EU nimmt Wirtschaftsprüfer an die Kandare
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Brüssel (BoerseGo.de) – Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dürfen sich künftig warm anziehen, es wird frostiger. Denn die EU hat die Branche der Wirtschaftsprüfer ins Visier genommen. Der Grund: Die EU hegt erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit der derzeit üblichen Bilanzprüfung.
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier bemängelte am Mittwoch, die vier größten Gesellschaften kontrollierten zusammen 75 Prozent des europäischen Marktes für die Prüfung von Unternehmensabschlüssen. PwC, KPMG, Deloitte und Ernst & Young hätten bei der Bilanzprüfung von Aktiengesellschaften in den meisten EU-Staaten einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent. "Wir denken, dass eine solche Konzentration systemische Risiken nach sich ziehen kann", sagte der Kommissar. Das bedeutet, dass der Ausfall einer Gesellschaft das ganze System bedrohen kann.
Barnier verweist darauf, dass die Finanzkrise große Schwächen der Wirtschaftsprüfer zutage gefördert habe. Sie hätten nicht rechtzeitig vor den in den Bankbilanzen schlummernden Risiken gewarnt. Daraus hätten manche EU-Staaten bereits Schlüsse gezogen und strikte Regeln für Wirtschaftsprüfer erlassen.
Dass ein Unternehmen seine Geschäftsberichte über Jahrzehnte von immer derselben Gesellschaft prüfen lasse, deute womöglich nicht auf die erwünschte Unabhängigkeit hin, heißt es in dem am Mittwoch vorgestellten Grünbuch der Kommission. Missfallen erregt zudem, dass Wirtschaftsprüfer von dem zu prüfenden Unternehmen auch bezahlt werden. Darin sieht die Kommission einen "Systemfehler". Deshalb sei zu überlegen, ob die "Berufung und Bezahlung" einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "in die Verantwortung einer dritten Partei, vielleicht einer Aufsichtsbehörde", übertragen werden müsse. Im Klartext: Unternehmen sollen sich ihre Wirtschaftsprüfer nicht mehr selbst aussuchen, und das Honorar könnte staatlich festgelegt werden.
Der für Finanzdienstleistungen zuständige EU-Kommissar Michel Barnier will dazu ab dem kommenden Jahr einen Gesetzesvorschlag vorlegen. Dem müssten noch die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen.
Barnier startete eine Befragungsaktion mit den Branchenbeteiligten, die bis zum 8. Dezember läuft. "Der Status quo ist keine Option", warnte Barnier. Wann er Gesetzesvorschläge machen will, blieb offen. Die unabhängigen Abschlussprüfer sollen ein Bild eines Unternehmens zeichnen, das den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.
Bei den großen Wirtschaftsprüfern stößt Barnier mit seinen Vorschlägen auf eine breite Front der Ablehnung.
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