Kommentar
07:29 Uhr, 08.03.2017

Eurozone abschaffen! Aber wie?

Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, dass die Einführung des Euro einmal gefeiert wurde. Heute ist der Euro eher ein Reizthema.

Die Gemeinschaftswährung hat Vorteile.

Bevor der Euro also nur als Teufel in Person dargestellt wird, darf man nicht vergessen, dass er Transaktionen innerhalb der Währungsunion massiv vereinfacht und verbilligt hat. Das war’s dann aber auch schon fast mit den Vorteilen.

Die Währung hätte funktionieren können. Dafür wurden jedoch viele Bedingungen nicht erfüllt. Anstatt den Wirtschaftsraum zu vereinheitlichen, haben viele Südländer die Konvergenz bei Zinsen dazu genutzt, um über ihre Verhältnisse zu leben. Sie häuften mehr Schulden an als jemals zuvor. Ganz nebenbei wurde so gut wie nichts reformiert und Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt.

Dass das überhaupt möglich war, kann man ruhig den europäischen Institutionen zuschreiben. Sie haben zwar zweckdienliche Regeln aufgestellt, die eine Konvergenz garantieren sollten, doch es hat sich nie jemand daran gehalten. So konnte das nichts werden. Und nun haben wir den Salat.


Wir sind mit dem Euro aneinander gekettet.

Viele sehen in der Abschaffung des Euro die ganz große Lösung, doch so einfach ist das inzwischen nicht mehr. Bester Ausdruck dafür sind die Target2-Salden. Ein negativer Saldo bedeutet, dass eine Notenbank eine Verbindlichkeit gegenüber einer anderen Notenbank hat, ein positiver Saldo, dass eine Forderung besteht. Die Entwicklung der Forderungen und Verbindlichkeiten je Land sind in Grafik 1 dargestellt.

Es fällt dabei auf, wie unterschiedlich der Verlauf vonstatten gegangen ist. Während der Finanzkrise erhöhten sich die Ungleichgewichte, konnten jedoch nach Draghis Bekenntnis zum Euro wieder eine Normalisierung beginnen. Seit 2014 steigt das Ungleichgewicht wieder. Die Zunahme ist ab 2015 unter anderem auf das QE Programm zurückzuführen. Die Anleihen, die die nationalen Notenbanken heimischen Investoren und Banken abkaufen, verschwinden vom Markt. Dafür erhalten die Investoren Geld. Dieses wird wieder angelegt, jedoch meist nicht im eigenen Land, sondern in anderen Euroländern, z.B. Deutschland.

QE unterstützt Vermögenstransfers

Stark vereinfacht ausgedrückt nutzen Investoren das QE Programm, um „minderwertige“ heimische Anleihen loszuwerden und das Geld in andere, sicherere Länder zu verfrachten. Das führt zu einer rasanten Zunahme der Ungleichgewichte. Der Überschuss von Ländern wie den Niederlanden und Luxemburg liegt inzwischen bei über 1 Bio. Das sind Forderungen gegenüber anderen nationalen Notenbanken.

Das ist eine gigantische Summe, wovon 800 Mrd. auf Deutschland entfallen. In Relation zur Wirtschaftsleistung ist das allerdings nicht das extremste Beispiel. In Deutschland machen die Forderungen 25 % der Wirtschaftsleistung aus. In Luxembourg sind es 220 %.


Würde die Eurozone morgen zusammenbrechen, dann sind die TARGET2-Forderungen wohl uneinbringlich

Das ist ein riesiger Verlust für die entsprechenden Länder, der wie im Falle Luxembourgs die Wirtschaftsleistung um ein Vielfaches übersteigt. Die Eurozone wird jedoch nicht einfach so zusammenbrechen. Dafür ist es, so absurd es klingt, zu spät.

Ohne die EZB, die es im Falle eines Zusammenbruchs nicht mehr gäbe, wären viele Länder bankrott. Das liegt an zwei Faktoren. Einerseits würden die Target2 Salden nicht mehr existieren. Länder mit negativem Saldo müssten ihre Verbindlichkeiten zahlen. Länder wie Griechenland, die ein Defizit von 70 Mrd. haben, können das nicht. Auch Spanien mit 350 Mrd. dürfte sich schwertun. Krisenländer, die jetzt noch nicht offiziell bankrott sind, wären es spätestens dann.

