COP26 - Was wir vom wichtigsten Klima-Event seit der Pariser Klimakonferenz erwarten können
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Das Jahr 2021 war von verheerenden Wettereignissen weltweit gekennzeichnet – ob Waldbrände am Polarkreis, Dürren im subtropischen Taiwan oder Eiseskälte im staubigen Texas. Das hat den Klimawandel noch einmal stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Der Preis der Untätigkeit ist höher denn je: Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen schätzt die weltweiten Kosten für die Anpassung an die Auswirkungen von Klimaveränderungen bis 2030 auf 140 bis 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Dadurch stehen auch Regierungen und Organisationen mehr denn je unter Druck, Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels zu ergreifen.
Die Conference of the Parties (COP) ist die seit 1995 jährlich stattfindende Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. COP26, die nächste, kurz bevorstehende UN-Klimakonferenz, findet in Glasgow statt und soll dabei helfen, den Wandel hin zur Klimaneutralität und damit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu beschleunigen.
„Alarmstufe Rot“: Dekarbonisierung wird zur Priorität
Weil der globale Temperaturanstieg bereits bei 1,1 Grad liegt, hat der Weltklimarat (IPCC) in seinem jüngsten Bericht die „Alarmstufe Rot“ ausgerufen. Bei der UN-Generalversammlung wurden Fortschritte in der Klimafinanzierung erzielt und in Großbritannien hat die Financial Conduct Authority (FCA) z.B. die Manager von Unternehmen schriftlich dazu aufgefordert, zu handeln und ihre Klimaschutzmaßnahmen zu belegen. Vor diesem Hintergrund wird die Dekarbonisierung zur Priorität.
Unter Dekarbonisierung versteht man den Prozess, durch den die weltweiten CO2-Emissionen so weit reduziert werden, dass die Weltwirtschaft, wie im Netto-Null-Szenario der International Energy Agency (IEA) bis 2050 angenommen, doppelt so groß sein kann wie heute – bei einem um acht Prozent geringeren Energiebedarf, der zu zwei Dritteln durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Erreichen lässt sich dies durch weniger CO2-intensive Energiequellen wie Wind- und Solarkraft an Stelle von Kohle und Gas sowie durch bedeutende Verbesserungen in der Energieeffizienz und Verhaltensänderungen.
CO2-Emissionen: Vom Nebenprodukt zum Kostenfaktor der Wirtschaft
Die Dekarbonisierung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Einhaltung der im Pariser Abkommen festgelegten globalen Temperaturziele. Die Kosten für den Ausstoß einer Tonne CO2 sind so hoch wie nie zuvor: Während sie vor 2020 noch kaum die Marke von 30 Euro/tCO2 überschritten hatten, liegen sie zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels bei 64 Euro/tCO2. Damit entwickeln sich die CO2-Emissionen von einem Nebenprodukt zu einem Kostenfaktor der Wirtschaft. Je höher der Kohlenstoffpreis, desto größer der Anreiz für Unternehmen, auf sauberere Energieformen umzusteigen und die CO2-Intensität ihrer gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren.
Aus unserer Perspektive als Investoren muss der Kohlenstoffpreis letztlich auch in die Preise aller Vermögenswerte einfließen, wenn aus externen Effekten interne Betriebskosten werden. Ein erfolgreicher Klimagipfel in Glasgow wird maßgeblich dazu beitragen, die Umweltauswirkungen von Unternehmen transparent und ganzheitlich bewerten zu können. Vor allem aber wird er dabei helfen, einheitliche Standards für die Messung dieser Auswirkungen durchzusetzen. Für nachhaltig anlegende Investoren ist das enorm wichtig – denn was man messen kann, kann man auch managen.
