Kommentar
15:00 Uhr, 29.01.2018

Bevorzugt die EZB die Südländer?

Die EZB bevorzugt bei ihrem Anleihekaufprogramm die Südländer – angeblich. Das ist natürlich ein Skandal, doch wer genau hinschaut, findet keinen.

In der letzten Woche machten Zahlen die Runde, die etwas aufschreckten. Schon im vergangenen Oktober wurde vom ZEW darauf hingewiesen. Dieser Hinweise wurde noch einmal wiederholt und von den Medien aufgenommen. Bei der letzten Pressekonferenz wurde Draghi dann natürlich auch darauf angesprochen.

Dazu sind mehrere Sachen zu sagen. Die EZB veröffentlicht monatlich die Daten zu den diversen Kaufprogrammen. Es ist also kein Geheimnis, wenn die EZB vom Plan abweicht. Eine mögliche Abweichung wird nun wie eine große Erkenntnis gefeiert, dabei zeigt der Fall lediglich, dass einfach niemand hinschaut.


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Die EZB kauft nach dem Kapitalschlüssel. Hat ein Land einen Anteil von z.B. 10 % am Kapital, sollten auch 10 % der Anleihekäufe auf dieses Land entfallen. Das hat seit Beginn des QE Programms noch nie funktioniert. Es ist also keine Erkenntnis, dass es nicht exakt gelebt wird, sondern ein Zustand, der seit Beginn anhält.

Wer sich die Mühe macht und die Zahlen einmal anschaut, erkennt sofort, dass die Rechnung nicht aufgeht. Die Grafik zeigt dazu den Vergleich von verfügbaren Anleihen der Euroländer, die bisher gekauften Anleihen und den Bestand, den die EZB bisher hätte kaufen müssen.

Die Grafik ist normiert, um die Vergleichbarkeit herzustellen. Die verfügbaren Anleihen sind auf 100 normiert. Für Deutschland sind das etwas über 2 Billionen Euro an Anleihen. Für Österreich entspricht der Wert von 100 ca. 300 Mrd. an ausstehenden Schuldscheinen. 100 ist also 100 % der Staatsschulden. Das ist das theoretische Maximum dessen, was die EZB kaufen kann.

Gekauft wird nun nach dem Kapitalanteil. Rechnet man diesen Anteil in Anleihen um, ergeben sich die dunkelblauen Balken. Würde die EZB dem Kapitalschlüssel nach dem Buch folgen, hätte sie 227 % aller estnischen Anleihen kaufen müssen. Das geht natürlich nicht. Mehr als 100 % ist nicht machbar.

Die EZB kann ihren Plan in Bezug auf Estland nicht erfüllen. Die Verschuldung des Landes ist einfach zu gering. Will die EZB die Liquidität des Marktes nicht komplett absaugen, kann sie nur unter Plan liegen. In anderen Ländern liegt sie dafür über Plan, z.B. auch in Deutschland und den Niederlanden.

Ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle gibt es nicht. Die EZB kauft, was halt eben möglich ist und versucht dabei so wenig wie möglich vom Kapitalschlüssel abzuweichen. Dass es allerdings Abweichungen gibt und geben muss, liegt auf der Hand. Estland ist das beste Beispiel. Die EZB kann schlichtweg nicht mehr Anleihen kaufen als verfügbar sind. Da können Journalisten und Verschwörungstheoretiker auf und nieder springen wie sie wollen.

Bei aller Kritik, die man an der EZB üben kann und all ihren Fehlern: hier wird ein Skandal vermutet, der schlichtweg keiner ist.

Clemens Schmale

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32 Kommentare

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  • Michelshosen
    Michelshosen

    Noch ein letztes Beispiel ich habe 2 tranchen Endevour Silver verkauft letzte Woche für 2,60 $ und 2,53 $ - jetzt stehen sie bei 2,35 $ - komisch ! Da wurde hier auf Godmode mir doch tasächlich gesagt jetzt sei Zeit zu kaufen und nicht zu verkaufen und Anlysten sprachen von PREIS EXPLOSIONEN !! Mir tun nur die ganzen Mitleser leid die solchen Posts folgen und dann enttäuscht werden !

    10:22 Uhr, 30.01.2018
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Ich wollte noch die Frage aufwerfen, ob die EZB jetzt rückwirkend Griechenland-Anleihen kaufen wird, wenn die nun offiziell wieder für bonibel erklärt werden?

    10:01 Uhr, 30.01.2018
  • netzadler
    netzadler

    ich bin schon auf die nächsten target2 Salden ende Januar gespannt. Estland ist da ein unbeschriebenes blatt, die können mit ihrem ausgeglichenen Saldo entspannt sein.

    Deutschland läuft auf die Billion zu und das klitzekleine Luxemburg ist auch schon bei 200 (!) Milliarden.

    ich verstehe schon, dass draghi den euro retten will, leider hat er nicht die lösung, aber die hat nach meiner Kenntnis auch kein anderer.

    man kann zwar mit dreck nach draghi werfen, wenn er sich für den allergrößten hält.

    das eigentliche Problem ist, dass unsere Demokratie und Freiheit ihre Rechnung ohne den Egoismus gemacht hat.

    09:01 Uhr, 30.01.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Seid stark, glaubt und investiert....in diese Blasen.....denn wer daran glaubt, das Schweine fliegen können, der glaubt auch an die heutigen Märkte und ihre

    Manager in den Zentralbanken. :-))

    Der Gipfel der Realitätsverweigerung: Wie wir blauäugig auf den Crash zusteuern

    07:00 Uhr | Chris Martenson
    Nur der Glaube an das Unmögliche kann die aktuelle Marktlage rechtfertigen

    Alice lachte. "Das hat keinen Zweck," sagte sie. "Man kann nicht unmögliche Dinge glauben."

