Brasilien: Die Pandemie kommt zur Unzeit
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Rio de Janeiro (Godmode-Trader.de) - Brasilien hat Großbritannien bei der Zahl der Corona-Infizierten überholt. Laut den jüngsten Daten des Gesundheitsministeriums in Brasília haben sich in dem mit 210 Mio. Einwohnern größten Land in Lateinamerika bis Montag 254.220 Menschen mit dem Virus angesteckt. Fast 17.000 Menschen sind in Brasilien im Zusammenhang mit dem Virus gestorben.
Täglich werden derzeit bis zu 15.000 Neuinfektionen und über 800 Tote gemeldet. Ein Abflachen der Kurve ist nicht in Sicht. Es wird auch eine gewaltige Dunkelziffer vermutetet, da in dem Land nur in relativ geringem Umfang auf das Virus getestet wird. Der strukturschwache Norden und der Nordosten des Landes sind nach einer Analyse des Portals "G1" am meisten betroffen. Die fünf Städte mit der höchsten Infektionsrate und auch mit der höchsten Mortalitätsrate liegen allesamt im nördlichen Bundesstaat Amazonas.
Im Mittelpunkt der Berichterstattung steht Präsident Jair Bolsonaro. Ihm wird vorgeworfen, ähnlich wie es anfangs bei US-Präsident Trump der Fall war, die Corona-Krise kleinzureden. Die Lungenkrankheit Covid-19 bezeichnete der Staatschef wiederholt als „kleine Grippe“, hinter der „Hysterie" vermutet er China. Man wolle ihm und US-Präsident Trump schaden, glaubt er. Er missachtet die von der Weltgesundheitsorganisation und seinem eigenen Gesundheitsministerium empfohlenen Abstandregeln. Er schüttelt die Hände seiner Fans, die jeden Sonntag vor dem Präsidentenpalast für ein Ende der Corona-Maßnahmen protestieren.
Die von den Bundesstaaten verhängten Corona-Restriktionen kritisiert Bolsonaro wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Doch ihm sind die Hände gebunden. Denn Landesregierungen und Bürgermeister entscheiden über Schritte wie den Lockdown. Da in einigen Regionen die Krankenhäuser bereits überlastet sind, verkünden immer mehr Lokalregierungen derzeit harte Maßnahmen.
Doch die Eigenverantwortung der Lokalregierungen hat auch seine Vorteile. Bolsonaro rutscht gerade in den Umfragen steil bergab. Sollte es ihm in der drohenden Rezession gelingen, den Lokalregierungen die Schuld für die wirtschaftliche Misere zu geben, könnte ihn das politisch retten.
Wirtschaftlich betrachtet kommt die Pandemie zur Unzeit: Die Wirtschaftsleistung der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas war sechs Jahre lang geschrumpft oder stagniert, bevor sie im vergangenen Jahr ein leichtes Wachstum von 1,1 Prozent erreichte. Jetzt rechnet Fitch mit einem Negativwachstum von vier bis fünf Prozent in diesem Jahr. Die Prognose des Internationalen Währungsfonds liegt bei minus 5,3 Prozent. Auch für die kommenden zwei Jahre werden die Aussichten immer düsterer.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.