Fundamentale Nachricht
13:41 Uhr, 04.02.2020

Börsenparty am Rentenmarkt wie im Jahr 1999?

Ariel Bezalel, Head of Strategy, Fixed Income bei Jupiter Asset Management, hält an seiner positiven Einschätzung für hochwertige US-amerikanische und australische Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten fest.

Ein defensiver, flexibler Ansatz für globale Anleiheinvestitionen ist in einer spätzyklischen, wachstumsschwachen Welt, die immer anfälliger für unvorhergesehene Schocks wird, weiterhin unerlässlich. Die Tatsache, dass die Zentralbanken die Märkte wieder durch Zinssenkungen und quantitative Lockerungsmaßnahmen im Verborgenen unterstützen, wie wir es Anfang des letzten Jahres erwartet haben, ist ein klares Zeichen dafür, dass es mit der zugrundeliegenden Wirtschaft immer noch nicht gut läuft.

Nach den dramatischen Verkäufen von Risikoanlagen Ende 2018 waren die Märkte zu Beginn des Jahres 2019 nervös. Die verringerte Unterstützung durch die globalen Zentralbanken warf ein grelles Licht auf die sich verschlechternden makroökonomischen Daten, den alternden Konjunkturzyklus, die explodierende Unternehmensverschuldung und die weltweit eskalierenden geopolitischen Risiken. Infolgedessen haben die Märkte begonnen, die Risiken nüchterner zu bewerten. Die Federal Reserve und Europäische Zentralbank griffen Anfang 2019 ein, um Anlegern zu versichern, dass die Unterstützung noch immer vorhanden und eine weitere Verschärfung nicht in Sicht ist.

Vor diesem Hintergrund war 2019 ein bemerkenswertes Jahr für Anleiherenditen. Im Zeitraum zwischen Januar und August 2019 gab es einige der größten relativen Zinsbewegungen der Geschichte: Die Renditen der meisten Staatsanleihen der Industrieländer fielen um über 50 Prozent, sprich, die Kurse stiegen. Die Stimmung erreichte im Sommer letzten Jahres ihren Tiefststand, als die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen - ein wichtiges Stimmungsbarometer - im August auf ein Intraday-Tief von 1,44 Prozent fiel. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten über 30 Zentralbanken die Zinssätze gesenkt.

FOMO ist kein Wachstumstreiber

Im vierten Quartal 2019 hat die Risikobereitschaft wieder stark zugenommen. Allerdings scheint dies nicht in einer sichtbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Fundamentaldaten begründet zu sein. Wesentliche Treiber dieser Entwicklung sind vor allem das weit verbreitete FOMO-Phänomen, sprich die Angst, etwas zu verpassen, sowie die deutlich ausgeweiteten Staatsanleihekäufe seitens der Fed zur Stabilisierung der Overnight-Repo-Märkte.

Nachdem die Fed ihre Bilanzsumme bis Ende August 2019 durch quantitative Straffungsmaßnahmen auf rund 3,7 Billionen US-Dollar reduziert hatte, weitete sie die Bilanz innerhalb der folgenden dreieinhalb Monate wieder um etwa 400 Milliarden US-Dollar aus. Die Fed betonte zwar, dass es sich dabei „keinesfalls“ um eine quantitative Lockerungsmaßnahme, sondern lediglich um eine temporäre Maßnahme handelt. Tatsächlich hat sie damit aber mehr als die Hälfte ihrer Straffungsmaßnahmen wieder rückgängig gemacht. Wie schon der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman sagte: „Nichts ist so permanent wie ein temporäres Regierungsprogramm."

Ein Großteil dieser Liquiditätsflut scheint in risikobehaftete Vermögenswerte geflossen zu sein und hat so ihre Rally befeuert. Die Parallelen zu den Entwicklungen der Jahre 1999-2000 sind unverkennbar: Auch damals pumpte die Fed enorme Mengen an Liquidität in die Repo-Märkte, um den Sorgen über einen Zusammenbruch der weltweiten Computersysteme durch das berüchtigte Jahr-2000-Problem zu begegnen. Doch der Jahrtausendwechsel verlief ereignislos. Erst in der Woche im April 2000, als die Fed ihre Unterstützung zurücknahm, brach der NASDAQ Index um 25 Prozent ein. Jetzt stellt sich die große Frage: Was passiert, wenn sich die Fed im zweiten Quartal dieses Jahres aus dem Repo-Markt zurückzieht?