Nachhaltige Dekarbonisierung: Auf dem Weg in eine neue Welt
Wie CO2-intensive Unternehmen den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft bewältigen, ist eine wichtige strategische Frage mit bedeutenden Implikationen für ihre Produkte und Dienstleistungen sowie ihre betrieblichen Prozesse. Im Investmentkontext gilt es, nicht nur die unterschiedlichen Quellen von CO2-Emissionen an verschiedenen Punkten der Wertschöpfungskette zu berücksichtigen, sondern auch die Auswirkungen, die verschiedene Wege in eine kohlenstoffarme Zukunft auf die Erlöse, Kosten und Wettbewerbsposition von Unternehmen sowie ihre gesellschaftliche Akzeptanz – die sogenannte „License to Operate“ – haben.
Als Investoren analysieren wir die Unternehmensstrategie, um uns ein Bild davon zu machen, welchen Weg ein Unternehmen diesbezüglich verfolgt. Die Verpflichtung zu „Netto-Null-Emissionen“ oder zu den Zielen des Pariser Abkommens ist ein wichtiger erster Schritt. Letztlich erwarten wir von den Unternehmen jedoch, dass sie detaillierte, glaubwürdige und unumkehrbare Pläne für eine nachhaltige Dekarbonisierung vorlegen. Diese müssen mit kurz-, mittel- und langfristigen wissenschaftsbasierten Zielen sowohl für die Emissionen selbst als auch für die wichtigsten strategischen Ziele und die Kapitalallokation der Unternehmen untermauert werden.
Ansonsten sind diese Verpflichtungen im Zweifel nichts als leere Versprechungen, die von künftigen Vorständen und Aufsichtsräten leicht wieder zurückgenommen werden könnten. Als nachhaltig orientierter Asset Manager wollen wir das Kapital unserer Kunden so anlegen, dass es zu echten positiven Veränderungen beiträgt. Dafür legen wir den Fokus darauf, wie Unternehmen ihre eigenen operativen Strukturen im Einklang mit dem Pariser Abkommen dekarbonisieren und wie sie anderen dabei helfen können, ihre Emissionen zu reduzieren.
Stärkere Standardisierung und höhere Datenqualität für Offenlegung klimabezogener finanzieller Risiken
Was bedeutet das für die nachhaltige Kapitalanlage? Ich erwarte in dieser Hinsicht zwei wesentliche Ergebnisse des bevorstehenden Klimagipfels: Erstens wird COP26 die Dringlichkeit erhöhen, das „Carbon Capital at Risk“ bzw. den „Carbon Value-at-Risk“ zu adressieren, d.h. die Auswirkungen steigender Kohlenstoffpreise bzw. der Kosten für CO2-Emissionsrechte auf die Profitabilität eines Unternehmens. Als Verwalter des Anlagevermögens unserer Kunden müssen wir uns bei der Allokation unserer Kundengelder am Pariser Klimaabkommen orientieren und ein kohlenstoffarmes Portfolio zusammenstellen, das zur Realisierung eines 1,5°C-Klimaszenarios beiträgt. Damit können unsere Kunden diesen dringend notwendigen Übergangsprozess maßgeblich mit vorantreiben.
Außerdem rechnen wir mit einer stärkeren Standardisierung und höheren Datenqualität in Bezug auf die Offenlegung klimabezogener finanzieller Risiken. In Verbindung mit der klareren politischen Ausrichtung, die wir in den kommenden Jahren erwarten können, sollte dies Anlegern helfen, die Kosten des Klimawandels in ihren Bewertungsmodellen zu berücksichtigen und die direkten Auswirkungen der CO2-Kosten auf die Kostenstrukturen der Unternehmen zu identifizieren. CO2-intensive Unternehmen werden sich auf höhere Kapitalkosten einstellen müssen.
Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass Investitionen in gut geführte Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen zu höheren langfristigen Renditen für unsere Kunden führen und den Übergang zu einer gerechteren Welt erleichtern. COP26 wird dieses Thema noch stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken und den Wandel beschleunigen, den wir in den letzten Jahren bereits beobachten konnten. Als Fondsmanager müssen wir unseren Kunden helfen zu verstehen, dass die Kapitalallokation eine entscheidende Rolle dabei spielen kann, positive Veränderungen zu bewirken, und sie mit ihren Anlagen im Sinne der „drei Ps“ – Planet, People und Profit – einen echten ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Mehrwert schaffen können.
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