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16:13 Uhr, 05.07.2022

Europas Windbranche macht Dampf

Ausgerechnet jetzt ist die europäische Windkraftindustrie in Schieflage geraten. Ein jahrelang nur zögerlicher Ausbau der Windenergie und höhere Kosten machen den Unternehmen schwer zu schaffen.

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Europa will weg vom Erdgas und plant eine Ausbauoffensive in der Windenergie. Die Ausbauziele sind gigantisch: Bis 2030 soll die Stromerzeugungskapazität in der Nordsee von aktuell 15 auf 65 Gigawatt wachsen, bis zur Jahrhundertmitte wird eine Verzehnfachung auf 150 Gigawatt angestrebt. Zum Vergleich: Das entspricht etwa der installierten Leistung von 150 mittelgroßen Atomkraftwerken und gut 30 größeren Braunkohlekraftwerken.

Ein großes Hindernis zu diesen Zielen ist: Ausgerechnet jetzt ist die europäische Windkraftindustrie in Schieflage geraten. Ein jahrelang nur zögerlicher Ausbau der Windenergie und höhere Kosten machen den Unternehmen schwer zu schaffen. Beispiel Nordex:

Die Hamburger melden regelmäßig neue Aufträge und dürften diesen Trend wegen der Energiewende beibehalten. Allein im Juni gingen Bestellungen über 105 Megawatt aus Serbien, 369 Megawatt aus Kolumbien sowie 63 Megawatt aus Polen ein. Obwohl Nordex auf einem hohen Auftragsbestand sitzt, gelingt es dem Konzern nicht, diesen in einen profitablen Umsatz zu überführen. Im ersten Quartal sanken die Erlöse um 25 Prozent auf 933 Mio. Euro und das EBIT brach von -28,1 auf -130,5 Mio. Euro ein. Der freie Cashflow war mit -113,5 Mio. Euro auch stark negativ.

Nordex macht für die schlechte Gewinnqualität und den Cashabfluss die Wettbewerbs- und Kostensituation verantwortlich. Gestiegene Rohstoffpreise und Logistikaufwendungen gehören dazu. „Dass Nordex bisher nicht in der Lage ist, sich im Wettbewerbsumfeld zu behaupten und langfristig aus eigener Kraft zu finanzieren, zeigten die letzten Jahre. Seit 2019 führte der Konzern in jedem Jahr eine Kapitalerhöhung durch, um seine Finanzen aufzubessern“, wie die DZ Bank in einer Analyse betont. Nordex schließt nun seine Rotorblattfertigung in Rostock und verlagert die Produktion unter anderem nach Indien und Mexiko.

Noch sind die europäischen Hersteller Schwergewichte im Windkraftanlagenbau. Vestas, Siemens Gamesa, Nordex und Enercon kamen vergangenes Jahr auf einen Weltmarktanteil von einem Drittel. Aber laut dem Branchenverband Global Wind Energy Council sind unter den 15 größten Windturbinenherstellern der Welt schon zehn chinesische Unternehmen.

China ist der mit Abstand größte Investor in erneuerbare Energien in der Welt. Und die Chinesen setzen immer stärker auf die Expansion im Ausland. Die FAZ zitierte Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer des Fachverbands Power Systems im Maschinenbauverband VDMA: „Wir müssen aufpassen, dass es uns nicht wieder so ergeht wie bei der Photovoltaik.“ Europa dürfe sich nach der Sonnenenergie nicht auch noch bei der Windkraft von China abhängig machen.

Doch das Potpourri aus einem langsamen Windkraftausbau in Europa wegen überlanger Genehmigungsverfahren, Bürgerprotesten und restriktive Ausschreibungsverfahren, und drastischen Kostensteigerungen ist Gift für die europäischen Hersteller. Die Windbranche fordert nun „indus­trie­politische Maßnahmen“, um die wachsende Konkurrenz aus Asien auf Abstand halten zu können.

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2 Kommentare

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  • Potzblitz
    Potzblitz

    Ich sag nur: Stasi in die Produktion! Bitte schön sächseln, dann klingt auch besser!

    12:15 Uhr, 06.07.2022
  • 928-AMG
    928-AMG

    "...überlanger Genehmigungsverfahren, Bürgerprotesten und restriktive Ausschreibungsverfahren, und drastischen Kostensteigerungen ist Gift für die europäischen Hersteller...."

    DAS Kernproblem in D und Europa schlechthin seit Jahrzehnten (Jahrhunderten?) bzgl. jeglicher Infrastruktur.

    Hier kann es nur eine Lösung geben: Ausrufung des nationalen Infrastruktur-Notstands : Jegliches Infrastrukturprojekt , Hausbau usw muß innerhalb einer Woche genehmigt sein, danach wird gebaut wie beantragt. Keinerlei private oder Verbandsklagen/Einsprüche mehr möglich. Die dann teils nicht mehr benötigten Amtsstubenbürokraten werden dem Arbeitsmarkt (Baustellen/LKWs fahren/Flughafen- und Gastronomiepersonal) in Form von Hilfskräften zur Verfügung gestellt....

    16:32 Uhr, 05.07.2022

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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