ergebnislinks noch einen weiteren, bestechenden Anreiz für Unternehmen. Suchen User ein Produkt, dann kaufen nur 1,7 % der Personen, die auf eine Werbung geklickt haben, auch wirklich das Produkt. Bei Suchergebnissen liegt die Abschlussquote bei 14,7 %.

Die Wichtigkeit eines Suchergebnisses ist wirklich signifikant. Es reicht aber nicht, als Ergebnis auf der zweiten Seite angezeigt zu werden. Je nach Land schaffen es nur noch 6 bis 25 % der Nutzer auf die zweite Ergebnisseite. Das erste Ergebnis ist und bleibt das wichtigste. Je nach Land hat der erste Link zwischen 18 und 34 % der Klicks. Die Links am Ende der Seite erhalten nur noch 1 bis 3 %.

Die Suchfunktion ist ein absolut zentraler Bestandteil des Internets. Suchen und Email sind die zwei Funktionen, die am meisten genutzt werden (selbst in Zeiten von Facebook, Twitter usw.). Da wundert es nicht, dass mehr als zwei Drittel der „online-experience“ mit einer Suche beginnt.

Für Unternehmen, die nur im Internet zu Hause sind, ist ein Fehlen in den Suchergebnissen eine absolute Katastrophe. Für Unternehmen, die auch eine offline Präsenz haben, ist das Auskommen ohne Google aber auch kein Zuckerschlecken. Einige Branchen machen bereits mehr als 20 % ihrer Umsätze durch online Verkäufe. Der Prozentsatz wächst zudem weiterhin rasant. Zuwächse beim Konsum werden fast ausschließlich durch online Verkäufe realisiert. Ohne Google geht es fast nicht, egal, ob ein Unternehmen neu startet, wachsen oder seine Position halten will. Änderungen im Algorithmus können die Sichtbarkeit von Unternehmen von heute auf morgen verändern. Für Unternehmen, die an der Börse notiert sind, können das kurs- oder sogar überlebensrelevante Ereignisse sein. Für Anleger sind es letztlich Schwarze Schwäne. Per Definition kann man als Anleger dagegen nichts machen. Zumindest schadet es nicht darüber Bescheid zu wissen.

Viel Erfolg

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • fill or kill
    fill or kill

    Herr Schmale,

    wollte mal ein Lob an Sie los werden. So vielfältig von den themen und anlagemöglichkeiten. Ich kenne keinen anderen Analysten der 3D drucker, forex, bierbrauer und google researcht...

    13:45 Uhr, 25.06.2014
  • Investor
    Investor

    Herr Schmale,

    guter Artikel.

    Das Phänomen haben Sie auch in der Realwirtschaft. Wenn sie als Unternehmen in einem Einkaufzentrum eingemietet waren und zB der Ankermieter wegfällt kommt es zum gleichen Ergebnis.

    In dem Artikel gibt es noch einen Aspekt, den Sie nicht erwähnt haben. Die Firmen kaufen sich die Expertise ein, um ihre Webseite im Google Ranking zu verbessern. Ich vermute einmal, daß diese Firmen durch einen Algorithmusänderung am stärksten betroffen sind.

    Dies macht den Effekt für die Firmen nicht besser aber erklärbar. Wenn man zu dem Schluß kommt, daß Firmen sich im ranking hochkaufen dürfen, dann muß man Google verpflichten, seine Algorithmusänderungen den ranking Experten frühzeitig mitzuteilen, damit sich diese entsprechend einstellen können. Bei SW Firmen nennt man dies eine Beta Phase für den Algorithmus.

    08:32 Uhr, 25.06.2014
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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