Handelsgespräche sind noch längst nicht beendet

Der durch die Handelsgespräche zwischen den USA und China geschürte Optimismus hat ebenfalls Ende letzten Jahres für bessere Stimmung gesorgt. Auf kurze Sicht könnte das „Phase 1“-Abkommen zu einer Deeskalation im US-chinesischen Handelskonflikt führen. Längerfristig markiert es aber vermutlich nur den Beginn eines ausgedehnten Kalten Krieges zwischen den beiden Supermächten. Die Handelsspannungen werden wahrscheinlich noch mehrere Jahre andauern. So wird es sehr schwierig werden, eine Einigung zu komplexeren technischen Fragen zu erzielen, wie zu den Rechten an geistigem Eigentum oder Subventionen für staatseigene Unternehmen.

Der Populismus bleibt

Die Massenproteste in Ländern wie Bolivien, Chile, Ecuador, Ägypten, Frankreich, Spanien, Hongkong, Indonesien, Irak, Iran oder Libanon hatten zwar unterschiedliche Gründe, aber dennoch eines gemeinsam: Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage und eine zunehmende Verbitterung über die soziale Ungleichheit. Daher ist mit weiteren Unruhen und populistischen Reaktionen gegen die Globalisierung, den Handel, die Migration und den Tech-Sektor zu rechnen. Diese werden im Jahr 2020 weiterhin eine Risikoquelle darstellen.

Warum Anleger vorsichtig agieren sollten

Der Höchstwert des US-Leitzinses ist seit fast 40 Jahren mit jedem Zyklus gesunken. Der jüngste Zinsanstieg auf 2,4 Prozent markiert den bisherigen Höchststand in diesem Zyklus – und den niedrigsten der Nachkriegsgeschichte.

Zum Jahreswechsel 2020 scheint die US-Wirtschaft – in Anlehnung an die Analogie von Warren Buffett – nackt zu schwimmen. Weder von der Fiskalpolitik noch vom Handel mit China sind Stimmungsaufheller zu erwarten. Auf kurze Sicht dürften die Kurse risikobehafteter Vermögenswerte weiter steigen, solange die Fed an den Geldmärkten interveniert. Sobald die US-Notenbank den Märkten ihre Unterstützung entzieht, drohen schlechtere Zeiten für risikoreiche Anlagen, vor allem, falls sich die Wirtschaftsdaten nicht verbessern sollten. Letztlich dürften die einflussreichen, deflationär wirkenden Kräfte der Überschuldung, demografischen Alterung und technologischen Disruption wieder in den Vordergrund rücken und zu niedrigeren Renditen führen. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich die US-Wirtschaft im zweiten und dritten Quartal dieses Jahres weiter schwach zeigen wird. Dadurch stünde die Fed stärker unter Druck, die Zinsen erneut zu senken.

In jüngster Zeit wird viel über die potenziell negativen Auswirkungen einer Emissionsflut neuer US-Treasuries auf die Anleihemärkte diskutiert. Die Erfahrung lehrt uns aber, dass die Richtung der Treasury-Renditen stets vom Zinsausblick und den Inflationserwartungen bestimmt wird: Im Verlauf von Zinssenkungszyklen sind die Renditen von US-Staatsanleihen in der Vergangenheit immer deutlich gesunken. Angesichts der weiterhin sehr durchwachsenen globalen Wachstumsaussichten halte ich an meiner positiven Einschätzung für hochwertige US-amerikanische und australische Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten fest. Was risikoreichere Kreditanlagen angeht, bin ich eher vorsichtig. In dieser Spätphase des Zyklus hat die Wahrung dieses sehr liquiden Profils für uns höchste Priorität. Nur so bleiben wir ausreichend flexibel, um unsere globale, von hoher Überzeugung geprägte Anleihestrategie an veränderte Gegebenheiten anzupassen.

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