Kommentar
15:34 Uhr, 21.04.2017

Frankreich-Wahl: Viel Lärm um nichts?

Ein Gespenst geht um in Europa und es heißt Marine Le Pen. Doch die Angst vor Aufruhr und Euroaustritt kommt zu früh...

Das kommende Wochenende dürfte politisch gesehen von der Präsidentschaftswahl in Frankreich dominiert werden. Nicht nur an den Börsen geht die Angst um vor einem möglichen Wahlsieg Marine Le Pens. Die Medien sind voll von entsprechenden Horrormeldungen. Nachfolgend einige Beispiele:

Die "Zeit" wähnt Frankreich "am Ende", sollte Le Pen Präsidentin werden.

Die Kollegen von der Huffingtonpost bereiten deshalb schon mal das "Scheitern der Marine Le Pen" vor.

Und die Redaktion des Deutschlandradio sieht bei einem Sieg der rechtskonservativen Präsidentschaftskandidatin gar die europäische Kultur in Gefahr.

Meiner Einschätzung nach wird das Thema derzeit viel zu sehr hochgekocht. Realistisch betrachtet hat Le Pen selbst bei einem überlegenen Wahltriumph keine realistische Chance, ihre hochfliegenden Pläne umzusetzen, jedenfalls kurzfristig:

Frankreichs Mitgliedschaft in der Europäischen Union wurde, womöglich in "weiser Voraussicht", in der französischen Verfassung verankert und kann daher nur vom Parlament beendet werden. Hier der Verfassungstext im Wortlaut. Maßgeblich ist Artikel 88-1:

Das französische Parlament wird jedoch nach den Wahlen am Wochenende nicht durch den Front National, sondern voraussichtlich von den Republikanern dominiert sein.

Mit größter Wahrscheinlichkeit wird der gewählte französische Präsident daher keine Mehrheit in der Nationalversammlung hinter sich haben. Dies würde sowohl für Emmanuel Macron als auch für Marine Le Pen oder den linksextremen Jean-Luc Mélenchon zutreffen.

Viel interessanter als die Präsidentschaftswahlen an diesem Wochenende sind daher die Parlamentswahlen in Frankreich Mitte Juni.

Viel Lärm um nichts also?

Das nun nicht gerade, denn die Lage in Europa wird sich weiter verschärfen. Gesellschaftspolitisch, sozial und auch wirtschaftlich stehen die Zeichen auf Sturm - und zwar unabhängig davon, wer in Frankreich demnächst Präsident sein wird.

Ein Wahlsieg käme Marine Le Pen zum gegenwärtigen Zeitpunkt daher womöglich sogar ungelegen: Für die Frontfrau der Europäischen Rechten wäre es viel komfortabler, die weitere Entwicklung noch einige Jahre von der Seitenlinie aus beobachten und kommentieren zu können.

Le Pen ist erst 48. Da bleibt noch genügend Zeit, um der zerfallenden Europäischen Union bei passender Gelegenheit den entscheidenden Schlag zu versetzen.

Dass diese Gelegenheit kommen wird, steht für aufmerksame Beobachter längst außer Frage, und wenn es soweit ist, werden die aufrührerischen Franzosen ganz anders agieren, als die obrigkeitshörigen und lethargischen Deutschen.

Das zumindest kann schon im April 2017 als gesichert gelten...

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Weitere Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de

7 Kommentare

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  • Dr. Fisch
    Dr. Fisch

    zu diesem Thema möchte ich mal eine Information anbieten,

    die den ein oder anderen sicherlich weiterhilft bzw. schlauer macht:

    aus dem Buch „WHISTLEBLOWER“ von Jan van Helsing und Stefan Erdmann. Insider aus Politik, Wirtschaft, Medizin, Polizei, Geheimdienst, Bundeswehr und Logentum packen aus!

    http://schnittpunkt2012.blogspot.de/2017/04/whistl...

    http://schnittpunkt2012.blogspot.de/2017/04/whistl...

    ich hoffe, die Links funktionieren...

    19:39 Uhr, 23.04. 2017
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Marine Le Pen, Geert Wilders, Donald Trump, Frauke Petry, Beppe Grillo, sie alle verdanken ihre derzeitigen Höhenflüge nur dem Umstand, das immer mehr Menschen von der etablierten Politik die Schnauze gestrichen voll haben. Die Gründe sind leicht auszumachen, die Berufspolitiker der Gegenwart haben den Kontakt zur einfachen Bevölkerung weitestgehend verloren, sie sind in erster Linie mit dem Management der eigenen Karriere beschäftigt und sie handeln stets nach dem Grundsatz "nicht das Erreichte zählt, das Erzählte reicht."

