Fundamentale Nachricht
12:03 Uhr, 31.05.2024

EU-Wahlen: Anleger könnten profitieren

Kim Catechis, Investment Strategist beim Franklin Templeton Institute kommentiert die bevorstehenden EU-Wahlen und die Auswirkungen für Anleger.

„An vier Tagen im Juni werden über 350 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union (EU) über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments bis zum Jahr 2029 entscheiden. Dies ist nach Indien die zweitgrößte demokratische Abstimmung der Welt. Etwa 20 Millionen davon werden Erstwähler sein. Wir scheinen an einem Wendepunkt zu stehen; die Mehrheit der Bevölkerung erklärt, dass sie das Vertrauen in die traditionellen, etablierten politischen Parteien verloren habe und einen Wandel wünsche.

Welche Themen stehen im Mittelpunkt?


Aus der letzten Eurobarometer-Umfrage, die vor den Wahlen durchgeführt wurde, geht hervor, dass den Wählern die folgenden Themen am meisten am Herzen liegen:

  • Bekämpfung der Armut und gesellschaftlichen Ausgrenzung (33 %)
  • Unterstützung des Gesundheitswesens (32 %)
  • Wirtschaftsförderung und Schaffung neuer Arbeitsplätze (31 %)
  • Verteidigung und Sicherheit der EU (31 %)
  • Maßnahmen gegen den Klimawandel (27 %)

Die enge Verflechtung dieser Themen ist frappierend. In dieser Legislaturperiode werden die Themen Verteidigung und Sicherheit immer wichtiger, vor allem angesichts des zunehmend willkürlichen und erbitterten Krieges Russlands gegen die benachbarte Ukraine. Etwa acht von zehn Befragten sind der Ansicht, dass die Bedeutung dieser Wahlen höher ist als in der Vergangenheit. Besonders auffällig ist der einheitliche Wunsch, die Position der EU in der Welt zu stärken, wobei Verteidigung (37 %), Nahrungsmittelsicherheit (30 %) und Energiesicherheit (30 %) die drei wichtigsten Themen sind.

Was bedeutet die neue rechte Welle in Europa für Anleger?


Die „große Koalition“ aus EVP und S&D wird (voraussichtlich) immer noch 42 % der Sitze haben (derzeit 45 %), und wenn sie mit der RE-Fraktion kooperiert, käme sie auf 54 %. Die Parlamentsmehrheit stünde rechts der Mitte. Größere Spannungen zwischen Brüssel und den Regierungen der Mitgliedstaaten könnte es unter anderem in Umweltfragen geben, wo sich die neue Mehrheit wahrscheinlich gegen umfassende EU-Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels aussprechen wird. Wir rechnen damit, dass die Bereiche Bürgerrechte, Justiz und Inneres auf die Länderebene verlagert werden, und dass der Schwerpunkt auf der Umsetzung einer restriktiveren Einwanderungspolitik zu einer Überarbeitung des EU-Asylrechts führen wird. Dies wäre ein Sieg für die neuen Populisten, der es den einzelnen Ländern erlauben würde, ihre eigenen Quoten für Flüchtlinge festzulegen.


Es steht zu erwarten, dass die Versuche, die einzelnen Regierungen bei der Einhaltung von Steuervorschriften und sogar bei der Justizreform auf Kurs zu halten, deutlich nachlassen werden, wie es in Ungarn der Fall war. Außerdem könnte es auf der Ebene der einzelnen Regierungen zu einer spürbaren Abschwächung der bestehenden Bestrebungen zur Förderung einer umweltfreundlichen Wirtschaft kommen, und zwar zugunsten der Interessen des ländlichen Raums und der Landwirtschaft. Man sollte sich darauf einstellen, dass noch mehr Versuche unternommen werden, große Technologieunternehmen unter Druck zu setzen.
Für Anleger erscheint uns dieses Szenario überraschend gut. Der gesamte Haushalt und die Haushaltsführung werden wahrscheinlich weiterhin stabil sein. Der Handel dürfte nach wie vor Priorität haben, auch wenn der Prozess des „Risikoabbaus“ gegenüber China weiter voranschreitet. Die europäischen Unternehmen dürften eine deutlichere Unterstützung durch die EU erfahren, insbesondere was den Schutz vor vermeintlich unfairen Wettbewerbern wie China betrifft. Wir glauben, dass das neue Parlament der Landwirtschaft, der Fischerei, der ländlichen Entwicklung, der industriellen Entwicklung und der Forschung Priorität einräumen wird.

Bereiche, die wahrscheinlich nicht mehr im Vordergrund stehen werden

Bereiche, die wahrscheinlich Priorität haben werden

Durchsetzung der EU-Gesetzgebung gegenüber
den Mitgliedstaaten

Grenzkontrolle

Fiskal- und Geldpolitik, unabhängige Justiz

Einwanderungs- und Asylpolitik

Bürgerrechte und nationale Gesetzgebung

Entwicklung ländlicher Regionen: verbesserte Infrastruktur

Umweltpolitik

Landwirtschaft: Nahrungsmittelsicherheit

Green Deal; Netto-Null-Ziele; Renaturierung

Internationaler Handel: ohne Angebot des Marktzugangs

Außenpolitik

Verteidigung und Sicherheit

„Ausgewogene“ Beziehung zu China

Höhere Verteidigungsausgaben auf Länderebene

Freihandelsabkommen

Fortgesetzte Unterstützung der Ukraine

Aus unserer Sicht muss eine Zeit, in der die Fähigkeit zur Durchsetzung gemeinsamer Vorschriften in den Bereichen Wirtschaft, Steuern und Regulierung eingeschränkt ist, langfristig kein strukturelles Problem darstellen. In vier Jahren könnte das Pendel wieder umschlagen!“

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