Analyse
15:57 Uhr, 06.10.2008

Die KERNschmelze und der DOMINOeffekt

De-Leverage ist das Stichwort der Marktphase seit 2007.

Ausgangspunkt der Krise sind die fallenden Immobilienpreise in den USA und komplexe derivative Produkte, die den amerikanischen Immobilienmarkt zur Basis hatten. Den Amerikanern sind ihre großen Investmentbanken in Windeseile mit einem ohrenbetäubenden Knall wegexplodiert, so schnell konnte man gar nicht hinschauen. Gleichzeitig, pragmatisch wie sie sind, basteln sie ebenso schnell die neuen Giganten der Szenerie zusammen, wie beispielsweise J.P. Morgan, Wells Fargo oder Banc of Amerika.

Aufgrund der Entwicklung am US Immobilienmarkt und Kreditmarkt haben große Bankhäuser weltweit plötzlich Verbindlichkeiten in den Büchern stehen , die das Eigenkapital um das Vielfache übersteigen. Hier liegt das Kernproblem. Wie diese Hebel wieder herausbekommen, ohne dabei kaputtzugehen ?

De-Leverage, das Herunterfahren der gehebelten Assets, ist im Sinne einer Kapitalkontraktion zu sehen. Kapital wird aus allen Asset Klassen abgezogen. Der klassische Dominoeffekt hat eingesetzt. Und nichts kann ihn aufhalten, auch die massiven staatlichen Eingriffe nicht. Hedgefunds werden zwangsliquidiert, Banken stoßen große Aktienpakete ab, klassische Fonds verzeichnen Mittelabflüsse und Hedgefunds shorten die Zwangssituation anderer Hedgefunds, eine Abwärtsspirale sondergleichen hat eingesetzt.

Zunächst Links zu ein paar ansprechenden Kommentaren und Einschätzungen ...

LINK : Potemkinsche Dörfer ? - Datum 01.09.2008

LINK : The Road to Hell – Teil II – Purgatory – das Fegefeuer Datum 03.10.2008 - Uhrzeit 02:00

LINK : Geldpolitische Entscheidungsträger in den USA ziehen die Notbremse Datum 02.10.2008 - Uhrzeit 18:41

LINK : Die Sendung mit der Maus: Was sind Hedge Fonds? Datum 02.10.2008 - Uhrzeit 07:00

LINK : Panik! Jetzt ganz ruhig bleiben ... Datum 30.09.2008 - Uhrzeit 16:37

LINK : Oktober 08 - Globale Vermögensvernichtung! Datum 30.09.2008 - Uhrzeit 00:30

LINK : USA: Das Paulson-Paket – die Rettung? Datum 24.09.2008 - Uhrzeit 08:00

LINK : Bankaktien shorten - Mit Hebelzertifikaten möglich, mit CFDs nicht möglich - Warum ? Datum 25.09.2008 - Uhrzeit 14:35

LINK : Gezeitenwechsel ? Datum 17.09.2008 - Uhrzeit 21:00

De-Leverage, Dominoeffekt, aus allen Sektoren wird Kapital abgezogen; und zwar radikal. Auch und gerade aus dem Rohstoffsektor. Das spekulative, also eher kurzfristig angelegte Kapital und das gehebelte Kapital, verlassen den Rohstoffmarkt. Der Ölpreis stieg ausgehend von 17$ im Jahr 2001 bis auf 147 $ im Juli 2008, das ist ein Anstieg von ca. 850%. Von seinem 147 $ Hoch hat der Ölpreis bisher 35% verloren. Anzeichen einer Bodenbildung sind noch immer nicht zu sehen.

Weder der Anstieg von 100 $ bis 147 $, noch der deutliche Abfall seit Juli, haben in der Form wirklich grundlegend etwas mit der fundamentalen Angebots- und Nachfragesituation zu tun. Erst waren Volkswirte über die Übertreibungsphase bestürzt, der fundamentale Fairvalue von Öl wird mit 80-90 $ angegeben, jetzt mehren sich die Stimmen, die von einer bevorstehenden Untertreibung sprechen. So ist der Markt, er bewegt sich im mittelfristigen Zeitfenster die längste zeit entweder in Über- oder Untertreibungen.

Damals mußten insbesondere große Versicherer Aktienpakete zu Spottpreisen in den Markt geben, weil Sie sonst ihren Verpflichtungen gegenüber den Versicherten nicht hätten nachkommen können. Der DAX verlor zeitweise über 70% seines Wertes, ausgehend vom Allzeithoch. Wohlgemerkt, der DAX, der tendenziell den Wert und die Gewinnentwicklung der deutschen Wirtschaft darstellen soll.

Im Verlauf der zurückliegenden Woche wurde bekannt, dass Guy Wyser-Pratte seinen 500 US-$ schweren Hedgefunds geblockt hat. Kunden können ihre Gelder nicht mehr abziehen. Guy begründet diese Maßnahme damit, dass er die Investoren schützen wolle. Die aktuelle katastrophale Marktphase sei die schlimmste, die er jemals erlebt habe, seitdem er 1960 mit dem Handel begann. Diese Meldung ist stellvertretend für die Meldungen, die nahezu täglich bei uns eingehen.

Insbesondere Hedgefunds handeln auf Margin, sprich sie sind gehebelt im Markt aktiv. Wenn der Markt deutlich gegen sie läuft, müssen sie zwangsliquidieren. Zwangsliquidieren heißt, dass sie keinen Handlungsspiel mehr haben, sondern Positionen zeitnahe zu egal welchen Preisen abstoßen müssen. Die Folge sind crashartige Kursverluste auch oder gerade in Basiswerten, die fundamental stark sind. Fundamentals spielen in solchen Marktphasen keine Rolle! Nein, hier greifen Marktmechanismen.

Die Financial Times berichtete, dass die Hedgefonds gezielt Aktien leerverkaufen, die von anderen Hedgefonds gehalten werden. Daher würde der Goldman Sachs Hedge Fund VIP Index, der die von den Hedgefonds favorisierten Aktien erfasst, gezielt und massiv leerverkauft. Dieser Index fiel bereits am Donnerstag vergangener Woche mehr als 6% und damit überdurchschnittlich stark. In diesem Index sind auch Aktien aus dem Agrar- und Goldminensektor gelistet.

Die dadurch ausgelösten Zwangsliquidierungen führen zu einer Abwärtsspirale bei den betroffenen Aktien und vergrößern die Gewinne aus den Leerverkäufen. Hedgefunds A profitiert von der Zwangssituation von Hedgefunds B. Wenn das mal nicht ein sich selbst kannibalisierender Markt ist ...

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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