Fundamentale Nachricht
12:36 Uhr, 26.10.2018

Drei Brexit-Szenarien und ihre Folgen für die Finanzmärkte

Pieter Jansen, Senior Strategist Multi-Asset bei NN Investment Partners, analysiert die drei grundsätzlich möglichen Brexit-Szenarien und ihre potenziellen Folgen für die Finanzmärkte.

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Den Haag (GodmodeTrader.de) - Die Brexit-Gespräche der vergangenen Wochen lassen vermuten, dass es eher unwahrscheinlich ist, wie geplant bis Ende Oktober zu einem Verhandlungsergebnis zu kommen. Eines der größten Probleme ist die Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland, wie Pieter Jansen, Senior Strategist Multi-Asset bei NN Investment Partners, in einer aktuellen Marktanalyse schreibt.

Das sogenannte Karfreitagsabkommen, das die gewaltgeladene Phase des Nordirlandkonflikts beendet habe, schließe eine harte Grenze zwischen beiden Staaten aus. Da Nordirland Teil des Vereinigten Königreichs sei, wäre die innerirische Grenze aber zugleich eine EU-Außengrenze, heißt es weiter.

„Ein weiterer Faktor, der die Sache verkompliziert, ist, dass das britische Parlament einem Verhandlungsergebnis zustimmen muss. Die Konservative Partei von Premierministerin May besitzt im Parlament gemeinsam mit der Nordirischen Democratic Unionist Party DUP nur eine knappe Mehrheit. Und in der Frage, ob es einen harten oder einen weichen Brexit geben soll, gehen die Meinungen im Parlament, in der Konservativen Partei und in der Regierung auseinander. Insofern ist es nicht klar, ob ein von May ausgehandelter Deal auch tatsächlich vom Parlament abgesegnet wird“, so Jansen.

Der Finanzexperte von NN Investment Partners analysiert die drei grundsätzlich möglichen Szenarien und ihre potenziellen Folgen für die Finanzmärkte:

Szenario 1: Keine Vereinbarung - Wahrscheinlichkeit 20 Prozent

Dieses Szenario könne entweder durch das Scheitern der Verhandlungen zwischen der Britischen Regierung und der EU oder durch eine Ablehnung der Vereinbarung durch das britische Parlament eintreten. Die Folge wäre eine chaotische Situation, die wahrscheinlich zu Neuwahlen im Vereinigten Königreich führen würde. Das Fehlen einer Vereinbarung würde eine Kombination aus einem negativen Stimmungsschock und deutlich zunehmenden Handelseinschränkungen bedeuten, heißt es.

„In diesem Szenario erwarten wir einen starken Rückgang des Pfund-Wechselkurses gegenüber den Währungen aller Handelspartner und einen deutlichen Rückgang des Wachstums, was die Britische Wirtschaft in eine Rezession bringen könnte. Zudem würde die Inflation wahrscheinlich durch steigende Importkosten zunehmen. Wir erwarten, dass die Bank von England mit einer deutlichen Lockerung der Geldpolitik reagieren wird, um die Rezession abzumildern. Das Epizentrum wäre das Vereinigte Königreich, aber es gibt auch negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die EU und vor allem auf jene Länder, die viel nach Großbritannien exportieren. Aus Anlegerperspektive erwarten wir Auswirkungen auf riskantere Anlageklassen, Aktien würden unter Druck geraten. Gleichzeitig dürften wir eine Flucht in sichere Anlagen sehen, was weltweit zu fallenden Staatsanleiherenditen führen würde. Die größten Auswirkungen dürfte dieses Szenario jedoch auf britische Vermögenswerte haben. Wir gehen davon aus, dass alle britischen Aktienbereiche in diesem Szenario leiden würden“, so Jansen.

