Kommentar
13:10 Uhr, 06.05.2015

Geldmenge und Aktienmärkte

  • Die hohe Liquidität in den Volkswirtschaften kommt inzwischen in der Wirtschaft an.
  • Das ist nicht nur eine Folge der massiven Staatsanleihekäufe der EZB. Es ist vor allem ein Zeichen für die bessere Konjunktur.
  • Die Zunahme der Geldmenge M1 ist ein guter Indikator für die Entwicklung der Aktienkurse. Sie verheißt nichts Schlechtes.

Es gibt Statistiken, die jeder anschaut und über die jeder redet und es gibt Statistiken, die eher im Verborgenen blühen. Zu letzteren gehören die Zahlen über die Ent­wicklung der Geldmenge im Euroraum. Sie werden von der Europäischen Zentralbank jeden Monat veröffent­licht. Sie werden aber fast gar nicht beachtet.

Ein Grund dafür ist, dass diese Statistik ein Bild zeich­net, das so gar nicht mit der Realität übereinstimmt, wie wir sie sehen. Jeder weiß, dass die Liquidität in der Welt so reichlich ist wie nie. Die Bilanzsumme der EZB (wie die aller anderen großen Zentralbanken) ist seit der Fi­nanzkrise förmlich explodiert. Die Geldmenge, wie sie in der Statistik ausgewiesen wird, hat sich jedoch nur mar­ginal erhöht. Das passt nicht zusammen. Die Zentral­banken drucken Geld ohne Ende. Unternehmen und pri­vate Haushalte haben aber nichts davon.

Das Geld kommt an

Bilanzsumme der EZB in EUR 1.000 Mrd. (ls) und Wachstumsrate der Geldmenge M3 in % (rs)

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Quelle: EZB

Bisher jedenfalls. Denn jetzt dreht sich die Situation und zwar dramatisch. Das Wachstum der Geldmenge nimmt in einem Tempo Fahrt auf, wie wenige das für möglich gehalten hatten. Vor einem Jahr lag es erst bei 0,4 % (gegenüber Vorjahr). Inzwischen beträgt es 4,6 %. Schauen Sie sich die Grafik an. Die untere Linie zeigt das Wachstum der Geldmenge M3. Das ist das Geld in den Händen der Wirtschaft (Bargeld plus Sicht- und Ter­mineinlagen). Lange Zeit ist es zurückgegangen. Jetzt nimmt es kräftig zu.

Was bedeutet das? Auf den ersten Blick würde man sa­gen: Es zeigt, dass die massiven Staatsanleihekäufe der EZB wirken. So sagt das auch die EZB. Aber das ist nicht richtig. Natürlich gibt es, wie die Grafik zeigt, eine gewisse Parallelität zwischen der Entwicklung der Bi­lanzsumme der EZB und dem Wachstum der Geldmen­ge. Wenn die Bilanzsumme sich erhöht, geht auch M3 nach oben, wenngleich wesentlich schwächer. Wenn sie fällt geht auch das Wachstum der Geldmenge zurück.

Wenn man jedoch genauer hinschaut, dann ist das, was wir im Augenblick erleben, keine Fortsetzung des bishe­rigen Musters. Die jetzige Beschleunigung des Geld­mengenwachstums ist wesentlich dynamischer. Zudem begann sie früher, nämlich bereits vor einem Jahr, also lange bevor die EZB über ihr neues Programm sprach. Die EZB sollte sich also nicht zu stark auf die Schultern klopfen.

Was die Zunahme der Geldmenge wirklich zeigt ist, dass sich die Konjunktur bessert und es wieder aufwärts geht. Die Menschen fragen wieder Geld nach, in Form von Bargeld und Einlagen. Das ist ein Indiz, dass sie wieder mehr verbrauchen und investieren wollen.

Was sie auch zeigt ist, dass jetzt wieder genügend Geld da ist zur Finanzierung eines ordentlichen Aufschwungs. Als die Geldmenge in den letzten Jahren nur um 1 % bis 2 % expandierte, war das nicht der Fall. Beim jetzigen Wachstum kann die Wirtschaftsleistung real um 2 % zu­nehmen. Gleichzeitig können die Preise um 2 % steigen. Das ist mehr als derzeit gebraucht wird. Der monetäre Mantel ist weit. Auch das ist ein gutes Zeichen.

Schließlich zeigt die Entwicklung, dass sich bei den Ban­ken etwas bewegt. Sie geben wieder mehr Kredit. Die Zeit des "Deleveraging", also der Rückführung der Bi­lanzsummen, nähert sich dem Ende. Noch geht das langsam. Die Kredite sind derzeit nur 0,1 % höher als
im Vorjahr. Aber der Trend stimmt. In den letzten Jahren waren sie noch zurückgegangen.

Das einzige, das mich bei all dem stört ist, dass die Ban­ken jedenfalls seit März nicht nur aus eigenem Antrieb mehr Kredite vergeben. Sie werden durch die Wertpa­pierkäufe der EZB praktisch dazu gedrängt. Sie bekom­men Bargeld, das sie nicht zinstragend bei der EZB an­legen können. Sie müssen es – wenn sie es nicht im Ausland investieren wollen – im Inland ausleihen. Das bringt neue Risiken in die Bilanzen.

Andererseits sollte man das nicht überbetonen. Durch die bessere Konjunktur verringern sich auch die Kredit­ausfälle, was die Bilanzen entlastet. Zudem wäre die Konjunktur ohne die EZB erst später in Gang gekom­men. Insofern wäre es voreilig, jetzt schon der EZB zu raten, sich aus der expansiven Geldpolitik zurückziehen. So weit sind wir noch nicht. Wir stehen erst ganz am An­fang des Aufschwungs. Das muss alles erst noch gefes­tigt und gegen die vielen Risiken auf den Märkten abge­sichert werden.

Für den Anleger, der in den letzten Tagen durch den Kursverfall an den Märkten gebeutelt wurde:

Verzweifeln Sie nicht. Die Entwicklung der Geldmenge zeigt, dass die fundamentale Situation der europäischen Wirtschaft auf gutem Weg ist. Was wir an den Märkten sehen ist eine "technische Reaktion", die nach dem Hö­henflug überfällig war. Ich bin zuversichtlich, dass wir die bisherigen Höhepunkte der Aktienkurse im Verlauf des Jahres noch einmal sehen werden (ob es sehr viel mehr werden, ist freilich nicht so sicher).

Aus der Geldmengenstatistik lässt sich für Anleger noch eine andere Botschaft entnehmen. Es gibt nämlich ne­ben dem hier betrachteten M3 auch noch ein enger defi­niertes Aggregat M1. Es umfasst keine Termineinlagen, sondern nur Bargeld und Sichtdepositen. M1 ist für den Anleger wichtig. Es weist seit vielen Jahren eine gute Korrelation zu den Aktienkursen auf. Sein Wachstum ist derzeit erheblich höher als das von M3. M1 liegt inzwi­schen um 10 % über dem Vorjahr. Eine Verminderung ist nicht absehbar. Das ist kein schlechtes Omen für die Aktienmärkte.

Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
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Assenagon Asset Management S.A., Zweigniederlassung München, Prannerstraße 8, 80333 München, Deutschland

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