Fundamentale Nachricht
16:12 Uhr, 31.05.2022

Der 90 %-Öl-Importstopp aus Brüssel

Die EU-Staaten haben sich im Streit um das geplante Öl-Embargo gegen Russland auf einen Kompromiss verständigt. Vorerst sollen nur russische Öl-Lieferungen über den Seeweg unterbunden werden. Per Pipeline erfolgende Transporte werden zunächst weiter möglich sein.

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  • Brent Crude Öl
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    Kursstand: 121,68500 $/bbl. (FXCM) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Brüssel/ New York (Godmode-Trader.de) - Nach wochenlangem Stillstand haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in der Nacht auf Dienstag darauf geeinigt, den größten Teil des Rohölflusses, den sie aus Russland beziehen, abzuschalten. Während die technischen Details noch ausgehandelt werden müssen, unterbindet die Vereinbarung den Kauf von Rohöl und Ölprodukten, die Russland auf dem Seeweg in die EU-Staaten liefert.

Durch die Maßnahmen werden mehr als zwei Drittel des von der EU erworbenen russischen Rohöls storniert. Deutschland und Polen sollen zusätzlich zugesagt haben, kein Pipeline-Öl mehr zu kaufen, so dass sich der Importstopp bis Ende des Jahres auf etwa 90 Prozent ausweiten soll. Dies ist das wichtigste Ergebnis des sechsten Sanktionspakets, das sich auch gegen weitere russische Banken wie die Sberbank richtet.

Wie bei den meisten EU-Beschlüssen handelte es sich um einen Kompromiss zwischen den 27 Mitgliedsstaaten. Es gelang nur, nachdem sich Viktor Orban eine Ausnahmeregelung für Ungarn erarbeitet hatte, während andere Staaten ebenfalls Spielraum zugestanden wurde.

Ziel des 90-Prozent-Embargos ist es, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Möglichkeit zu nehmen, den Krieg zu finanzieren. Der Kreml soll gezwungen werden, seinen Treibstoff anderswo zu verkaufen - und zwar mit Preisrabatten. Der Chef der EU-Außenpolitik, Josep Borrell, begrüßte diesen Schritt als „bahnbrechende Entscheidung, um die Kriegsmaschinerie [des russischen Präsidenten Wladimir] Putin zu lähmen".

Der belgische Premierminister Alexander De Croo signalisierte hingegen, dass dies „der vorläufige Endpunkt" dessen sei, was er im Energiebereich zustimmen könne. Die Aussagen lassen vermuten, dass eine EU-weite Vereinbarung zur Einstellung der Erdgasimporte aus Russland ein Ding der Unmöglichkeit wird. Die Bundesregierung strebt dennoch an, bis zum Sommer 2024 weitgehend unabhängig von russischem Gas zu werden.

Die unmittelbare Folge des Teil-Embargos war ein Anstieg der Ölpreise am Dienstag, der sich gewaschen hat. Der Brent-Preis ist auf den höchsten Stand seit gut zwei Monaten gestiegen. Das heißt auch: Jedes verkaufte Barrel Öl füllt die Kriegskasse des Kremls noch mehr. Nach Schätzungen der EU-Denkfabrik Bruegel gaben EU-Staaten bis vor Kurzem noch täglich 450 Mio. Euro für Öl aus Russland aus sowie 400 Mio. für Gas.

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Aus Sicht des Bundesverbands der Deutschen Industrie wird der Importstopp Russland dennoch treffen. Für den russischen Staat sei der Verkauf von Öl die wichtigste Einnahmequelle, erklärte Industriepräsident Siegfried Russwurm am Dienstag: „Ein europäisches Ölembargo ist ein außerordentlich drastischer Schritt, auch wenn sich die deutschen Unternehmen seit Wochen auf diese Sanktionsmaßnahme vorbereiten.“ Die deutsche Industrie unterstütze die Entscheidung der Bundesregierung und der EU für ein Embargo. Zentral sei nun, in der Ausgestaltung des Ölembargos innerhalb der EU Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, so Russwurm.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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