Fundamentale Nachricht
12:00 Uhr, 25.07.2017

Big Data im Asset Management

Auch in Zukunft werden nach Einschätzung von Goldman-Sachs-Experte Javier Rodriguez-Alarcon sowohl Mensch als auch Maschine den Wandel der Finanzdienstleistungsbranche weiterhin entscheidend mitprägen.

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  • Dow Jones
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New York (GodmodeTrader.de) - Die geburtenstarken Jahrgänge erreichen das Rentenalter und verstärken damit die demografischen Probleme in weiten Teilen der westlichen Welt. Um Produktivität und nachhaltiges Wirtschaftswachstum dennoch langfristig aufrecht zu erhalten, werden Technologien immer wichtiger. Weltweit greifen immer mehr Menschen auf digitale Technologien im Alltag zurück und erzeugen so automatisch immer größere Datenmengen. Allein in den letzten zwei Jahren wurden über 90 Prozent aller jemals generierten Daten erzeugt und dieser Trend dürfte sich weiter beschleunigen. Bis 2020 wird das weltweite Datenvolumen das 128-fache des im Jahr 2013 bestehenden Volumens erreichen, wie Javier Rodriguez-Alarcon, Head of EMEA Client Portfolio Management innerhalb der Quantitative Investment Strategies (QIS) Gruppe bei Goldman Sachs Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Dieses exponentielle Datenwachstum berge enorme Herausforderungen, eröffne aber gleichzeitig große Chancen. Ein Großteil der Daten habe wenig Informationsgehalt und diene bestenfalls der Unterhaltung. Das treffe unter anderem auf diverse Katzen-Videos auf YouTube zu, die für Anlageentscheidungen kaum interessant sein dürften. Doch genauso gebe es unzählige Informationen, die für Anleger höchst relevant seien. Sie lieferten frühe und präzise Signale – etwa über die Wirtschaftsaktivität oder menschliche Präferenzen und Verhaltensmuster. Für Investoren eröffneten sich so neue Möglichkeiten: Um z.B. die künftige Entwicklung eines Unternehmens abzuschätzen, könne nunmehr neben einer menschlichen- auch eine algorithmenbasierte, Analyse angewandt werden. Wir hätten das Zeitalter von „Big Data“ erreicht. Anleger sollten die Chance ergreifen, bei der Weiterentwicklung von Big Data zu „Smart Data“ eine führende Rolle einzunehmen, heißt es weiter.

„Entscheidend für den Erfolg datenorientierter Anleger ist es, die Masse an unstrukturierten Daten so zu verarbeiten, dass daraus mehrwertige Erkenntnisse gewonnen werden können. Es ist wichtig, dass Anlagestrategien möglichst alle verfügbaren und relevanten Informationen berücksichtigen. Denn letztendlich geht es beim Investieren immer darum, einen Informations- und Analysevorsprung zu nutzen. Das aktive Vermögensmanagement zielt darauf ab, Investmentchancen aufzudecken, bevor der Markt sie erkennt und einpreist. Dabei verschaffen datengetriebene Modelle Anlegern einen wesentlichen Vorsprung und können ihren Erfolg maßgeblich beeinflussen“, so Rodriguez-Alarcon.

Ein Beispiel für diese moderne Datenverarbeitung sei die maschinelle Verarbeitung natürlicher Sprache, kurz NLP (natural language processing). NLP nutze Computer, um große Textmengen aus diversen Quellen in mehrere Sprachen zu übersetzen und darin enthaltene unstrukturierte bzw. nicht leicht quantifizierbare Informationen zu analysieren. Das könne Unternehmen einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen, z.B. dadurch, dass Entscheidungsträger in die Lage versetzt würden, große Datenmengen schneller, effektiver und mit weniger Ressourcenaufwand auszuwerten. Die Anwendung von NLP könne sich zudem förderlich auf die Beziehungen zwischen Unternehmen auswirken, indem Informationsasymmetrien aufgebrochen würden. Nicht zuletzt für kleinere Unternehmen oder Firmen aus seltener berücksichtigten Schwellenländern dürfte diese Technologie interessant sein, heißt es weiter.

„Auch das Verhalten von Webseitennutzern oder Kreditkartentransaktionen erzeugen große Datensätze, die im Anlageprozess einen Informationsvorsprung liefern können. Informationen über Kreditkartentransaktionen bieten möglicherweise wichtige Erkenntnisse über das künftige Umsatz- und Gewinnwachstum von Unternehmen. Besonders interessant können solche Indikationen im Konsumbereich und solchen Sektoren sein, in denen häufig Kreditkartennetzwerke für Transaktionen genutzt werden. So haben zum Beispiel die Kreditkartenprognosen für die US-Baumarktbranche zuletzt eine Korrelation von 70 Prozent zum tatsächlichen Umsatzwachstum gezeigt (1). Die Analyse von Kreditkartentransaktionen wird zunehmend an Bedeutung gewinnen, da der Anteil der mit Karten getätigten Zahlungen steigen und die von großen Kreditkartenabwicklern bereitgestellten Daten immer umfangreicher und genauer werden“, so Rodriguez-Alarcon.

Neben dem Anlageprozess gebe es im Asset Management noch viele andere Bereiche, in denen bereits künstliche Intelligenz oder maschinelle Lerntechnologien angewandt würden. In Compliance-Abteilungen etwa könnten diese Technologien bei der Automatisierung von Prozessen helfen. Dies könnte sich positiv auf die Profitabilität auswirken. Abgesehen von der Kostenersparnis würde das operationelle Risiko sinken, da maschinelle Lerntechnologien für komplexe Aufgaben effektiver eingesetzt werden können. So ließen sich Verstöße wie etwa Marktmanipulationen durch nicht genehmigte Handelsaktivitäten schneller aufdecken, heißt es weiter.

„Nicht nur im Asset Management geht die heutige Informationsflut weit über das hinaus, was ein einzelner Mensch verarbeiten kann. Um verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen, nutzen Portfoliomanager moderne Analyse- und Verarbeitungstechnologien. Da die Menge an unstrukturierten Daten exponentiell anwächst, sind wir der festen Überzeugung, dass datenbasierte Technologien allein nicht zu besseren Anlageentscheidungen führen können. Vielmehr ist es das menschliche Urteilsvermögen gepaart mit diesen Technologien, das die besten Ergebnisse hervorbringen wird“, so Rodriguez-Alarcon.

Im Mittelpunkt dieses Prozesses stünden nichtsdestotrotz die Daten selbst. Unternehmen würden nicht umhinkommen, ihre Datenqualitätsstandards stetig zu verbessern. Denn nur, wenn aussagekräftige Daten vorlägen, könnten neue Analysetechniken einen Mehrwert für Anleger schaffen. Demgegenüber würden ungenaue Daten die Vorteile des maschinellen Lernens schnell zunichtemachen, heißt es weiter.

„Künstliche Intelligenz kann menschliche Intelligenz in Entscheidungsprozessen also nicht ersetzen. Der menschliche Verstand wird auch in Zukunft weiterhin notwendig sein, um in technische Prozesse einzugreifen. Außerdem dürften sich menschliche Eigenschaften wie Urteilsvermögen und Erfahrung kaum durch Technologien ersetzen lassen. Informationen werden vor allem unter den Augen erfahrener Portfoliomanager ihr volles Potenzial entfalten. Damit werden sowohl Mensch als auch Maschine den Wandel der Finanzdienstleistungsbranche weiterhin entscheidend mitprägen“, so Rodriguez-Alarcon.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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