Kommentar
09:21 Uhr, 11.05.2015

Bund Future Ausverkauf: Was steckt dahinter?

Der Bund Future bricht in sich zusammen, trotz des Anleihenkaufprogramms der EZB. Da stimmt doch was nicht!

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Die Rendite deutscher Staatsanleihen ist in den vergangenen Wochen rasant gestiegen. Vom absoluten Tief der 10-jährigen Anleihen bei 0,055% ging es bis auf 0,728% hinauf. Das entspricht einer Verdreizehnfachung innerhalb weniger Wochen. Das erregt Aufmerksamkeit, insbesondere im Zusammenhang mit dem Kaufprogramm der EZB. Rein intuitiv widerspricht sich das. Die Käufe der Zentralbank sollten den Kurs eigentlich stützen und die Rendite stabil halten oder sogar senken. Der Sell-Off legt die Vermutung nahe, dass die Sache nicht so einfach ist.

Der Sell-Off ist für deutsche Anleihen sicherlich bemerkenswert. So etwas sieht man nicht alle Tage. Setzt man das allerdings ein wenig in den historischen Kontext, dann relativiert sich die Sache. Die folgende Grafik zeigt die größten Renditeanstiege für US und japanische Anleihen für verschiedene Laufzeiten. Der größte Renditeanstieg für Anleihen mit einjähriger Laufzeit an einem Tag betrug in Japan ca. 0,5%. In den USA war es deutlich mehr. Hier lag der größte Anstieg an einem Tag bei 1,1%. Auf Wochensicht lag der größte Anstieg in Japan bei gut 0,8% und in den USA bei 1,55%.

Die deutsche Anleihenrendite mag sich vervielfacht haben, der absolute Anstieg ist jedoch alles andere als bemerkenswert. Mit 0,12% liegt der größte Anstieg an einem Tag in den vergangenen Wochen historisch gesehen vielleicht hoch, aber er war keinesfalls außergewöhnlich. Auf Wochensicht lag der größte Anstieg bei ca. 0,2%. Absolut gesehen ist der Anstieg nicht besonders auffällig.

Die Rallye der Renditen war natürlich nicht auf einen Tag oder eine Woche begrenzt, sondern auf mehrere Wochen. Das war eine ordentliche Rallye, daran kann man nicht rütteln. Ein Blick auf andere Länder zeigt jedoch, dass es noch deutlich schlimmer sein kann. Der größte Anstieg auf Monatssicht lag in den USA bei knapp 2% bei 10-jährigen Anleihen. Bei den deutschen Anleihen lag der Anstieg bei knapp 0,7 Prozentpunkten. Bis zu einem nie dagewesenen historischen Ereignis haben Anleihen in Deutschland noch viel Luft nach oben. Dazu muss man auch noch sagen, dass der Anstieg von knapp 2 Prozentpunkten in den USA auf dem liquidesten aller Märkte passierte. Der Bund Markt ist ebenfalls sehr liquide, allerdings im Verhältnis dann doch etwas weniger. Wenn es richtig schlimm kommt, dann muss man sich auf noch größere Bewegungen einstellen.
Liquidität ist ohnehin das Stichwort der Stunde.

Notenbanken begrenzen durch ihr Kaufprogramm die Liquidität, die ohnehin schon stark abgenommen hat. Im Jahr 2005 lag das gehandelte Volumen von deutschen Staatsanleihen bei 7,32 Billionen Euro. Bereits Ende 2014 wurden nur noch 4,8 Billionen gehandelt und das, obwohl der Schuldenberg gestiegen ist. Die Liquidität hat im Laufe der Eurokrise immer weiter abgenommen, weil Investoren deutsche Anleihen als Sicherheit gekauft und liegen gelassen haben. Für den Fall eines Auseinanderbrechens der Eurozone waren Bunds die perfekte Sicherheit, denn eine neue Deutsche Währung hätte gegenüber anderen Währungen stark aufgewertet.

Viele institutionelle Investoren sind an bestimmte Maßstäbe gebunden. Nachdem in Europa ein Land nach dem anderen eine schlechtere Bonität erhielt blieb vielen nur noch der Kauf von deutschen Anleihen übrig. Nicht zuletzt dürfte auch die Schweizer Notenbank sehr viele deutsche Anleihen gekauft haben. Diese wurden praktisch vom Markt genommen und liegen in der Bilanz der SNB – wahrscheinlich bis zu deren Auslaufen.

Beim Kaufprogramm der EZB ist es ähnlich. Sie kauft Anleihen und lässt sie liegen. Wo früher Anleger Anleihen kauften, um sie einige Tage oder Wochen zu halten und sie dann wieder verkauften, werden nun hohe Summen einfach vom Markt genommen. Das reduziert letztlich die Liquidität, denn viele Investoren, die noch Bunds kaufen, lassen sie mangels Alternativen ebenfalls liegen. Versicherungen, vor allem Lebensversicherungen, haben ihren Kunden bestimmte Zinssätze versprochen. Diese Zinsen zu erwirtschaften wird zunehmend schwierig. Wer das Glück hat und noch Bunds mit einer Rendite von 1,5 oder 2% in den Büchern hat, der wird natürlich den Teufel tun und diese verkaufen.

Kurz gesagt: die Liquidität auf dem Anleihenmarkt ist stark gesunken. Je illiquider ein Markt ist, desto größer können auch die Bewegungen an einem Tag sein. Je länger das EZB Kaufprogramm dauert, desto mehr große Bewegungen werden wir sehen. Das war in den USA so, dann auch in Japan und nun in Europa. Überbewerten sollte man das nicht. Es wird noch häufiger zu Flash Crashs am Anleihenmarkt kommen. Das kann man schon fast als natürliche Konsequenz der Entwicklung der letzten Jahre sehen.

Auch wenn die steigende Volatilität an den Anleihenmärkten zu erwarten war, sind Investoren dennoch überrascht. Sie werden sich jedoch auch daran gewöhnen. In Japan hat das relativ gut funktioniert. Dort wurden die plötzlichen Rallyes bei Renditen dazu genutzt, um wieder in den Markt einzusteigen. Es würde mich nicht wundern, wenn wir in Europa ein ähnliches Phänomen sehen werden. So sehr es einem wiederstrebt, Rücksetzer wie wir sie im Bund Future gesehen haben dürften für viele Kaufgelegenheiten darstellen. Das ändert nichts daran, dass Anleihen überbewertet sind. Die große Trendwende, das Platzen der Blase, wird kommen. Noch ist es dafür aber zu früh.

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4 Kommentare

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  • nairolf
    nairolf

    ähnliches wollte ich gestern herrn hoose erwidern.
    wobei mein augenmerk besonders auf die liqidität
    der lieferbaren anleihen beim bund- und beim bobl-future liegen.
    das open interest entspricht dem gesamtvolumen der lieferbaren anleihen.
    vielleicht ist das ja den pimcos dieser welt ende der woche bewusst geworden.

    10:43 Uhr, 11.05.2015
    1 Antwort anzeigen
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Korrekt - danke. Bitte stellen Sie diese Analyse auch Herrn Hoose zur Verfügung - der dreht schon wieder durch ;-).

    09:45 Uhr, 11.05.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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