    Inzwischen ist jedoch bei vielen Wählern keine Bereitschaft mehr vorhanden, den Wendehälsen in den Regierungen und Parlamenten auch noch treudoof ihre Stimme zu geben, sie wenden sich mit Schaudern ab, wählen gar nicht oder sie wählen die neuen Emporkömmlinge und stellen dann wie im Falle von Donald Trump fest, das aus dem Zauberlehrling der Macht kein großer Zauberer geworden ist. Trump brilliert allenfalls mit ziemlich billigen Taschenspielertricks, die ihm nur noch seine glühendsten Verehrer abnehmen. Das gezinkte Ass im Ärmel wird den Eliten jedoch nicht mehr helfen, an der Macht zu bleiben, zu gewaltig sind die Herausforderungen in den nächsten Jahren. Das Petro-Dollar zentrierte Kreditgeld- Weltwährungssystem hat seine besten Jahre hinter sich, die nächste Rezession lugt zumindest in den USA schon um die Ecke und weder China noch Putin-Rußland werden sich von den USA so behandeln lassen, wie das die Neocons in Lybien, Irak, der Ukraine und Syrien durchgesetzt haben. Da in Amerika jedoch nach wie vor viele Schaltstellen von Leuten besetzt sind, denen in ihrer Hybris auch durchaus zuzutrauen ist, das sie einen großen Krieg riskieren, steht es leider auch um den Weltfrieden nicht zum Besten.

    Fazit:

    Die Welt steht in den nächsten 10 Jahren vor massiven Veränderungen. Politiker die das Format haben, diese Veränderungen im Sinne der Bevölkerung positiv und nachhaltig zu managen, sind noch nicht in Sicht, zu einer rühmlichen Ausnahme könnte sich vielleicht die englische Regierungschefin Theresa May mausern, ein starker Gegenentwurf zu Politikerinnen wie Angela Merkel oder gar Claudia Roth. Die links-grünen Welterklärer müssen gerade bass erstaunt dabei zuschauen, wie sie von den belächelten Wahlschafen langsam aber sicher entsorgt werden. Tja, wer nicht handelt und zwar im Sinne der Wähler, der wird behandelt.

    12:18 Uhr, 22.04. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Unzenkönig
    Unzenkönig

    Hallo Herr Hoose,

    wieder perfekt und einfach zutreffend geschrieben. Ich musste einfach nur schmunzelnd zur Kenntnis nehmen- Wahrheit kann so einfach sein- schönes Wochenende an Sie.

    Geniessen sie das "Spektakel" um noch! an nix!

    21:09 Uhr, 21.04. 2017
  • watuffli
    watuffli

    Mal abgesehen von dem Ereignis in Frankreich finde ich generell, dass Parteien im Vorfeld von Wahlen oft ein Riesen-Bohei veranstalten, demgegenüber die Wahlergebnisse und die folgende Politik eher (er)nüchtern(d) daherkommen. Ein Buch, das Wahlslogans dokumentieren würde, ließe sich mit mit Fug und Recht als "gesammelte Plattitüden" betiteln. Das bringt mich auf die Frage, was Wahlkämpfe mit Goethes Fröschen gemein haben :-). Hier die Quintessenz meiner Überlegungen:

    Politik schäumt auf, denn Wahlen stehen an,
    Da drängen Parteien ans Volk heran!
    Mit markigen Reden und vielem Tamtam
    Ziehen die Kämpen die Leut' in den Bann,
    Denn kaum ein Bürger fühlt sich animiert,
    Wird ihm nur trocken-politisch doziert.

    Deshalb offerieren sie simple Sprüche
    Sexy garniert in der Werbeküche:
    Für Europa, für Gerechtigkeit und Freiheit,
    Sicherheit, Wachstum Sozialwohltaten ...
    Gegen „Populisten“ und Autokraten ...
    Ein Strauß nobler Ziele, die insinuieren,
    Dass sie alleinig für‘s Volkswohl agieren.
    (Merke: Wahlbotschaft wird so beordert,
    Dass sie kognitiv nicht überfordert.)

    Doch nach der Wahl läuft‘s oft Goethes Fröschen gleich,
    Die - gefangen im gefrorenen Teich -
    Versprachen, wie Nachtigallen zu singen,
    Könnten sie nur dem Eise entrinnen:
    „Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
    Nun ruderten sie und landeten stolz
    Und saßen am Ufer weit und breit
    Und quakten wie vor alter Zeit.“

    17:26 Uhr, 21.04. 2017
    1 Antwort anzeigen