Kommentar
12:31 Uhr, 09.04.2014

EZB will die Realwirtschaft mit Geld fluten

Im Rahmen eines QE-Programms dürfte die EZB vor allem sogenannte Asset-Backed-Securities (ABS) aufkaufen. Banken würden normale Kredite in diese Wertpapiere verpacken und an die Notenbank veräußern. Das könnte einen wahren Kreditboom in der Eurozone auslösen. Aber die Sache hat gleich mehrere Haken.

Erwähnte Instrumente

In der vergangenen Woche sprach EZB-Präsident Mario Draghi ganz offen über die Möglichkeit eines Quantitative-Easing-Programms in der Eurozone. Die Planungen der EZB könnten sich aber in einem entscheidenden Punkt von den QE-Programmen der US-Notenbank unterscheiden. Die EZB will sich bei ihrem Aufkaufprogramm offenbar in erster Linie auf Asset-Backed-Securities (ABS) konzentrieren. Dabei handelt es sich um bestimmte mit Forderungen besicherte Wertpapiere, die auch bei der Entstehung der Finanzkrise eine wichtige Rolle spielten. Banken können von ihnen vergebene Kredite in ABS umwandeln und anschließend weiterverkaufen. Ein QE-Programm, das sich vor allem auf den ABS-Markt konzentriert, hätte mehrere entscheidende Vorteile für die EZB. Einerseits würde damit das Verbot der Staatsfinanzierung eindeutig nicht verletzt, weil keine Staatsanleihen gekauft werden. Andererseits könnte ein solches Kaufprogramm eine viel stärkere Durchschlagkraft auf die Realwirtschaft entfalten, denn die europäische Wirtschaft ist viel stärker von Bankkrediten abhängig als die US-Wirtschaft.

ABS-Aufkäufe könnten zu Kreditboom führen

Sollte die EZB als Käufer auf dem ABS-Markt auftreten, könnten Banken Hypothekenkredite oder auch Kreditkartenforderungen in ABS verpacken und anschließend an die Notenbank verkaufen. Die Bankbilanzen würden dadurch von den vergebenen Krediten nicht mehr belastet. Die Kreditrisiken würden, über den Umweg der ABS, vielmehr in die Bilanz der EZB wandern. Dadurch könnten die Banken ihre Kreditvergabe deutlich ausweiten. Gerade das, so die Einschätzung der Notenbanker, könnte die Realwirtschaft in der Eurozone befeuern. Denn die Kreditvergabe schwächelt wegen der Euro-Krise seit Langem.

Allerdings hat die Sache gleich mehrere große Haken. Einerseits ist der ABS-Markt in Europa aktuell bei Weitem nicht groß genug für ein EZB-Kaufprogramm. Schon vor längerer Zeit hat die EZB deshalb das Ziel ausgegeben, den seit der Finanzkrise schlafenden ABS-Markt in Europa wiederzubeleben. Denn seit der Finanzkrise gibt es kaum noch Käufer für die riskanten Wertpapiere. Würde die EZB kaufen, könnte das einen Anreiz für die Banken darstellen, solche Papiere zu begeben.

Neue Krise durch ABS-Markt?

Die Zurückhaltung auf dem ABS-Markt seit der Finanzkrise hat allerdings einen guten Grund. Denn die Papiere spielten eine bedeutende Rolle bei der Entstehung der Finanzkrise. Vor der Krise hatten sich die US-Banken über den ABS-Markt von zahlreichen Risiken in ihren Bilanzen getrennt und in alle Welt – gerade auch nach Deutschland – verkauft. Das war ein wichtiger Grund, warum die Krise auf dem US-Hypothekenmarkt auch bei europäischen Banken zu dramatischen Verlusten führte. ABS-Papiere waren meist sehr komplex strukturiert, so dass die Risiken kaum offensichtlich waren. Außerdem konnten durch die Umwandlung der Kredite in Wertpapiere immer neue Kredite vergeben werden, ohne die Bilanzen der Banken zu belasten. Das trug dazu bei, dass deutlich mehr Kredite vergeben wurden, als es wirtschaftlich sinnvoll war. Banken vergaben sogar Hypothekenkredite an Menschen ohne Einkommen, Job und Besitz (sogenannte Ninja-Kredite - no income, no job, no assets).

Damit ähnliches in Europa nicht passiert, müssten sehr strenge Regeln für die Auflegung von ABS-Papieren gelten. Andererseits dürften die Regeln allerdings auch nicht so streng sein, dass der Markt für die Banken völlig unattraktiv wäre. Es dürfte nicht einfach sein, hier das richtige Maß zu finden. Sollte sich die EZB bei einem möglichen QE-Programm tatsächlich auf den ABS-Markt konzentrieren , dürfte es eine recht lange Zeit dauern, bis ein solches Programm aufgelegt werden könnte. Denn aktuell ist der Markt einfach nicht groß genug.

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Oliver Baron

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18 Kommentare

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  • Oliver Baron
    Oliver Baron Experte für Anlagestrategien

    Vielen Dank für die spannende Diskussion! Persönlich rechne ich nicht mit einem Systemkollaps in den kommenden Jahren, einfach weil Notenbanken und Regierungen zu einfallsreich sind und das vermutlich zu verhindern wissen. Hohe Inflation und stark steigende Geldmengen gibt es in den USA schon lange, ohne dass das jemals zu einem kompletten Kollaps geführt hätte...

