Kommentar
12:36 Uhr, 26.04.2023

Das unkalkulierbare Risiko der Banken

Das Bankensystem ist viel sicherer als 2008 und es droht keine Gefahr: Solche Beteuerungen hört man immer wieder. Doch in den Bankbilanzen schlummern Gefahren, die niemand genau beziffern kann.

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  • First Rep.Bank San Fr.(New)
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  • First Rep.Bank San Fr.(New) - Kurs: 8,100 $ (NYSE)

Dass die US-Bankenkrise nicht ausgestanden ist, zeigt der jüngste Kursrutsch der First Republic Bank eindrücklich. Nachdem das Geldhaus am Montagabend über einen Mittelabfluss in Höhe von 72 Mrd. USD im ersten Quartal berichtet hatte, gerieten die Aktien der Bank unter Druck und beendeten den Handel am Dienstag mit einem Minus von fast 50 %.

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Erstaunlich ist der Kursrutsch auch deshalb, weil das Weiße Haus, die US-Notenbank Fed und das US-Finanzministerium Medienberichten zufolge an einem neuen Rettungspaket für die Regionalbank arbeiten, nachdem mehrere Großbanken erst im März 30 Mrd. USD an Einlagen bereitgestellt hatten. Doch wie die Ratingagentur Fitch am Dienstagabend anmerkte, könnte eine Rettung der Bank "sehr herausfordernd" werden. Würde die Bank gerettet werden, zum Beispiel indem Vermögenswerte in eine Art Bad Bank überführt werden, müssten zunächst riesige Abschreibungen auf das Hypothekendarlehensbuch der Bank und ihr Wertpapierportfolio vorgenommen werden. Und genau diese Abschreibungen, bei denen der in den Bilanzen vermerkte buchmäßige Wert an die Realität (also den Marktwert) angeglichen wird, ist das Problem.

Letzlich wurde auch der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank dadurch ausgelöst, dass die Bank sich um frisches Eigenkapital bemühte und im Vorfeld Abschreibungen in ihrem Anleihenportfolio vornehmen musste. Wegen der stark gestiegenen Zinsen waren viele Positionen "unter Wasser", also weniger wert, als es in den Büchern vermerkt war. Erst durch diese Abschreibungen wurden die Probleme der Bank offensichtlich, was dann dazu führte, dass Anleger im großen Stil Geld abzogen und damit einen Bank Run auslösten.

Wie groß die Risiken insgesamt sind, die in den Bilanzen der Banken schlummern, weiß derzeit kein Mensch. Die Probleme sind dabei keineswegs auf US-Regionalbanken beschränkt. Zwar besteht ein besonderes Problem der kleineren US-Banken darin, dass diese große Teile ihres Wertpapierportfolios nicht nach Marktwert bewerten müssen, wodurch sich riesige Fehlbewertungen in den Bilanzen ansammeln können. Erst wenn die Wertpapiere verkauft werden müssen, zum Beispiel weil Mittel abgezogen werden, werden die Bewertungen der Realität angepasst, was dann zu riesigen und manchmal sogar existenzbedrohenden Verlusten führen kann.

Doch auch in den Bilanzen europäischer und US-amerikanischer Großbanken schlummern Risiken, die sich nicht so einfach bewerten lassen und auf den ersten Blick auch nicht zu erkennen sind. Ein Großteil dieser Risiken hat mit komplexen Finanzinstrumenten zu tun, die schwierig zu verstehen und zu bewerten sind.

Der Nominalwert aller Derivate etwa in den Büchern der Deutschen Bank beläuft sich auf den astronomischen Betrag von 42 Bio. EUR, was mehr als dem Zehnfachen des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) entspricht, also dem Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in Deutschland in einem Jahr hergestellt werden.

Zwar weist die Deutsche Bank mit Recht darauf hin, dass es sich bei dem Betrag von 42 Bio. EUR um die Summe der Nominalwerte der Derivate handelt und das tatsächliche Risiko aus den Produkten nur bei einem Bruchteil liegt, weil bei vielen Positionen entsprechende Gegenpositionen existieren, die sich gegeneinander aufheben. Doch wie groß die Risiken tatsächlich sind, kann wohl niemand (innerhalb und außerhalb) der Deutschen Bank wirklich beziffern, einfach weil die Summen so astronomisch hoch sind. Das erklärt auch, warum die Aktien der Deutschen Bank (wie zahlreicherer anderer europäischer Großbanken) seit der Finanzkrise von 2008 nur bei einem Bruchteil ihres Buchwertes notieren. Aktuell beträgt das Kurs-Buchwert-Verhältnis der Deutsche-Bank-Aktien rund 0,3. Der Markt vertraut einfach nicht darauf, dass der Wert in den Büchern der Deutschen Bank der wirtschaftlichen Realität entspricht und nimmt einen entsprechenden Abschlag vor.

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Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) der Deutsche-Bank-Aktien im Zeitverlauf

Fazit: In den Bilanzen vieler Banken schlummern Risiken, die sich von unabhängiger Seite kaum beziffern lassen. Die Probleme sind bei den US-Regionalbanken zwar besonders virulent, aber eben keineswegs auf die kleineren US-Banken beschränkt. Das macht Bankaktien für Anleger, besonders für Privatanleger, grundsätzlich zu einem riskanten Investment.

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Über den Experten

Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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