Aufgrund der komplexen politischen Realität lasse sich dieses Szenario nicht ausschließen. Jedoch stehe im Falle einer fehlenden Brexit-Vereinbarung oder ihrer Ablehnung im britischen Parlament zu erwarten, dass es im Vereinigten Königreich zu Neuwahlen käme und dass die Deadline für die Verhandlungen nach hinten verschoben würde, da kein Abkommen allen Beteiligten wehtäte, heißt es weiter.

Szenario 2: Weicher Brexit – Wahrscheinlichkeit 40 Prozent

„Dieses Szenario hätte die geringsten wirtschaftlichen Auswirkungen. Das Vereinigte Königreich bliebe weiterhin Mitglied (eines großen Teils) des Binnenmarkts, was den Handel am wenigsten beeinträchtigen würde. Das bedeutet auch, dass es keine Notwendigkeit für (umfangreiche) Grenzkontrollen zwischen Nordirland und Irland gäbe. Die Herausforderung wäre, dieses Abkommen durch das Parlament zu bekommen, da es von den Befürwortern eines harten Brexits unter den britischen Abgeordneten abgelehnt werden würde. Die Premierministerin müsste sich in diesem Fall auf die Unterstützung einiger Labour-Abgeordneter verlassen“, so Jansen.

Sollte May jedoch erfolgreich sein, würden die wirtschaftlichen Auswirkungen begrenzt sein, und es würde es zu einer „Entlastungsrallye“ kommen, von welcher vor allem britische Werte profitieren dürften. Das britische Pfund würde etwas verlorenes Terrain zurückzugewinnen, das es seit dem Brexit-Referendum eingebüßt habe. Die Bank von England könnte ihren Weg fortsetzen und die Zinsen britischer Staatsanleihen würden steigen. Im Hinblick auf die Aktienmärkte sei davon auszugehen, dass sich die eher inländisch ausgerichteten Unternehmen besser entwickeln würden als international agierende Unternehmen, heißt es weiter.

Szenario 3: Harter Brexit - Wahrscheinlichkeit 40 Prozent

„Tatsächlich unterscheidet sich dieses Szenario nicht so sehr vom ersten. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass der Brexit einem Abkommen mit der EU folgt und dass das Parlament diesem Abkommen zugestimmt hat. Das bedeutet, dass die Auswirkungen wesentlich besser vorhersehbar sein werden. Es wird jedoch eine Herausforderung sein, auch einen Hard Brexit Deal durch das Parlament zu bekommen. Ein harter Brexit impliziert die Notwendigkeit einer harten Grenze zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU und insbesondere der Republik Irland. Premierministerin May wird jedoch von ihren nordirischen Partnern, der DUP, keine Unterstützung für eine harte Grenze bekommen. Der Rückzug der DUP-Unterstützer für die Regierung May kann an sich schon zu einem Sturz der Regierung führen und somit Neuwahlen auslösen“, so Jansen.

Ein hartes Brexit-Szenario werde Auswirkungen auf den Handel und das Wachstum haben – primär in Großbritannien und nur in begrenztem Umfang bei seinen Handelspartnern. Bei einem harten Brexit sei das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des Binnenmarkts, was bedeute, dass Waren vor dem Grenzübertritt verzollt werden müssten. Es könnte zu einer Verlangsamung des Wachstums im Vereinigten Königreich kommen. Ein Teil der Auswirkungen dieses Szenarios seien bereits am Markt eingepreist. Eine zusätzliche, scharfe Reaktion der Finanzmärkte sollte ein harter Brexit daher nicht auslösen, heißt es weiter.

„Das britische Pfund wird sich wahrscheinlich leicht abschwächen, und die Zinszyklen der Bank von England werden eine Pause einlegen. Sollten sich die wirtschaftlichen Bedingungen in Großbritannien verschlechtern, werden wir eine gewisse Umkehr der Zinsschritte sehen. Für die Märkte weltweit erwarten wir nur begrenzte Auswirkungen. Im Hinblick auf britische Aktienwerte erwarten wir, dass international ausgerichtete Unternehmen eine bessere Performance erzielen werden als inländisch orientierte Unternehmen“, so Jansen.

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