Andererseits sitzt die EZB inzwischen auf einem großen Berg an Anleihen. Diese Anleihen notieren in Euro. Bei einem Austritt aus der Währungsunion können diese Anleihen nicht so einfach in neue Anleihen mit neuer Währung umgewandelt werden. Mit einer Sperrminorität von 25 % können sich Investoren gegen eine Umwandlung in eine andere Währung stellen.

Die EZB besitzt inzwischen an vielen Anleihen mehr als 25 %

Sie könnte rein rechtlich gesehen gegen eine Umwandlung stimmen und somit verhindern, dass die alten Schulden in neuer Währung gehandelt werden. Das ist ein Problem.

Mit neuer Währung, die abwerten würde, gäbe es Inflation und über den Handel könnten die Länder wieder wachsen. Schulden könnten theoretisch dadurch wieder tragfähig werden. Wenn aber ein Großteil der Anleihen nicht getauscht werden kann, bringt das gar nichts. Durch die Abwertung neuer Währungen gegenüber dem Euro steigen die Schulden sogar noch.

Eine Ende des Euro im derzeitigen Umfeld würde ganz Europa wirtschaftlich verstümmeln.

Die meisten Südländer wären endgültig bankrott, ebenso viele andere Länder, die einen hohen Forderungsverzicht verkraften müssten. Ob man es will oder nicht, der Euro hat die Länder auf eine Art und Weise aneinander gekettet und die Fesseln lassen sich nicht ohne eine große Wirtschaftsdepression lösen.

Immerhin muss das kein Schicksal bleiben. Zypern, eines der Krisenländer, häufte hohe Defizit an (Grafik 2). Inzwischen ist aus dem Defizit ein Überschuss geworden. Bauen sich die Ungleichgewichte ab, kann ohne Katastrophe ein Schlussstrich gezogen werden.

Derzeit ist das nicht möglich, es sei denn, es werden alle Regeln gebrochen, die man nur brechen kann, z.B. indem die Defizitländer neue Schulden in Höhe ihrer Target2 Defizite aufnehmen - notfalls muss sie die EZB direkt bei Ausgabe kaufen - um damit den negativen Saldo auszugleichen und die Notenbanken die bisher gekauften Anleihen einfach löschen (effektiv die Staatsschulden zu einem Teil streichen). Unterm Strich bleibt die Schuldenlast dann gleich oder sinkt. Staatsfinanzierung ist zwar nicht erlaubt, doch die EZB gäbe es nach dieser Aktion ohnehin nicht mehr.

Clemens Schmale

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8 Kommentare

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    Ich wuerde mich da nicht wirklich sorgen, die Eurozone schafft sich ganz sicher noch selbst ab. Da muss man nix dazu tun;-)).

    09:51 Uhr, 09.03.2017
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Der Euro war und ist die Vision einer Politelite, die unter ökonomischem Handeln das Ausgeben des Geldes fremder Leute versteht. Echten Sachverstand sucht man bei diesem Umverteilungsklüngel vergeblich. Wie sagte doch gleich Altkanzler Schmidt? Wer Visionen hat, ist ein Fall für den Psychologen und nicht für die Politik geeignet

    23:48 Uhr, 08.03.2017
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Ich fände es super, wenn wir endlich wieder zu unseren nationalen Währungen zurück kämen ... - ich sehne diesen Tag herbei ...

    17:50 Uhr, 08.03.2017
  • Trading2001
    Trading2001

    Wer hat denn die Einführung des Euro gefeiert? Ich habe eigentlich nur kritische Stimmen in meinem Umfeld wahrgenommen

    14:02 Uhr, 08.03.2017
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Dass der Euro ein Flop wird, hätte man bei einer einzigen Reise durch Europa an einem einzigen Merkmal erkennen können: An den unterschiedlichen Sprachen.

    Man erkläre doch einmal einem Italiener oder Spanier, einem Franzosen oder Belgier, einem Griechen oder Portugiesen, einem Slowaken, Letten oder Esten, einem Niederländer oder einem Finnen in dessen Landessprache den Unfug mit den Target2-Salden.

    Der Euro wird zerbrechen, weil er nie funktionieren konnte.

    13:03 Uhr, 08.03.2017
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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