Kommentar
07:10 Uhr, 15.07.2025

Chinas Wirtschaft wächst weiter über 5 % p.a., aber Konsumschwäche und US-Zollrisiken belasten

Chinas Wirtschaftswachstum hat sich im zweiten Quartal leicht verlangsamt, zeigte sich aber widerstandsfähiger als von Analysten erwartet. Und von solchen Wachstumsraten kann man im Westen natürlich nur träumen.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs von April bis Juni um 5,2 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, jedenfalls nach Angaben des nationalen Statistikbüros in Peking (eine gewisse Skepsis ist bei den Daten angebracht). Damit lag das Wachstum zwar unter dem Wert des ersten Quartals von 5,4 %, übertraf jedoch die Prognosen von Analysten. Die Erwartungen lagen im Schnitt bei 5,1 %. Im Vergleich zum Vorquartal legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt um 1,1 % zu.

Während die Industrieproduktion mit einem Plus von 6,8 % gegenüber dem Vorjahr den stärksten Zuwachs seit März verzeichnete, schwächte sich das Wachstum des Einzelhandelsumsatzes deutlich ab. Mit einem Anstieg von nur 4,8 % nach 6,4 % im Mai erreichte er den niedrigsten Wert seit Jahresbeginn. Ein starkes Wachstum des Konsums in China wäre wichtig, um die extreme Abhängigkeit vom Export zu mindern. Angesichts des Zollkonflikts gilt dies umso mehr.

Gedämpfte Aussichten trotz staatlicher Stützen

Bislang konnte China eine stärkere konjunkturelle Abkühlung vermeiden, was zum Teil auf staatliche Förderprogramme und auch auf vorgezogene Exporte im Zuge des vorübergehenden Handelsfriedens mit den USA zurückzuführen ist.

Experten warnen jedoch vor einem schwächeren zweiten Halbjahr, da die Exportdynamik nachlassen und die Binnennachfrage schwach bleiben dürfte. Das von der Regierung ausgegebene Wachstumsziel von rund 5 % für das Gesamtjahr gilt unter Beobachtern als ambitioniert.

"China hat im ersten und zweiten Quartal ein Wachstum über dem offiziellen Ziel von 5 % erzielt, teilweise aufgrund vorgezogener Exporte", so Zhiwei Zhang, Chefökonom bei Pinpoint Asset Management. "Dieses über den Zielen liegende Wachstum gibt der Regierung den Spielraum, eine gewisse Verlangsamung in der zweiten Jahreshälfte zu tolerieren."

Investoren blicken nun gespannt auf die Sitzung des Politbüros Ende Juli, bei der die Weichen für die Wirtschaftspolitik der kommenden Monate gestellt werden dürften. Peking hat bereits die Infrastrukturausgaben und Konsumsubventionen erhöht und die Geldpolitik gelockert.

Unsicherheit bei Verbrauchern und Unternehmen

Die makroökonomischen Zahlen spiegeln vermutlich nicht die Realität vieler Haushalte wider. Die Sorgen über die wirtschaftliche Zukunft führen zu Kaufzurückhaltung. "Sowohl mein Einkommen als auch das meines Mannes als Ärzte ist gesunken, und wir trauen uns immer noch nicht, eine Wohnung zu kaufen", berichtet eine 30-jährige Ärztin aus der Technologiemetropole Shenzhen. "Wir schränken unsere Ausgaben ein: Wir fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, essen in der Krankenhauskantine oder kochen zu Hause. Mein Lebensdruck ist nach wie vor ziemlich hoch."

Vorsicht zeigt sich auch bei den Unternehmen. Die Investitionen in Anlagevermögen wuchsen in den ersten sechs Monaten mit 2,8 % schwächer als erwartet. Eigentlich keine große Überraschung, wenn man bedenkt, auf welchen Überkapazitäten das Land sitzt.

Der anhaltende Abschwung im Immobiliensektor belastet die Gesamtwirtschaft ebenfalls, obwohl die Regierung bereits mehrere Stützungsmaßnahmen ergriffen hat. Die Immobilieninvestitionen gingen im ersten Halbjahr stark zurück.

Analysten warnen davor, dass alleinige Konjunkturimpulse nicht ausreichen könnten, um den deflationären Druck zu bekämpfen. Zichun Huang, China-Ökonom bei Capital Economics, merkte an, dass die BIP-Daten "die tatsächliche Stärke des Wachstums wahrscheinlich immer noch überbewerten."

Er prognostiziert eine weitere Verlangsamung im zweiten Halbjahr, da die Exporte nachlassen und die fiskalischen Impulse auslaufen dürften. "Ohne stärkere fiskalische Anreize ist das Wachstum im dritten Quartal gefährdet", ergänzte Dan Wang, China-Direktorin bei der Eurasia Group. "Sowohl Verbraucher als auch Unternehmen sind vorsichtiger geworden, während Exporteure zunehmend nach Wachstumsmöglichkeiten im Ausland suchen."

1 Kommentar

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  • Riccardo90
    Riccardo90

    Zahlen aus dem Reich der Mitte zu vertrauen ist allerdings auch mutig.

    08:28 Uhr, 15.07.