Kommentar
15:56 Uhr, 18.08.2016

Börsenstrategien: Zeit geben, um aus Fehlern zu lernen

Im Artikel "Der eigene Fokus: Schlüssel zum Erfolg an der Börse" habe ich daüber geschrieben, welches unglaubliche Potenzial darin liegt, wenn sich Anleger auf eine Strategie an den Märkten konzentrieren.

Analysen erfolgreicher Fondsmanager und Trader haben gezeigt, dass die bewusste Entscheidung für ein Anlagekonzept ein wesentliches Kriterium für Erfolg und Reichtum an den Märkten zu sein scheint.

Doch eine langfristige Entscheidung zu treffen ist gar nicht so einfach. Sie kennen das vielleicht von anderen praktischen Vorhaben wie dem regelmäßigen Sport treiben, eine Diät anzufangen oder das Rauchen aufzugeben.

Lesen Sie dazu auch: Der eigene Fokus - Schlüssel zum Erfolg an der Börse

Wir haben weniger Zeit, als wir oft glauben

Die Jahre vergehen im Flug. Geht Ihnen das manchmal auch so? Erinnern Sie sich noch an den 11. September 2001? Was haben Sie gemacht, als im September 2008 die US-Bank Lehman Brothers Pleite ging? Wie haben Sie auf den Ausbruch der Eurokrise 2011 reagiert?

Sie haben, sicherlich genauso wie ich, diese einschneidenden Ereignisse für die Börsen noch lebhaft vor Augen und doch sind seitdem schnell einige Jahre vergangen. Was ist seitdem passiert? Haben Sie Ihre finanziellen Ziele und Träume, die Sie damals hatten, erreichen können? Ein Jahr vergeht im Flug und leider genauso schnell auch ein Jahrzehnt.

Haben Sie sich schon gefragt, wie Sie in den kommenden Jahren Ihr Geld an den Märkten verdienen möchten? Egal, ob Sie das tun oder nicht, irgendetwas wird mit Ihrem Geld geschehen. Vielleicht vermehrt es sich, vielleicht wird es auch durch negative Zinsen oder die Inflation weniger. Ob Sie sich diese Frage beantworten oder nicht: Sie werden mit Ihrer Geldanlage irgendein Ergebnis erzielen - es fragt sich nur welches.

Warum also nicht den Ausgang selbst bestimmten und nicht dem Schicksal der Finanzmärkte überlassen? Falls Sie es noch nicht getan haben, könnte es höchste Zeit sein Ihren Weg an den Märkten selbst zu wählen.


Machen Sie sich bewusst, welche Chancen darin liegen, sich heute für eine Strategie zu entscheiden

Viele Anleger zögern sehr lange, mit dem Investieren oder Traden anzufangen. Sie haben Angst, Fehler zu machen oder warten auf den richtigen Einstiegszeitpunkt – wenn es so etwas denn überhaupt gibt. Eine einfache Motivation, wenn auch nicht sonderlich erfreulich, ist sich die unangenehmen Folgen des bisherigen Verhaltens anzuschauen.

Nehmen wir die einfachste aller Formen, eine klassische Kaufen-und-Halten-Strategie. Wenn Sie im Jahr 2002, also kurz nach den Ereignissen von 9/11, einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro in deutsche Standardaktien investiert hätten, wären daraus bis Ende letzten Jahres ungefähr 21.000 EUR, vor Kosten und Steuern geworden. Einfach nur durch kaufen und liegen lassen. Das entspricht einer Jahresrendite von etwa 5,5 %, trotz Finankrise 2008 und Eurokrise 2011. (1)

Der Börsenkolumnist Prof. Max Otte hat genau im schlimmsten aller Börsenjahre 2008 einen Fonds aufgelegt. In seinem „PI Global Value Fonds“ hat der Wirtschaftsprofessor seitdem konsequent unterbewertete Aktien gekauft und damit das Kapital der Anleger verdoppelt. (2) Seine Vorgehensweise ist dabei kein Hexenwerk, auch wenn selbstredend die Erfahrung eines Anlagemanagers nicht kopierbar ist. Dennoch können Sie Ottes Art zu Investieren in vielen veröffentlichten Büchern von ihm nachlesen und selbst umsetzen. (3)

Eine gute Erfahrung mit einer Strategie kann also eine bestärkende Freude und Motivation auslösen. Aber Zeit kann auch Druck aufbauen. Denn die Zeit, die Sie nicht für sich arbeiten lassen, ist für immer verloren. Vergegenwärtigen Sie sich, welche Chancen Sie in den letzten Jahren haben liegen lassen und dieser Schmerz wird Ihnen helfen loszulegen.

Just ebenfalls im Jahr 2008 hat der Mannheimer Bankprofessor Dr. Martin Weber gemeinsam mit der DWS seinen „ARERO“-Fonds gegründet. Das Anlagekonzept ist ebenfalls sehr klar definiert, seit nunmehr 8 Jahren hält das Fondsmanagement konsequent an einer 60 % Aktien, 25 % Anleihen und 15 % Rohstoffe Vermögensaufteilung fest. Mit Erfolg. Der Fonds liegt seit Auflage 65 % im Gewinn. (4)

Die Anleger, die seit Anfang an dabei sind, dürften sich freuen und den künftigen Entwicklungen an den Märkten entspannter entgegenblicken, als andere. Mit der Zeit wird es immer einfacher und der innere Druck nichts getan zu haben, verwandelt sich schnell in Freude über das Erreichte.

Stellen Sie sich vor, wie wunderbar der Gedanke ist, einer Anlagestrategie über Jahre hinweg zu folgen, die Ihnen wohl möglich auch noch Spaß und Freude bereitet.