    "Ich wage zu behaupten, dass du nicht viel Übung hast," sagte die Königin. "Als ich in deinem Alter war, habe ich jeden Tag eine halbe Stunde geübt. Ja, manchmal habe ich bereits vor dem Frühstück nicht weniger als sechs unmögliche Dinge geglaubt."

    - Lewis Carrol: Hinter dem Spiegel und was Alice dort fand

    Um Lewis Carrols Worte etwas abzuändern: Wenn wir den Finanzmärkten trotz all ihrer Spekulationsblasen, die dank des Eingreifens der Zentralbanken entstandenen sind, heute noch vertrauen wollen, müssen wir sechs unmögliche Dinge glauben.

    1. Die Fundamentaldaten spielen keine Rolle

    In der schönen neuen Welt des endlosen Gelddruckens sollen wir glauben, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Sie wissen schon - dass es dieses Mal wirklich anders ist.

    Spoilerwarnung: Das ist es nie.

    Unternehmen machen entweder einen Gewinn oder nicht. Sie sind entweder gute Investments oder nicht. Sie verhelfen Ihnen langfristig zu risikobereinigten Erträgen oder nicht. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Auf der öffentlich zugänglichen Webseite Finviz.com, mit deren Hilfe sich die Aktienmärkte gut im Auge behalten lassen, habe ich die Suchergebnisse nach zwei Parametern gefiltert, um eine Liste mit Unternehmen zu erhalten, die

    1. eine Marktkapitalisierung von mehr als 2 Mrd. $ und2. ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von mehr als 50 haben.

    Das sind die größten Unternehmen, bei denen der Anleger zumindest theoretisch 50 Jahre warten muss, bevor er für jeden investierten Dollar einen Dollar Gewinn verbuchen kann. Diese Beschreibung trifft derzeit auf 236 Unternehmen zu! Unten sehen Sie einen Screenshot von Seite 11 der Ergebnisse. Jedes dieser Unternehmen hat ein KGV von mehr als 190!


    (Quelle)
    (Über den Link gelangen Sie zu den exakten Sucheinstellungen, die ich verwendet habe. Sie können sich die Ergebnisse selbst ansehen.)

    Diese hohen Werte bedeuten, dass die Anleger bereit sind, mehr als 190 Jahre zu warten, bis das Unternehmen bei den aktuellen Kursen einen Gewinn je Aktie in Höhe der ursprünglich investierten Summe erwirtschaftet hat. Das ist, ehrlich gesagt, der reinste Wahnsinn. Nicht einmal auf den Höhepunkten der Finanzblasen von 2000 und 2007 wiesen so viele Unternehmen in praktisch allen Sektoren derart extreme Werte auf. In der Tabelle finden wir Unternehmen aus so langweiligen Bereichen wie der Lebensmittelbranche, dem Maschinenbau, dem Energiesektor und der Versicherungssparte. Dazwischen tummeln sich natürlich auch die traditionellen Überflieger aus der Biotech- und Internetbranche.

    Das ist genau die Art unkritischer Optimismus, der die Spätphase einer klassischen Finanzblase kennzeichnet. Nichts kann die Partystimmung trüben. Alles ist perfekt bewertet und jeder Sektor hat seine eigene Geschichte, mit der er die Euphorie rechtfertigen kann. "Oh, die Energiepreise werden sich schon bald erholen, Amazon hat ein unantastbares Preismonopol, Netflix investiert in erstklassige Inhalte und die Lebensmittelbranche...ähm...naja...weißt du, dieses eine Unternehmen ist wirklich etwas Besonderes. Vielleicht werden sie bald übernommen?"

    In der obenstehenden Tabelle habe ich einige Unternehmen gelb markiert, nur um die Diskussion ins Rollen zu bringen. Beginnen wir mit Yelp. Mit ist noch nicht einmal klar, warum Yelp ein KGV von mehr als 15 verdienen sollte. Ganz zu schweigen von 192. Das Geschäftsmodell beruht darauf, dass Nutzer Bewertungen schreiben, mit denen Traffic/Seitenaufrufe generiert werden, auf deren Grundlage wiederum Werbeplätze verkauft werden. Diesem Modell droht Konkurrenz von allen Seiten. Google überholt das Unternehmen in sämtlichen Bereichen und jeden Tag erscheinen neue Apps, die nach dem gleichen Prinzip ähnliche Informationen bereitstellen.

    07:30 Uhr, 30.01.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Merl
    Merl

    Man sollte eine Mindestverschuldungsquote einführen!

    23:56 Uhr, 29.01.2018
  • Michelshosen
    Michelshosen

    Besonders herrlich wie grade bei Gold und Silber und den Minen die `` Explosion stattfindet `` nur nach unten !!! Mich dünkt einer kündigte das an ................

    18:09 Uhr, 29.01.2018
    2 Antworten anzeigen
  • Michelshosen
    Michelshosen

    Herrlich ! Popcorn sind aufm Tisch .........

    18:03 Uhr, 29.01.2018
  • 1 Antwort anzeigen
  • Zukunft21
    Zukunft21

    wir deutsche werden enteignet und klatschen dafür noch Ablaus ein hoch auf die EZB und EU

    wie dämlich muss man sein als Regierung ?

    Aber die können auchn ichts mehr dagegen machen haben mit sich selbst genug zu tun die armen Wischtel wenn ic hetwas Zeit finde werde ic hsie bedauern für ihren Mist den sie machen.

    15:41 Uhr, 29.01.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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