Kommentar
06:48 Uhr, 21.07.2014

Firmenübernahmen als Crash Indikator: böses Omen? Teil II

Fusionen und Übernahmen schaffen für gewöhnlich keinen Wert, sie vernichten ihn. Ein Grund dafür: die meisten Übernahmen finden in Übertreibungsphasen an den Aktienmärkten statt. Die vermehrte Aktivität an den Märkten gibt daher zu denken.

Aber wieso kommt es überhaupt vermehrt zu Übernahmen, wenn die Preise hoch sind? Untersuchungen der letzten Übernahmewellen geben Aufschluss darüber (mehr Hintergründe zu den M&A Wellen finden Sie in Teil I des Artikels).

Kaufen wider die Vernunft?

Wenn M&A (Mergers & Acquisitions) eigentlich keinen Sinn machen, wieso wird es dann doch immer wieder gemacht? Einheitlich lässt sich das nicht sagen. Die Motivation war von Übernahmewelle zu Übernahmewelle unterschiedlich. In der ersten Welle (siehe Tabelle) ging es Unternehmen vor allem darum, ihre Monopolstellung zu behalten. Statt zu konkurrieren und selbst in Innovation zu investieren war es einfach günstiger, Wettbewerber zu kaufen. Eine solche Motivation besteht sicherlich auch heute noch. Als Monopolist lebt es sich einfach besser. Nach dieser ersten Übernahmewelle wurden allerdings die Gesetze verschärft. In der zweiten Welle ging es dann nicht mehr darum, die Monopolstellung zu festigen, weil das nicht mehr möglich war, sondern Oligopole zu bilden. Hier beherrschte dann nicht mehr ein Unternehmen die Branche, sondern eben drei oder fünf.

Nach erneuter Verschärfung der Gesetze und wirtschaftlich anderen Rahmenbedingungen ging es bis Anfang der 70er Jahre um Diversifikation. Hier wurden vor allem Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette gekauft. Es entstanden auch viele Konglomerate. Nach jahrelanger Stagnation in den 70er Jahren rückte dann das Thema Effizienz wieder mehr in den Vordergrund. Unternehmensteile, die nicht zum Kerngeschäft gehörten, wurden wieder verkauft, um sich auf die Kernkompetenzen zu besinnen.

Periode

1890-1903

1920er

1960er

1980er

1990er

Heute

Wo?

USA

USA

USA, UK, Europa

US, UK, Europa, Asien

US, UK, Europa, Asien

Weltweit

Zweck?

Bildung von Monopolen

Bildung von Oligopolen

Diversifikation

Effizienzgewinne

Globalisierung

Horizontale Integration, Internationalisierung, Wachstum

Wer?

Energie, Textil, Stahl

Stahl, Eisenbahn, Dampfmaschinen

Elektrizität, Chemie, Motoren

Petrochemie, Fluggesellschaften, Elektronik, Kommunikation

Telekom, Internet, IT

Pharma, Telekom, Technologie

Wie?

Cash

Eigenkapital

Eigenkapital

Schulden, Cash

Eigenkapital

Cash, Schulden, Eigenkapital

Umfeld zu Beginn der Welle

Wirtschafts-wachstum, Industrialisierung, neue Gesetzgebung, Entwicklung des Aktienmarktes, neue Technologien

Erholung nach Erstem Weltkrieg, Gesetze gegen Monopole

Wirtschaftswunderjahre, Gesetze gegen Absprachen, Kartelle etc.

Erholung nach 70er Stagflation, Deregulierung, neue Finanzierungsinstrumente (z.B. Junk Bonds)

Globalisierung, Wirtschaftsboom, Deregulierung, Privatisierung, Technologieboom

Erholung nach Finanzkrise, sehr niedrige Zinsen, „unbegrenztes“ Kapital, Unternehmen haben hohe Cashbestände

Umfeld am Ende der Welle

Aktiencrash, wirtschaftl. Stagnation

Aktiencrash, Große Depression

Aktiencrash, Ölkrise, Beginn Stagflation

Aktiencrash

Aktiencrash

?

Auch wenn die Motivation immer wieder eine andere war, war das Ziel immer dasselbe: Wachstum. Das per se ist auch gut für Aktionäre, nur sind M&A dafür selten geeignet. Unternehmen werden durch Übernahmen zwar größer, nicht aber profitabler.

