Kommentar
16:44 Uhr, 01.09.2015

Der Chart, der nicht existieren darf

Die angehängte Grafik stellt den Leitzins, die Inflation und die Inflationserwartungen in Form von 10-jährigen Anleihen dar und legt damit eine sehr explosive Schlussfolgerung nahe, denn laut den gängigen ökonomischen Modellen dürfte sich dieses Bild überhaupt nicht zeichnen lassen.

Seit 20009 befindet sich die Federal Funds Rate an der Nullzinsuntergrenze und de facto hat die Fed damit einen Leitzins-Peg etabliert.

Das Problem ist dabei leider, dass Zins-Pegs laut Schulbuch eigentlich zu Instabilität führen sollten. Der Keynesianer beispielsweise muss davon überzeugt sein, dass die Nullzinspolitik unweigerlich in einer großen Deflationsspirale enden wird, während der traditionelle Monetarist fest davon überzeugt ist, dass damit die Saat für die kommende Hyperinflation ausgebracht ist. Nur ein Zustand scheint eigentlich ausgeschlossen: Der real existierende.

Seit der Finanzkreise hat sich eine im wahrsten Sinne des Wortes unheimlich stabile Situation entwickelt, für die es derzeit kaum (wissenschaftliche) Erklärungen gibt. Ist es der Weisheit und Voraussicht einer allmächtigen Zentralbank geschuldet, dass die wirtschaftlichen Modelle so grandios versagen, oder handelte es sich dabei um reine Luftschlösser?

Der grummelige John Cochrane stellt die vielleicht interessantere, weil relevantere Frage, was eigentlich passiert, wenn die Fed dieses stabile System per Leitzinsanhebung aus seinem Gleichgewicht bringt.

Etwa Inflation? Warum eigentlich nicht? Ich habe diese Idee von Cochrane in der Vergangenheit schon einmal vorgestellt.

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11 Kommentare

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  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Unheimlich stabile Situation............... Die Betonung liegt dabei auf unheimlich, oder sollte man besser sagen, gespenstisch stabil?

    Wenn die Sitation eintritt, in welcher die Märkte nicht mehr auf die Eingriffe der Zentralplaner reagieren, dann wird die Situation jedoch sehr schnell sehr instabil, wie z.B. gerade in China

    06:43 Uhr, 02.09.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Gone Fishing
    Gone Fishing

    Zwei entscheidende Faktoren werden von den ökonomischen Modellen nicht berücksichtigt (insbesondere was Europa betrifft):

    - sinkende Zinsen werden durch zeitgleiche Steuererhöhungen konterkariert

    - das Geld das Draghi druckt fliesst Richtung Deutschland und England als "noch sichere Häfen" und verursacht dort allenfalls einen Anstieg der Immobilienpreise. Dort wo es benötigt wird kommt es gar nicht an, die Zinsen sind dort höher als vor der Krise und die restriktive Kreditvergabepolitik der Banken tut ein übriges

    - die "reale" Inflation haben wir schon seit dem Tag der Einführung des Euro und in allen EU-Ländern, bloss in der Statistik nicht;

    - analog sind die Energiepreise gesunken, um 50%, bloss beim Verbraucher eben nicht

    - Banken haben seit der Krise das Geschätsmodell verlagert und vergeben Kredite an vornehmlich an Staaten - oder werden von Staaten gerettet - hier liegt die reale gefährliche Entwicklung.

    21:43 Uhr, 01.09.2015
    2 Antworten anzeigen
  • einfach
    einfach

    in allen staatsverschuldungssystemen die auf zinsen basieren fehlt die erkenntnis der selbstbestrafung.

    anstatt die staatsausgaben als investitionen in die gesellschaft zu sehen, steht im vordergrund nur eine leistungs und risikolose verdienstmöglichkeit von kapitalhaltern (hauptsächlich banken versicherungen und pensionsfonds). diesen kapitalhaltern wird, da ja auch die meisten politiker auf der suche nach leistungs und risikolosen investitionsmöglichkeiten sind eine kollektive strafgebühr namens zinsen aller zahlungsfähigen mitbürger zugeteilt.

    es wäre viel sinnvoller aber mitunter auch manchmal etwas riskanter, kapital in reale projekte zu investieren, die eine gewinnmöglichkeit haben und diese möglichen gewinne oder auch manchmal entstehenden verluste als rendite zu betrachten, anstatt eine kollektive zins bestrafung als rendite zu sehen.

    von jedem euro den ein staat in seine eigene infrastruktur und bildung investiert fließen mindestens 0,6 € wieder zurück (mehrwertsteuer 25 %, einkommenssteuer im schnitt 25 %, mineralölsteuer, stromsteuern, gassteuer, genussteuern und noch einige mehr).

    wir sollten wirklich langsam anfangen umzudenken und uns nicht länger bestrafen.

    gruß

    einfach so.

    21:26 Uhr, 01.09.2015
  • Gargol
    Gargol

    Es ist schon mutig, den aktuellen Zustand in dem sich das Finanzsystem weltweit befindet als stabil zu bezeichnen. Seit der Hypothekenkrise und Bankenkrise in den USA jagt eine Hiobsmeldung nach der anderen über die Märkte. Auch der Zustand der Nullzinspolitik hat daran nicht wirklich etwas geändert. Länder wie Griechenland, China, Japan und Argentinien werden aus unterschiedlichen Gründen die aktuelle Situation keinesfalls als stabil ansehen.

    Was wissenschaftlich nicht erforscht ist, weil wir mitten im Versuch stecken und in den Medien aus guten Gründen immer weniger Ressonanz findet, muß nicht stabil sein. Ich fühle mich eher wie vor einem Tsunami, wenn das Wasser zurückweicht. Wir erreichen statt Stabilität ein Niveau noch nie gesehener hemmungsloser Gesetzesbrüche bei bestehenden Regularien und rigoroser Eingriffe in die Funktionsweise von Märkten mit Repressionen die zum Teil erst im Gefängnis enden, wie jetzt in China zu beobachten.

    Staaten und Zentralbanken "vergessen" was die Märkte über viele Jahrzehnte im Gleichgewicht hielt, nämlich die Geldnachfrage und das Geldangebot, das dem Güterangebot und der Wertschöpfung langfristig entsprechen muß.

    Die Bombe der aktuellen Nullzinspolitik tickt, bei Pensionsfonds, Bausparern, Versicherungen, Betriebsrentenansprüchen und den Staatsanleihen vieler Länder. Die aktuelle Situation wegen der vermeintlichen Ruhe fortzuschreiben heißt, die Konsequenzen der aktuellen Zinspolitik zu verdrängen und diese weiter zu verschärfen.

    Da eine solide Buchhaltung immer noch einer Gegenbuchung bedarf und jeder Schulder einen Gläubiger hat, der schon aus ganz normalem unternehmerischen Handeln heraus einen wirtschaftlich vernünftigen Zins für sein Tun erwirtschaften muß, werden wir die vermeintliche Stabilität vielleicht doch noch teuer bezahlen, oder unsere Kinder tun es.

    Das Experiment geht weiter. Ergebnis offen.

    18:14 Uhr, 01.09.2015
    3 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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