Deutsche Aktienrente? Dieser Fonds ist das Vorbild
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Der norwegische Staatsfonds hat inzwischen eine Vorbildfunktion, und das nicht nur für institutionelle, sondern auch für private Anleger. Seine Qualitäten liegen auf der Hand: Diversifiziert, robust und transparent ist der Fonds – und seine Rendite kann sich auch sehen lassen. Spätestens seit Herbst 2017, als man die magische Marke von 1 Billion USD Fondsvolumen knackte, ist das norwegische Staatsvehikel in aller Munde. Sein Ziel ist klar: Investieren (nicht sparen!), damit die Finanzierung des Sozialstaats für künftige Generationen gesichert ist. Ein Vorbild für Deutschland? Die Stimmen wurden in den letzten Jahren immer lauter und verschafften sich auch in den entsprechenden politischen Gremien Gehör.
Aber wusstet ihr, dass es bereits einen deutschen Staatsfonds gibt? Dieser nennt sich “Kenfo” und kann immerhin ein beträchtliches Vermögen von aktuell 20,5 Milliarden EUR sein Eigen nennen. Nach den Plänen von Bundesfinanzminister Christian Lindner soll die Stiftung des Staatsfonds künftig auch für die Verwaltung und Geldanlage der Aktienrente zuständig sein. Medial fristet Kenfo aber ein recht tristes Dasein – kaum jemand kennt den deutschen Staatsfonds. Zu Unrecht, wie wir finden. Grund genug, um den Fonds einmal genauer vorzustellen.
Die Geburt des Kenfo
Kenfo ist ein öffentlich-rechtlicher Fonds, der die kostspielige kerntechnische Entsorgung finanzieren soll. Deshalb wird er auch als „Atomfonds“ oder “Entsorgungsfonds” bezeichnet. Die Idee hinter Kenfo: Die Betreiber der Kernkraftwerke zahlen in einen Fonds ein und mit diesem Geld will der Bund über mehrere Jahrzehnte hinweg die Entsorgung der radioaktiven Abfälle finanzieren. Und so wurde Kenfo im Juni 2017 als Stiftung öffentlichen Rechts aus der Taufe gehoben und mit einem Kapital von 24 Milliarden EUR gefüttert.
Es handelt sich dabei nicht nur um den ersten deutschen Staatsfonds, sondern auch um die erste öffentlich-rechtliche Stiftung. Geleitet wird sie von der Vorstandsvorsitzenden Anja Mikus, die zugleich auch als Chief Investment Officer fungiert. Mikus gilt als Investmentexpertin mit einigen Meriten – sie war unter anderem in den Bereichen Assetmanagement und Portfoliomanagement tätig und saß im Aufsichtsrat der Commerzbank.
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So investiert Kenfo
Wie es von einem deutschen Staatsfonds vermutlich zu erwarten ist, wird das Kenfo-Vermögen breit gestreut, um das Risiko zu minimieren. Das Portfolio beinhaltet zahlreiche Assetklassen, Investmentstile, Regionen und Branchen – eine Art Allwetter-Portfolio. Aufgrund der Historie und Mission des Fonds wird besonders auf Nachhaltigkeit bzw. Umweltschutz geachtet. Hier einige Key Facts zu Kenfo:
- Der Anlagehorizont ist mit 80 Jahren ultra-langfristig
- Kenfo ist in über 9000 Einzelpositionen und in über 90 Ländern investiert
- Die Zielrendite beträgt 4,15 % (Stand 9. Mai 2023; davor 3,65 %)
- Der Fonds wird aktiv gemanagt (Angaben zu Managementkosten sucht man jedoch vergeblich)
- Im Jahr 2050 soll der Staatsfonds klimaneutral sein
Zur Strategie des Fonds sagte die Vorstandsvorsitzende Anja Mikus im Interview mit Capital:
„Es geht vor allem um eine gute Diversifikation über unterschiedliche Anlageklassen und -zeitpunkte hinweg. Keiner hat eine Glaskugel, die die zukünftige Entwicklung der Kapitalmärkte zeigt, deshalb braucht so ein großes Vermögen auch ein passgenaues Risikomanagement. Das haben wir aufgebaut, es funktioniert bisher gut, auch in den schwierigen Phasen.“
Anja Mikus, CEO von Kenfo, im Interview mit Capital
So sieht die Asset Allocation aus
Die größten Einzelpositionen
Die mit Abstand größte Einzelposition im Gesamtportfolio sind US-amerikanische Staatsanleihen mit einer Gewichtung von 2,3 %. Alle anderen Einzelwerte machen jeweils weniger als 1 % aus. Die größte Aktienposition im Kenfo ist Taiwan Semiconductor (TSMC) mit 0,45 %. Wie gesagt: Der Fonds ist breit gestreut und birgt nicht, wie einige bekannte ETF-Schwergewichte, ein Klumpenrisko.
