Kommentar
10:30 Uhr, 12.08.2016

Die Inflation kommt - aber nur kurz

Die Preise steigen in der Eurozone gerade kräftig. Das dürfte die EZB freuen, doch die Freude wird nur kurz währen.

Inflation - worum es geht

Wenn Notenbanken über Inflation sprechen, dann reden sie für gewöhnlich über Verbraucherpreise. Verbraucherpreise sind nicht gleich Verbraucherpreise. Notenbanken rund um den Globus haben inzwischen ihre eigenen Indizes entwickelt, denen sie Beachtung schenken.

Die USA sind in dieser Hinsicht besonders „fortschrittlich.“ Hier kann man aus mindestens einem Dutzend Indizes wählen. Die Unterschiede können dabei signifikant sein, die Grundtendenz ist jedoch bei den meisten Indizes ähnlich. Diese Grundtendenz zeigte bisher nur moderate Preissteigerungen an.

Für die Eurozone ist moderat nicht der richtige Ausdruck. Hier stagnieren die Preise seit Jahren. Grafik 1 zeigt den harmonisierten Verbraucherpreisindex für die Eurozone, wie er von Eurostat berechnet wird. Seit 2013 schiebt sich der Index seitwärts.

Die Seitwärtsbewegung ist fast schon ein Wunder, wenn man sie mit der Entwicklung der Produzentenpreise vergleicht. Dieser zeigt, wie sich die Preise für Güter entwickeln, die innerhalb eines Wirtschaftsraums hergestellt und verkauft werden. Im Gegensatz zu den Verbraucherpreisen sind somit Importgüter nicht enthalten.

Lesen Sie auch: Steigen die Zinsen auf sehr lange Sicht nicht mehr?

Produzentenpreise geben durch den Ausschluss von Importgütern einen guten Überblick darüber, wie sich die Preise innerhalb eines Landes entwickeln. Wertet zum Beispiel eine Währung ab, dann werden Importe zwangsläufig teurer und erhöhen die Verbraucherpreise. Die Währungsbewegungen sind in den Produzentenpreisen nur indirekt enthalten (z.B. durch bestimmte Vorleistungsgüter).

Im Juni stiegen die Produzentenpreise um 0,7 % gegenüber dem Vormonat Mai

Das war der größte Anstieg seit Jahren. Das weckt gewisse Hoffnungen, dass sich das Preisniveau weiter stabilisiert und vielleicht die Inflation zurückkehrt. Die Sache hat jedoch mehrere Haken. Einerseits ist die Preisveränderung auf Jahressicht (Grafik 2) noch immer stark negativ; andererseits sind die Produzentenpreise stark von den Energiepreisen abhängig. Der Vergleich mit dem Ölpreis zeigt dies.
Der Anstieg der Produzentenpreise im Juni ist fast ausschließlich auf die Entwicklung der Rohstoffpreise zurückzuführen. Bis sich dieser Preisanstieg auch in signifikant steigende Verbraucherpreise durcharbeitet, dauert es Monate. Da der Ölpreis nun schon wieder fällt, kann man nicht davon ausgehen, dass Preissteigerungen auf Produzentenseite bald ihren Weg in die Verbraucherpreise finden.

Vielmehr muss man aktuell davon ausgehen, dass sich die Inflation auf Sicht eines weiteren Jahres nicht vom Fleck bewegen wird. Dazu tragen die weiterhin niedrigen Energiepreise bei, aber auch der Eurowechselkurs, der sich nun seit einem Jahr nicht mehr groß bewegt hat. Die EZB ließ bei ihrer letzten Pressekonferenz deutlich durchblicken, dass die Abwärtsrisiken nach wie vor überwiegen.

Produzentenpreise sind der Schlüssel zur Inflation

Die Abwärtsrisiken bleiben solange vorhanden, solange die Produzentenpreise (exkl. Energie) nicht wieder nachhaltig ansteigen. Die EZB redet zwar fast ausschließlich von den Verbraucherpreisen, doch ausschlaggebend für die Risiken sind vermutlich mehr die Produzentenpreise. Sie zeigen, ob ein inländischer Preisdruck aufkommt oder ob weiterhin deflationäre Tendenzen überwiegen.

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Es ist unwahrscheinlich, dass die Produzentenpreise jenseits von Rohstoffpreisen in naher Zukunft Aufwärtsdruck erfahren werden. Dazu fehlt es nach wie vor an Nachfrage und an Aufwärtsdruck bei Löhnen. Unter diesen Umständen würde es sehr verwundern, wenn die EZB ihr QE Programm wie bisher geplant bereits im März 2017 beenden würde. Vielmehr steht bald die Ankündigung einer Verlängerung an.

Der Hauch von Inflation am kurzfristigen Zeithorizont wird sich schnell wieder relativieren. Inflation bleibt auf absehbare Zeit in der Eurozone nicht in Sicht.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • AndiMo
    AndiMo

    Warum benötigen wir (normale Bürger) überhaupt Inflation?

    Ich brauche keine.

    22:10 Uhr, 12.08.2016
  • Wurzel-Sepp
    Wurzel-Sepp

    @Clemens Schmale: Spätestens ab Dezember 2016 / Januar 2017 lässt der Basiseffekt des in 2014 bis 2015 gesunkenen Ölpreises nach. Im Vorjahresvergleich wird Öl dann im Vorjahresvergleich voraussichtlich konstant oder teurer sein. Das trifft dann Produzenten und Verbraucher sofort an der Zapfsäule und verspätet, wenn die Nebenkostenabrechnungen im Frühjahr 2018 ins Haus flattern.

    13:20 Uhr, 12.08.2016
  • Elchness
    Elchness

    Naja, die von den Notenbanken/ der Politik beachtete Inflation mag in DE niedrig sein. Als Bürger sieht man aber bei jedem Einkauf, dass es anders aussieht:

    Ohne Berücksichtigung der Energie hätte die jährliche Inflationsrate im Juli bei plus 1,3 (Juni: 1,1) Prozent gelegen.

    Der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln hat sich im Juli deutlich beschleunigt. Sie verteuerten sich zum Vorjahresmonat um 1,1 Prozent nach lediglich 0,1 Prozent im Juni.

    Quelle: Guidants News

    Aus deutscher Sicht dürfte die EZB im März also gerne mit QE aufhören.

    10:53 Uhr, 12.08.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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