Fundamentale Nachricht
14:27 Uhr, 25.08.2022

Energiekrise: Europas Politik "löscht Feuer mit Benzin"

Da Russland seine Gaslieferungen einschränkt und Kraftwerksausfälle wie in Frankreich die Versorgung weiter beeinträchtigen, sind die Großhandelspreise für Energie in den letzten fünf Jahren auf mehr als das Zehnfache ihres saisonalen Durchschnitts gestiegen.

Die Europäische Politik hat mittlerweile bereits rund 280 Mrd. Euro bereitgestellt, um die Folgen der steigenden Energiepreise für Unternehmen und Verbraucher zu lindern, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. „Die Regierungen auf dem gesamten Kontinent haben ihre Bemühungen hauptsächlich auf die Senkung der Energierechnungen konzentriert (Bsp: Tankrabatt) - ein Ansatz, der das Risiko birgt, die Krise zu verschärfen“.

Programme wie eine Steuersenkung auf Gas in Deutschland oder ein Heizkostenzuschuss in Polen, die nicht an das Einkommensniveau oder die Energieeffizienz geknüpft seien, dürften die Nachfrage eher ankurbeln, als sie einzudämmen, so Bloomberg. „Das ist, als würde man Feuer mit Benzin löschen", sagte Joanna Mackowiak-Pandera, Präsidentin des in Warschau ansässigen Think-Tanks Forum Energii der Finanzagentur. „Wir haben den Tiefpunkt der Krise noch nicht erreicht."

Da Russland seine Gaslieferungen einschränkt und Kraftwerksausfälle wie in Frankreich die Versorgung weiter beeinträchtigen, sind die Großhandelspreise für Energie in den letzten fünf Jahren auf mehr als das Zehnfache ihres saisonalen Durchschnitts gestiegen.

Die Krise spitzte sich zuletzt erneut zu, da Moskau sich darauf vorbereitet, die wichtige Nord-Stream-Pipeline am kommenden Mittwoch wegen angeblicher Wartungsarbeiten erneut abzuschalten. Der Markt sorgt sich schon jetzt, dass es zu einem langfristigen Lieferstopp kommt, der die Bemühungen zur Sicherung ausreichender Gas-Reserven für den Winter gefährden würde.

Seit Ende Juli liegen die Gaslieferungen über Nord Stream 1 wegen des nach wie vor nicht gelösten Streits über die Auslieferungsmodalitäten einer in Kanada gewarteten Turbine nur noch bei 20 Prozent der Pipelinekapazität. Von diesen stark reduzierten Gaslieferungen floss zuletzt rund die Hälfte über die Jamal-Pipeline von Deutschland nach Polen.

Die Gaspreise steigen derweil weiter ungebremst. Der europäische Future aus Gas (TTF) stieg heute um bis zu 4,5 Prozent auf 313,50 Euro je Megawattstunde. Das ist der höchste Stand seit Anfang März, als der Gaspreis wegen der Diskussion um ein Verbot russischer Gaslieferungen mit 335 Euro je Megawattstunde auf einen Rekordwert geklettert war. Der Jahresstrompreis ist auf 600 Euro pro Megawattstunde geklettert. Vor zwei Jahren betrug dieser noch 40 Euro.

Die zunehmende Energiekrise zieht weitere Kreise. Die Bundesbank hat in ihrem Monatsbericht Anfang der Woche darauf hingewiesen, dass wegen der steigenden Gaspreise eine weitere Wachstumsabschwächung insbesondere der deutschen Volkswirtschaft drohen würde. Europas „industrieller Lokomotive“ droht aus Sicht von CMC Markets eine „Abwanderungswelle von Produktionsstandorten, da die Unternehmen vor einer Kostenexplosion stehen und einigen sogar die Pleite droht“.

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • OliveRRR
    OliveRRR

    in den letzten 5 Wochen oder 5 Monaten soll es bestimmt heißen!

    16:34 Uhr, 25.08.2022
  • mariahellwig
    mariahellwig

    Das ist kein europäisches Problem. Auch in China wird er Strom knapp. EIn Abwanderungswelle macht keinen Sinn, der Klimawandel ist ein globales Problem.

    https://www.dw.com/de/in-china-wird-der-strom-knapp/a-62895362

    14:48 Uhr, 25.08.2022

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

Mehr Experten