Kommentar
10:30 Uhr, 30.08.2016

China und USA bald auf Konfrontationskurs?

Die Welt ist abgelenkt: Terror, US-Wahlen, US-Notenbank, Brexit. Im Schatten dieser Ablenkung bahnt sich eine Konfrontation zwischen den zwei größten Volkswirtschaften der Welt an.

Die Welt scheint derzeit blind für Chinas Probleme zu sein

Anleger trauen dem Reich der Mitte und dessen Aktienmarkt sogar ein Comeback zu. Das Sentiment hat sich in den vergangenen Monaten deutlich verbessert. Wieso ist absolut schleierhaft, denn kein einziges Problem ist gelöst.

Im Prinzip weiß jeder, was los ist. China hat ein gigantisches Schuldenproblem. Die Schulden, insbesondere die Schulden der Unternehmen, sind viel zu hoch. Chinesische Unternehmen sind ungefähr zwei Mal höher verschuldet als US-Unternehmen.
Bisherige Versuche, dieses Problem zu lösen, haben wenig gefruchtet. Erst wurden Kredite durch Anleihen ersetzt. Da nicht genügend Anleger diese Anleihen kaufen wollten, wurden Banken dazu ermuntert zuzugreifen. Banken hatten also plötzlich weniger Kredite in der Bilanz, dafür mehr Anleihen.

Unternehmen, die nicht mehr kreditwürdig sind und auch keine Anleihen mehr ausgeben können, geben Aktien aus. Schulden werden in Aktien umgewandelt. Diese landen wieder in den Bankbilanzen. Kurz gesagt: die Schulden liegen immer noch bei den Banken.

Jedem ist klar, dass viele Unternehmen praktisch schon insolvent sind. Offiziell gibt das niemand zu und so sehen auch die Banken nach wie vor gesund aus. Das ist Augenwischerei. Banken sitzen auf horrenden Summen fauler Kredite. Das Eigenkapital der Banken wird die Verluste nicht auffangen können. Für die drohenden Kreditausfälle sind Banken dramatisch unterkapitalisiert.

Als wäre das noch nicht schlimm genug, hält die Regierung an ihren künstlich hohen Wachstumszielen fest. Eigentlich sollte die Privatwirtschaft gestärkt werden, doch das hat nicht funktioniert. So investieren Privatunternehmen kaum noch. Damit das Wachstumsziel trotzdem erreicht werden kann, investieren bankrotte Staatsunternehmen.

Dieser Teufelskreis hat im vergangenen Jahr für eine Panikattacke gesorgt. Sie feierte gerade ihren ersten Geburtstag. Es begann mit einer überraschenden Abwertung der chinesischen Währung. Nach diesem Schock war plötzlich allen klar: China ist in Schieflage. Heute ist das noch immer so, doch es schaut niemand hin.


China wird vermutlich keinen Ausweg aus der Misere finden

Die Frage ist nur, wie schlimm das Ende wird. Aktuell verschlimmert sich die Lage weiter. Das liegt nicht nur an der weiter ausufernden Neuverschuldung, sondern auch daran, dass sich China auf einen Deflationsschock zubewegt. Deflation ist das Letzte, was die Regierung und die Wirtschaft brauchen. Bei nominal gleichbleibenden Schulden und sinkenden Preisen wird die Schuldenlast noch viel weniger tragbar als sie jetzt schon ist.

China bleibt letztlich nur ein Weg: die Währungsabwertung. Wertet der Yuan ab, dann kann China durch höhere Importpreise Inflation importieren. Zudem werden die Produkte im Ausland billiger. China kann wieder mehr exportieren und so Überkapazitäten abbauen.

Viele hatten zu Jahresbeginn eine ruckartige Abwertung der Währung vorausgesagt. Dazu kam es nicht. Die großangelegte Kapitalflucht konnte dank strenger Regulierung gestoppt werden. Hinzu kam ein Ablenkungsgemisch in der westlichen Welt aus Terror, Brexit, Wahlen, Ölmarkt usw. Es scheint daher kaum jemand bemerkt zu haben, dass sich China gerade an den einzigen Strohhalm klammert, der noch übrigbleibt: Die Yuan-Abwertung.

Grafik 1 zeigt den Yuan gegenüber dem Dollar und einem Währungskorb. China hatte den Markt nach der Abwertung vor einem Jahr mit einer Veränderung der Wechselkurspolitik zu beruhigen versucht. Der Kurs gegenüber dem Dollar würde zwar zukünftig mehr schwanken, doch gegenüber einem Währungskorb sollte der Yuan stabil bleiben. Das war die Ankündigung.

Für einige Monate blieb der Kurs gegenüber dem Währungskorb tatsächlich stabil. Davon ist seit Monaten keine Rede mehr. China wertet seine Währung in relativ raschen Tempo gegenüber allen Währungen wichtiger Handelspartner ab.

Die Yuan-Abwertung mag China helfen (höhere Exporte und mehr Inflation), doch es kann den Rest der Welt destabilisieren. Die Inflationsrate in anderen Ländern wird von mehreren Faktoren bestimmt. Dazu gehören zuallererst die Rohstoffpreise. Grafik 2 zeigt die US-Inflationsrate sowie die Ölpreisveränderung auf Jahressicht. Beide Zeitreihen laufen hochkorreliert Hand in Hand.

Seit einigen Monaten tut sich jedoch etwas Außergewöhnliches. Die Inflationsrate fällt, während der Ölpreis und auch andere Rohstoffpreise steigen. Während Inflation und Rohstoffpreise nicht in jedem Monat perfekt positiv korreliert sind, so sieht man eine so deutliche und hohe, negative Korrelation selten, wenn überhaupt. Was hat sich also geändert?

Verändert hat sich Chinas Währungspolitik. Grafik 2 zeigt die US-Inflationsrate und die Wertveränderung des Yuan gegenüber dem Dollar auf Jahressicht. Auch hier zeigt sich eine hohe positive Korrelation. Ist das Zufall? Vermutlich nicht.

Die USA importierten im ersten Halbjahr 2016 Öl im Wert von 44 Mrd. Dollar. Aus China wurden Waren im Wert von 212 Mrd. Dollar importiert. Kommt es nun zu Preisveränderungen bei chinesischen Gütern über eine Yuan-Abwertung, dann wirkt das auf die US-Inflationsrate relativ stark, weil das zugrundeliegende Transaktionsvolumen viel größer ist. Um den gleichen Effekt einer 10 % Abwertung des Yuan durch Öl zu erzielen, müsste der Ölpreis um 50 % fallen.

China exportiert durch die bisher unbemerkte Yuan-Abwertung Deflation. Ob das der Grund für den Rückgang der Inflation in den USA ist, sei dahingestellt. Früher oder später wird es jedoch so sein und irgendwann werden auch der Markt und die Politik bemerken, was da gerade vor sich geht. Geschieht das, kommt es zu einer großen Aufregung. Es ist absolut absehbar, dass der US Kongress auf die Barrikaden steigen wird. Es bahnt sich hier eine kleine Katastrophe an.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • hotte38
    hotte38

    @ Benutzer

    Ich schätze beide als sehr seriöse Informationsquelle. Interessant wird es sein, wie sich diese

    unterschiedlichen Betrachtungsweisen auflösen werden.

    16:11 Uhr, 30.08. 2016
  • MMeier2
    MMeier2

    > Früher oder später wird es jedoch so sein und irgendwann werden auch der Markt und die Politik bemerken, was da gerade vor sich geht.<

    Ein Glück, lieber Clemens, dass wir Sie haben. Dadurch wissen wir es schon heute.

    10:46 Uhr, 30.08. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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