Kommentar
14:03 Uhr, 17.05.2014

Der 10 Billionen-Dollar-Mann

Melvin Luther Watt ist seit Anfang dieses Jahres Direktor der FHFA (Federal Housing Finance Agency) und ist damit einer der mächtigsten Männer im erweiterten amerikanischen Finanzsystem.

Mächtig?

Alle Einfamilienhäuser in den USA zusammengenommen haben den unglaublichen Wert von 20 Billionen US-Dollar. Der Hypothekenmarkt in diesem Bereich ist rund 10 Billionen US-Dollar schwer und wird zu großen Teilen von den Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac dominiert.

Die FHFA wiederum kontrolliert diese beiden Kolosse, was „Mel“ Watt damit (fast) zum 10-Billionen-Mann macht. Selbst Fed-Chefin Janet Yellen sieht da bilanztechnisch ziemlich alt aus.

Man hängt sich auch wahrscheinlich nicht all zu weit aus dem Fenster mit der Behauptung, dass der US-Hausmarkt der größte existierende Geldautomat im weltweiten Finanzsystem war und weiterhin ist. Hier wird anders als in der "Liberty Street" wirkliches Geld gedruckt, sprich Kredit in großem Stil geschaffen, welcher dann von Fannie und Freddie veredelt und anschließend von der Wall Street mit Hebel ausgestattet wird. Der Immobilienmarkt fungiert also im Prinzip als Tunnel, über den je nach Sichtweise Wohlstand Richtung „Main Street“ oder „Wall Street“ gepumpt wird.

Dies als kurze Einleitung, um das Gewicht von Mel Watt besser einschätzbar zu machen.

Fannie und Freddie sind eines der großen und nach wie vor ungelösten Probleme, und sollten nach dem Willen von Obama eigentlich schrittweise abgewickelt werden, weil sie als quasi-staatliche Unternehmen ein zu großes Risiko für den Steuerzahler darstellen.

Eigentlich. Denn vergangenen Dienstag nun hat der Oberaufseher seine erste größere Rede gehalten..

Die formulierten Aussagen sind nur schwer in ihrer Bedeutung zu messen, denn alles in allem strotzen sie nur so von Unspektakulärheiten. Auf der anderen Seite werden dann aber teilweise per Nebensatz Fakten geschaffen, welche meiner Meinung nach potentiell schwerwiegende Folgen haben können.

Gleich im Eingang der Rede schon erteilt Watts den Erwartungen, dass der Rückbau bzw. die Privatisierung von F&F irgendwo auf der Agenda steht, eine klare Absage. Dies sei schließlich Aufgabe der Regierung:

„I am well aware, and regularly express my belief, that conservatorship should never be viewed as permanent or as a desirable end state and that housing finance reform is necessary. However, Congress and the Administration have the important job of deciding on housing finance reform legislation, not FHFA.„

Das ist so nur halb-richtig, denn die FHFA hat eben doch die Autorität die Verstaatlichung aufzuheben, wie Watts dann später in der Q&A-Session eingestehen musste:

„Well clearly we have the authority to end the conservatorship. It's in the statute. The statute gave us the authority to start it and it goes with that the authority to end it. But the alternatives would not be desirable alternatives.“

Mel Watts schiebt den Schwarzen Peter also an Kongress und Administration weiter - wohl wissend, dass sowohl Demokraten als auch Republikaner alle Reformversuche Obama's abschmettern und blockieren.

Nachdem nun relativ klar ist, dass die Geschäfte auf unbestimmt „as usual“ fortgesetzt werden, geht man an die ersten Lockerungsübungen. Nichts Weltbewegendes, aber immerhin:

„As the Enterprises announced yesterday, they are going to relax the payment history requirement for granting representation and warranty relief by allowing two delinquent payments in the first 36 months after acquisition.“

Das Zahlungsverhalten in der Vergangenheit wird zum Beispiel weniger ernst genommen, und Kreditnehmer dürfen auch mal eine Zahlung verpassen, um in den Genuss von bestimmten Erleichterungen zu kommen.

Weiter erteilt Watt einer Reduzierung des maximalen Schulden-Einkommensquotienten die Absage..

„The first one involves loans with debt-to-income ratios above 43 percent. Current Fannie Mae and Freddie Mac guidelines make some of these loans eligible for purchase when the borrower has other compensating strengths. FHFA will continue to permit these compensating factors in each company’s underwriting standards.„

..um dann die ursprünglich vorgesehene Reduzierung des Kreditlimits (max. Größe der Hypotheken, mit denen F&F hantieren dürfen) auf $400.000 bzw. $600.000 in Hochpreislagen zu kassieren:

„I am announcing today that FHFA will not use its authority as conservator to reduce current loan limits. This decision is motivated by concerns about how such a reduction could adversely impact the health of the current housing finance market.“

Also auch hier keine Reduzierung des „Footprints“.

In der weiteren Rede stellt Mel Watt einige positive Dinge und Pilotprojekte vor. Beispielsweise wird die Reduzierung der Hauseigenen MBS-Portfoli von F&F unverändert umgesetzt, so dass diese wie geplant im Jahr 2018 bei jeweils „nur noch“ $250 Mrd liegen werden.

Gegen Ende muss man dann aber doch wieder mehrmals nachlesen, bis man die dann folgenden Aussagen richtig einschätzen und interpretieren kann, bzw. merkt, was sie eigentlich nicht sagen:

„Moving forward, we will focus our efforts on creating a Common Securitization Platform that can undertake Fannie Mae and Freddie Mac’s current securitization operations.“

Ursprünglich war vorgesehen, dass eine Verbriefungs-Plattform entwickelt wird, welche dann von F&F gemeinsam , sowie von den zukünftigen Nachfolgern genutzt werden kann.

Diese Pläne werden nun durch die Blume ad acta gelegt, da angeblich zu riskant. Das gegenwärtig entwickelte System wird zukünftig nur von F&F nutzbar sein – die Weiterentwicklung könne warten, bis man Genaueres über den zukünftigen Stand der Dinge wisse.

Man zeigt sich also leider (das ist meine Interpretation) innerhalb der MBS-Industrie wenig gewillt, die IT-technischen Grundlagen für die eigene Auflösung zu liefern.

Abschließende Meinung:

Die Häuserpreis steigen, aber der US-Immobilienmarkt steckt weiterhin (wieder zunehmend) in Schwierigkeiten. Neue Hypotheken werden kaum aufgenommen, weil der Durchschnittsamerikaner weiterhin fleißig am Reparieren seiner Bilanz ist.

Gleichzeitig ist der Häusermarkt aber von ausschlaggebender Bedeutung für die vollständige Wiederinbetriebnahme der amerikanischen Kreditmaschinerie. Alternativen dazu gibt es nach wie vor leider nur wenige.

Natürlich präsentiert sich die Rede vom Charakter her recht leidenschaftslos und unschuldig und ich gebe zu, dass man geteilter Meinung sein kann. Trotzdem beschleicht mich der leise Verdacht, dass echte Reformen des Immobilienmarktes aus Angst den wackeligen Markt zu vergraulen seit dieser Woche sehr diplomatisch in weite Ferne gerückt wurden.

Simon Hauser

Wenn Sie an einer "alternativen" Sicht der Wirtschaft interessiert sind, folgen Sie mir auf Guidants!

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Über den Experten

Simon Hauser
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Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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