Kommentar
12:18 Uhr, 14.10.2021

Energiekrise: Sind erneuerbare Energien Teil der Lösung oder des Problems?

Direktzahlungen an Verbraucher, Einfrierung der Gas- und Strompreise und Steuersenkungen sind nur einige der Maßnahmen, die EU-Länder ergreifen wollen, um der Energiekrise Herr zu werden. Wo aber liegt eigentlich das Problem?

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  • WTI Öl
    ISIN: XC0007924514Kopiert
    Kursstand: 81,30100 $/bbl. (FXCM) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • WTI Öl - WKN: 792451 - ISIN: XC0007924514 - Kurs: 81,30100 $/bbl. (FXCM)

Die Ausgangslage ist je nach Land in Europa unterschiedlich. Wer die hohen Preissteigerungen bei Erdgas in Deutschland sucht, sucht nicht vergeblich, findet aber keine Verdreifachung der Preise. Genau das ist aber geschehen. Der Erdgaspreis hat sich vervielfacht, trotz eines Preisrückgangs in den letzten Tagen. Das trifft einige Länder direkt (Spanien) und andere weniger stark (Deutschland). Auch in Deutschland steigen die Gaspreise. Das ist gerade jetzt ein Problem, da die Wirtschaft besonders viel Erdgas benötigt. Die Lager sind leer und der Winter steht vor der Tür. Gleichzeitig sollen weniger Kohle und Öl verbrannt werden. In der Energiewende kann nicht von heute auf morgen komplett auf Solar und Wind umgestellt werden. Das braucht Zeit und Erdgas wird als Brückenenergieträger gesehen. In Deutschland steigt der Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung seit 2015 stark an. Gäbe es aktuell nicht eine gewisse Knappheit, lägen die Importe vermutlich noch höher. Im gleichen Zeitraum ist der Einsatz von Kohle zur Stromerzeugung deutlich gesunken.


Die Gesamtimporte steigen stetig an (Grafik 2). Ein Großteil der Importe kommt aus Russland, aber auch aus Norwegen kommt ein wesentlicher Anteil. Im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Ländern haben viele Versorger langfristige Lieferverträge abgeschlossen.

Wem die Preisentwicklung der Gasimporte aus Grafik 2 bekannt vorkommt, hat Recht. Man kennt die Entwicklung vom Ölpreis. Gas- und Ölpreis verlaufen in Deutschland parallel (Grafik 3). Die Lieferverträge sind größtenteils langfristig und es gibt eine Preisbindung an den Ölpreis.

Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Dennoch wird der Preisanstieg in Deutschland so gedämpft. Ganz entkommen kann Deutschland dem Trend nicht. Der Gaspreis ist heute deutlich höher als 2018, dem letzten Hoch. Der Ölpreis hingegen befindet sich in etwa auf gleichem Niveau. Gaspreise stiegen zuletzt schneller als der Ölpreis.

Einige europäische Länder haben keine so strikte Preisbindung und auch nicht unbedingt langfristige Lieferverträge. In Spanien zahlen viele Haushalte den gerade gültigen Marktpreis für Erdgas. Dort gehen die Kosten derzeit durch die Decke. Italien hat ein ähnliches Problem. Steuersenkungen sollen den Preisauftrieb entgegenwirken. In Frankreich sollen die Preise eingefroren werden und Haushalte mit niedrigen Einkommen kompensierende Direktzahlungen erhalten.

Da bereits Deutschland ein Preisproblem bei Erdgas und Strom hat, kann man sich ansatzweise vorstellen, wie es im nahen Ausland ist. Doch wie kann man die Energiekrise überwinden und sind erneuerbare Energien eine Lösung?

Zum Teil ist die Energiewende für die Misere mitverantwortlich. Der Einsatz fossiler Brennstoffe wird reduziert. Gleichzeitig ist die notwendige Kompensation noch nicht vorhanden. Die theoretische Kapazität der erneuerbaren Energien reicht aus, um den Strombedarf zu decken. Praxis und Theorie gehen derzeit allerdings auseinander.

Ein wichtiger Stromlieferant sind die nordischen Länder (Wasserkraft). Die Wasserstände sind in Norwegen und Schweden ungewöhnlich tief, in Norwegen für diese Jahreszeit sogar gefährlich tief (Grafik 4). Wie schnell sich die Wasserstände erholen, hängt vom Wetter ab. Im schlimmsten Fall könnte norwegischer Strom aus Wasserkraft auch 2022 zum Teil fehlen.

Nicht nur fehlt es in wichtigen Regionen an Wasser, um Strom zu erzeugen. In anderen Regionen fehlte es in diesem Jahr an Wind und Sonne. Grafik 4 zeigt als Beispiel Großbritannien. Eine negative Abweichung vom Mittel bei Sonnenstunden und Windgeschwindigkeiten gab es auch in vielen anderen Ländern. Die Produktion blieb daher deutlich unter der theoretischen Kapazität.

So kommt momentan alles ungünstig zusammen. Erdgas wird dringend benötigt, ist aber knapp. Die Preise für fossile Brennstoffe steigen aus diesem Grund. Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wiederum ist unter anderem deswegen ungewöhnlich hoch, weil in diesem Jahr die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Manche erkennen darin schon ein Comeback der fossilen Energieträger im Energiemix. Darauf würde ich mich nicht verlassen. Die aktuelle Krise zeigt, wie anfällig die Energieversorgung ist. Die Schlussfolgerung der Politik wird daraus aber nicht sein, dass man noch mehr Kohlekraftwerke bauen muss, sondern vielmehr höhere Reservekapazitäten bei erneuerbaren Energien benötigt. Es ist vielleicht nicht intuitiv, aber die Krise kann Erneuerbaren einen Schub verleihen.

Clemens Schmale


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  • Tüskendör
    Tüskendör

    ... und es wäre gut so.

    13:28 Uhr, 14.10. 2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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