    21:28 Uhr, 09.04.2014
  • markuss
    markuss

    Die "Reichen" ist zu pauschal. Auch nicht so vermögende Menschen können sich um ihr Vermögen kümmern, das steht jedem frei. Und man muss keine Millionen haben, und kann das Vermögen trotzdem geschickt anlegen. Das muss nicht bei Banken und Finanzinstituten sein ...

    Wenn sich jemand nicht um sein Vermögen kümmert ... egal wie viel und groß es ist ... ist er ganz allein selbst schuld, wenn es irgendwann weg ist. Dass es weniger wird, dafür sorgen jetzt schon die ganzen Zentralbankmaßnahmen mit der Niedrigzinsphase.

    Also, wo ist das Problem ... ?

    17:02 Uhr, 09.04.2014
  • student
    student

    Ein Crash begünstigt die Reichen. Denn die werden dadurch reich, weil sie sich um ihr Vermögen kümmern und es absichern. Die Gesetze sind gut für die Reichen und belasten nur die Mittelschicht und die Armen.

    Eine neue demokratische Ordnung mit einem Sozialstaat, dessen Politik auf "Wohlstand für alle" ausgerichtet ist, würde das Geld dorthin fliessen lassen, wo es maximalen Nutzen durch Arbeit und Konsum bringt.

    Angelegtes Geld in Finanzprodukten schafft daher keinen produktiven Mehrwert. Man sollte Banken dazu verpflichten, nur das Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben zu dürfen.

    16:53 Uhr, 09.04.2014
    2 Antworten anzeigen
  • markuss
    markuss

    Doch, das jetzige Geld- und Schuldensystem, bei dem versucht wird, Schulden mit noch mehr Schulden zu tilgen, kann nur kaputt gehen. Warum soll das nicht möglich sein?

    Übrig bleiben die Schulden der "kleinen" Privatpersonen und viel wertloses Papier(Geld). Die Wirtschaft rauscht bei einem weltweiten Währungs- und Geldkolaps in den Keller, damit auch die Aktienkurse und die entsprechenden Depotvermögen.

    Einzig echte Sachwerte erhalten ihren Wert und werden dann massiv steigen.

    Ahnungslose Menschen werden das nicht erkennen und werden nicht rechtzeitig ihr Vermögen umschichten. Raus aus Geld- und Aktienwerten, rein in reise Sachwerte und Edelmetalle (nur physikalisch, nix Papiergold :))

    Aber, wer keine Ahnung hat und sich auch nicht kümmert und sich zudem von den Verantwortlichen an der Nase herumführen und belügen läßt, dem geschieht das grad recht so!

    Selbst denken tut nicht weh :)

    15:11 Uhr, 09.04.2014
  • markuss
    markuss

    Guter Plan :)

    Ich bin dafür, dass die EZB ihre Pläne umsetzt. Der Grund: Je schneller das kaputte Finanz- und Schuldensystem endgültig kaputt geht, umso besser. Dadurch lassen sich Folgekosten für die Verschleppung sparen.

    Also, liebe Zentralbanken- Verantwortliche: Pumpt noch mehr Geld in die Märkte, tut uns den Gefallen. Das spart uns Kosten :)

    14:30 Uhr, 09.04.2014
    1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    Asset-Backed-Securities (ABS), das war doch die Massenvernichtungswaffe, die zur Immobilienkrise in den USA führte und die Welt an den Abgrund brachte. Jetzt will die EZB mit dieser Massenvernichtungswaffe die EU und den Euro retten. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Ein Wirtschaftsboom in Europa, der den Keim für eine noch größerer Krise in sich trägt, als die, welche wir bisher hatten.

    Wenn die EZB Asset-Backed-Securities kauft und dafür aus dem Nichts geschöpftes Geld in den Wirtschaftskreislauf gibt, ohne das dafür Güter geschaffen wurden, eignen sich die Geldschöpfer fremde Leistung ohne Gegenleistung an und enteignen die werktätige Bevölkerung. So etwas endet immer in einer Katastrophe.

    Die EZB manipuliert mit dem Kauf der ABS den Preis für Geld, den Zins. Denn Banken können nun risikolos Kredite vergeben.

    Preise haben aber eine wichtige Signalwirkung für Unternehmer. Sind die Preise für Geld hoch, so wissen Unternehmer, dass die Konsumenten die verfügbaren Waren stark nachfragen, also werden sie diese produzieren. Ist Geld billig, finden die Konsumenten offensichtlich die bestehenden Angebote nicht mehr attraktiv und sparen, wodurch viel Geld verfügbar ist und es billig ist. Das gibt den Unternehmern das Signals mehr zu investieren, um neuere oder bessere Produkte anbieten zu können. Kommen dies neuen Produkte auf den Markt, steigt der Konsum und Geld wird wieder teurer und die Unternehmer schränken ihre Investitionen ein. Diese unsichtbare Hand des Marktes, die das Verhalten der Marktteilnehmer regelt, wird durch die Geldpolitik der EZB zerstört. Dadurch kommt es zu Fehlallokationen mit der Folge von Boom- und Bust-Zyklen.

    Wird der Preis und die Menge von Geld nicht durch eine Zentralbank manipuliert, so werden Mittel lediglich umgeleitet. Sie fließen entweder mehr in Konsum oder mehr in Investitionen.

    Die ständigen Interventionen der Zentralbanken erzeugen das Problem einer dauerhaften Systemfragilität.

    13:20 Uhr, 09.04.2014

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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