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Die Performance von Kenfo im Vergleich
Das Börsenjahr 2022 war bekanntlich eines der schlechtesten aller Zeiten. So war auch der deutsche Staatsfonds nicht vor Verlusten gefeit. Weil Kenfo aber sehr defensiv aufgestellt ist, war das Minus im Vergleich noch einigermaßen erträglich.
2020 | 2021 | 2022 | |
Kenfo | 8,3 % | 10,4 % | -12,2 % |
Norwegischer Staatsfonds | 10,9 % | 14,5 % | -14,4 % |
MSCI World | 13,5 % | 31,07 % | -12,78 % |
Ein Vergleich mit dem norwegischen Staatsfonds
Die norwegische Regierung zahlt seit 1998 in ihren Staatsfonds die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft ein, um sie für zukünftige Generationen, für die Zeit nach dem Öl, zu sichern. Die durchschnittliche Rendite des weltweit größten Fonds beträgt 5,8 %. Das ist mehr, als sich das Kenfo-Management für ihren Fonds vornimmt und einfach damit zu erklären, dass die norwegische Regierung mit einem recht hohen Aktienanteil – zurzeit ca. 67 % – deutlich risikofreudiger ist. Norwegens Staatsfonds hält auch relativ hohe Anteile an US-amerikanischen Tech-Unternehmen – womit sich auch erklären lässt, dass das Staatsvehikel im ersten Halbjahr 2023 schon eine Rendite von 10 % erwirtschaften konnte.
Kenfo Vorbild für die Aktienrente?
Die Strukturen des Kenfo sollen für die Aktienrente genutzt werden. Das Bundesministerium der Finanzen sagte Anfang dieses Jahres gegenüber dem Private Banking Magazin:
„Das Bundesfinanzministerium beabsichtigt, in Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium, die operativen Strukturen des Kenfo für das Vorhaben zu nutzen. Der Bund verfügt mit der Kenfo-Stiftung über eine Institution, die bereits professionell aktive und passive Kapitalanlagen tätigt.“
Bundesfinanzministerium ggü. dem Private Banking Magazin
Zum Hintergrund: Die Bundesregierung will mit einem Kapitalstock das Umlagesystem der gesetzlichen Rente verbessern. Für die Aktienrente – bzw. das sogenannte Generationenkapital – plant das Bundesfinanzministerium zunächst 10 Milliarden EUR anzulegen. Bis 2024 wird dieses Kapital auf 12 Milliarden EUR aufgestockt und die investierte Summe jedes Jahr um 3 % erhöht. So sollen bis 2035 200 Milliarden EUR angehäuft werden werden, um den Steuerzahler bzw. künftige Beitragszahler zu entlasten.
Eine subjektive Einschätzung der Goldesel-Redaktion
Der Kenfo ist ein gutes Mittel, um beim Thema kapitalgedeckte Altersvorsorge endlich mal einen Fuß in die Tür zu bekommen. Über die strategische Asset Allocation des Fonds lässt sich natürlich diskutieren; beispielsweise, ob der Aktienanteil angesichts des ultralangen Anlegehorizonts nicht angehoben werden könnte. Es ist aber ohnehin davon auszugehen, dass die Kenfo-Stiftung bei der Aktienrente strategisch anders vorgehen wird als beim “Atomfonds”, der schlichtweg anderen Zielen unterliegt.
Entscheidend ist: Der Kenfo wird von echten Kapitalmarktexperten gemanagt und – ganz wichtig – unterliegt keiner politischen Agenda. Anja Mikus und ihr Team zeigen, was viele Investmentexperten vermutlich nicht geglaubt hätten: Der Staat kann durchaus anlegen. Fragt sich nur, warum das nicht offensiver nach außen getragen wird. Den Kenfo kennt kaum jemand und die Bundesregierung macht auch praktisch nichts, um ihn populärer zu machen. Das ist schade, denn wenn man den ersten deutschen Staatsfonds als Erfolg verkaufen kann, käme das der deutschen Anlegerkultur zugute.
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