Eine Strategie durchzuhalten ist nicht einfach, aber machbar

Wie immer kommt nach jeder anfänglichen Euphoriephase der Moment, an dem wir beginnen zu zweifeln und manchmal dazu neigen aufzugeben.

Insbesondere, wenn Sie sich dazu entscheiden einem aktiven Handelsansatz zu folgen oder vielleicht sogar im Trading Ihre Zukunft sehen. Dann wird es Tage geben, an denen Sie Ihre Strategie kritisch hinterfragen oder ins Zweifeln kommen. Beispielsweise scheinen die Aktien, die Sie ausgewählt haben, einfach nicht die Richtung nehmen zu wollen, die Sie gewünscht hatten. Oder Ihre Tradingstrategie hat nun schon mehrere Tage hintereinander keine Gewinne mehr produziert. Oder Ihr passives ETF-Portfolio fällt nun schon seit über einem Jahr und in den Zeitungen steht, dass ein Crash bevorsteht. Die Herausforderungen begegnen uns jeden Tag.

In solchen Momenten neigen Anleger dazu gerne alles in Frage zu stellen. Manche Menschen haben solche Angst Fehler zu machen, dass Sie überhaupt nie ins Handeln kommen. Ich habe gelernt dabei nicht zu streng mit mir zu sein und mir erlaubt Fehler zu machen. Die Börse ist kein Ort für Perfektionisten. Überhaupt sollten Sie Rückschläge an der Börse nicht als Fehler ansehen. Ich bin der Überzeugung, dass der Erfolg vieler Investoren und Trader in der Tatsache begründet ist, wie diese mit Ihren „Fehlern“ umgehen.

Milliardär und Starinvestor George Soros sagte mal: “Once we realize that imperfect understanding is the human condition, there is no shame in being wrong, only in failing to correct our mistakes.” (5) Im übertragenen Sinne meint Soros, dass es nicht schlimm sei Fehler zu machen, sondern dass das zum menschlichen Verhalten (das an den Märkten für das Auf und Ab sorgt) dazugehört. Der einzige Fehler sei, nicht aus seinen Fehlern zu lernen und diese zu korrigieren.

Wenn Sie zum Beispiel einer Value-Strategie wie der von Professor Otte folgen, dann werden Sie zwangsläufig irgendwann mal Aktien auswählen, die nicht mehr zu ihrem Buchwert zurücklaufen oder gar pleite gehen. Oder Sie werden die Aktien viel zu früh verkaufen, weil Sie die Geduld verloren haben.

Das passiert auch den Besten.

Professor Otte hatte in den letzten Jahren wiederholt Goldminen-Aktien empfohlen und auch in seinen Fonds gegen den Trend gekauft. (6) Dann endlich haben sich Goldminen-Aktien, ähnlich wie der Goldpreis, in diesem Jahr phänomenal entwickelt. Otte war jedoch nicht mehr dabei, er hatte zu früh verkauft. (7) Seiner Anlagephilosophie und seinem eingeschlagenen Weg wird das sicher keinen Abbruch tun.

Beim Daytrading oder sehr aktiven Handelsstrategien besteht diese Herausforderung beinahe jeden Tag, in einer viel höheren Frequenz. Da Sie beim Trading noch mehr Entscheidungen treffen, werden Sie natürlich auch mehr Fehler machen. Die Pokerlegende Phil Ivey, der mehr als 100 Millionen US-Dollar mit verschiedenen Casinospielen gewann, sagte in einem Interview zum Thema Fehler: “Yes, I make a lot of mistakes…[...] There are tons of mistakes every session, even for me. What separates me from a lot of the other players is that I recognize the mistakes when I make them. A lot of the other players don’t recognize when they make mistakes and I think that’s important for improving your game.” (8)

Ivey meint, dass Fehler enorm wichtig sind um an sich zu arbeiten und sich zu verbessern. Wenn Sie also einer Strategie folgen, dann erlauben Sie sich auch Fehler im Sinne von Fehlentscheidungen oder Fehltrades zu machen. Lernen Sie an diesen Erfahrungen, aber bleiben Sie Ihrer einmal eingeschlagenen Strategie treu.

Fazit

Eine Entscheidung zu treffen mit dem Investieren oder Trading anzufangen ist nicht einfach. Machen Sie sich bewusst, dass die Zeit Ihr größter Freund auf diesem Weg ist und dass es keinen perfekten Moment zum Loslegen geben wird. Als Anleger begehen wir alle Fehler, aus denen es zu lernen gilt. Letztlich wird Ihr Erfolg an den Märkten die Summe dieser Entscheidungen sein, weshalb Sie sich durch einzelne Rückschläge nicht vom einmal gewählten Weg abbringen lassen sollten.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

--

(1) Basis der Berechnung ist der MSCI Germany Index.
(2) Online-Marketingmaterial zum PI Global Value Fund. Nur zur Information. Keine Kaufempfehlung des Autors.
(3) Buchveröffentlichungen von Max Otte auf seiner persönlichen Webseite. Abgerufen am 17.08.2016 
(4) Marketing-Broschüre des ARERO-Fonds. Keine Kaufempfehlung des Autors.
(5) Zitat entnommen von Wiki-Quote. Abgerufen am 17.08.2016 
(6) Barrick Gold und Co: Die Goldminen-Aktien kommen. Kolumne von Prof. Dr. Max Otte auf www.boerse.de vom 01.09.2014, abgerufen am 17.08.2016.
(7) Morningstar-Artikel über Otte-Fonds. Abgerufen am 17.08.2016 
(8) Auszüge aus einem Interview mit Phil Ivey. Abgerufen am 17.08.2016.

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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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