Am Anfang einer Übernahme steht meist der unternehmensinterne Druck und der Druck von Aktionären, Wachstum zu zeigen. Für viele Firmen scheint das auch der einzige Weg zu sein. Als 200 Mrd. Unternehmen (wie z.B. Pfizer), ist es schwierig, durch organisches Wachstum überproportional zuzulegen. Manchmal ist die Motivation aber auch eine ganz andere. Manager verfolgen mit Übernahmen ganz persönliche Ziele, wie die Erschaffung eines „Imperiums.“ Besonders interessant sind auch anekdotische Beweggründe wie die Expansion in ein bestimmtes Land, weil dort ein Manager einmal Urlaub gemacht hat und begeistert war.

Ist die Entscheidung erst einmal getroffen, sich nach Übernahmekandidaten umzusehen, gibt es kaum mehr ein Zurück. Sind Manager erst einmal überzeugt, dann empfinden sie eine Absage an eine Übernahme als Niederlage oder empfinden den Rückzug als emotional zu teuer. Übernahmen haben viel mit Psychologie zu tun und oft weniger mit harten, wirtschaftlichen Überlegungen. Allein deswegen sollte man als Aktionär schon aufpassen, was das Management tut.

Wird die Übernahme dann tatsächlich in Angriff genommen, beginnt erst der schwierige Teil. Hier geschehen die meisten Fehler und hier liegen auch die Gründe, weshalb Übernahmen keinen Wert schaffen. Die Entscheidung, ein anderes Unternehmen zu kaufen, ist schnell gefällt. Die Kunst ist aber, dieses Unternehmen erfolgreich zu integrieren. Es gibt sogenannte Quick-Wins nach Übernahmen. Das sind schnelle Resultate, die den Anschein von Erfolg erwecken. Es werden z.B. Doppelfunktionen abgebaut. Man braucht ja für ein Unternehmen nicht zwei Verwaltungen. Was aber häufig unterschätzt wird, ist die Kompatibilität von Unternehmen. Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur und Systeme (IT wird häufig massiv unterschätzt). Daran scheitern letztlich die meisten Übernahmen.

Damit schließt sich so langsam der Kreis. Wenn an der Börse Euphorie herrscht, dann interessieren die Nebeneffekte keinen. Die Ineffizienz von Übernahmen fällt nicht auf und Investoren haben ein ebenso kurzes Gedächtnis wie Manager und vergessen, dass 120 Jahre Historie noch nie einen systematischen Gewinn bei M&A gezeigt haben. Es gibt aber noch einen ganz anderen Grund, weshalb M&A Aktivitäten in Übertreibungen am Aktienmarkt stattfinden. Wenn die Aktien des eigenen Unternehmens sehr hoch stehen und eigentlich eine Überbewertung zeigen, dann ist es besonders günstig, eine Übernahme durch Aktien zu stemmen. Eigene Aktien werden zum Kauf verwendet und sind damit de facto ein Ersatz für Cash. Es werden überbewertete Aktien als Geld eingesetzt, um reale Werte zu kaufen. Solange das Zielunternehmen weniger stark überbewertet ist als das des Käufers, macht ein Deal zumindest oberflächlich Sinn. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb M&A Wellen stark pro-zyklisch sind.

Ist der Markt bereits überhitzt?

M&A Wellen entwickeln sich nicht von heute auf morgen. In den vergangenen 5 Wellen begann die M&A Aktivität ca. 11 Jahre vor dem Hochpunkt der Aktivitäten mit einem leichten Anstieg. War z.B. das Jahr 2000 das Jahr mit der höchsten M&A Aktivität der Welle, dann hätte die Welle ca. 11 Jahre früher beginnen sollen. Tatsächlich begann die Zahl an Übernahmen ab 1991 wieder zu steigen.

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Den letzten Tiefpunkt nach der Übertreibung haben wir 2003 gesehen. Die Zeit bis 2007 war sehr kurz. Man kann durchaus sagen, dass dieses M&A Welle frühzeitig unterbrochen wurde. Sieht man die Bankenkrise als „unplanmäßige“ Unterbrechung, dann hat die aktuelle Welle noch ein bis zwei Jahre Zeit, sich voll zu entfalten. Danach wäre mit einer mindestens dreijährigen Abkühlung zu rechnen.

Als Fazit lässt sich festhalten: M&A Aktivität ist ein guter Indikator für eine Überhitzung. M&A Wellen sind stark pro-zyklisch, weil die Übertreibung genutzt werden kann, um überbewertete Aktien als Tauschmittel für reale Werte einzusetzen. Trotzdem generieren Übernahmen im Durchschnitt keinen Wert für das Käuferunternehmen, sondern führen langfristig sogar zu einer Underperformance der Aktien.

Im aktuellen Zyklus, der 2003 begann, sind wir auf dem Weg zu einer Übertreibung. Das Ende des Booms muss aber noch lange nicht erreicht sein. Der Höhepunkt der momentanen Welle ist 2015/16 zu erwarten.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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