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15:00 Uhr, 30.05.2022

Deutschland geht zu China auf Distanz

Erstmals lehnt Berlin Bürgschaften für Investitionen in China ab. Betroffen seien vier Anträge auf Verlängerung von Garantien, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Freitagabend mitteilte. Geht es um Volkswagen?

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Berlin/ Peking (Godmode-Trader.de) - Der VW-Konzern steht in der Kritik. Wieder einmal! Es geht um das Werk in der Provinz Xinjiang. Zuletzt waren Berichte über Menschenrechtsverletzungen und brutale Unterdrückungen an der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Provinz in die Öffentlichkeit gelangt.

VW stand wiederholt am Pranger, weil die Wolfsburger zusammen mit dem chinesischen Staatskonzern SAIC seit 2013 die Fabrik in der Provinzstadt Urumqi betreiben. Und auch jetzt will der Konzern an dem Werk festhalten. „Ich glaube, dass die Präsenz der SAIC Volkswagen dazu führt, dass sich die Situation für die Menschen verbessert", sagte Volkswagen-Chef Herbert Diess dem Handelsblatt am Montag. „Wir reisen dort hin, stellen wie überall auf der Welt sicher, dass unsere Arbeitsstandards durchgesetzt, kulturelle und religiöse Unterschiede respektiert werde." Gäbe es Ansatzpunkte für Vergehen, würde massiv dagegen vorgegangen, sagte Diess.

Nach den neuen Berichten über die unwürdige Behandlung der muslimischen Minderheit der Uiguren will die Bundesregierung stärker auf Distanz zu dem kommunistischen Regime gehen. Die Volksrepublik sei zwar ein großer Handelspartner, es gebe aber sehr relevante Probleme", auch bei der Einhaltung von Menschenrechten, erklärte Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Freitag. Das wurde jahrelang ausgeblendet. Diese Regierung hat den Umgang mit den China-Fragen aber verändert“.

Ein erster Schritt ist bereits erfolgt. Die Bundesregierung hat erstmals Investitionsgarantien für ein Unternehmen abgelehnt. Vier Anträge auf eine Verlängerung von Garantien seien abgelehnt worden, heißt es vom Wirtschaftsministerium in Berlin. Diese hätten „einen Bezug zu einer Be­triebsstätte in der Provinz Xinjiang, be­ziehungsweise der Bezug ließ sich nicht ausschließen“. Ein Firmenname wurde nicht genannt. Aber klar ist: Es geht um Europas größten Autokonzern Volkswagen. Solche Garantien des Bundes sind für die deutsche Wirtschaft sehr wichtig. Mit ihnen sichert der Staat Unternehmen gegen politische Risiken im Ausland ab. Die Sache kann für VW heikel werden, denn der Konzern setzt in China rund 40 Prozent seiner Fahrzeuge ab.

Tausende deutsche Unternehmen sind in China tätig. Das Reich der Mitte ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Acht Prozent der deutschen Exporte gehen in die Volksrepublik. Deutsche Importabhängigkeiten bestehen bei strategisch wichtigen Produkten wie Lithium-Batterien, wie die deutsche Handelskammer (AHK) in China berichtet. Die Lockdowns in Shanghai und anderswo demonstrierten auch die Abhängigkeit von Lieferketten, wenn Produkte nicht nach Deutschland geliefert werden können, weil ein einziges kleines Teil fehlt.

In Wirtschaft und Politik kommt es nun zu einem Umdenken, Deutschland soll sich diversifizierter aufstellen und die Abhängigkeit von China reduzieren. „Die Epoche der Globalisierung der letzten 30 Jahre, frei von politischen Störfaktoren, ist vorbei", sagte Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin. „Es gilt bei wirtschaftlichen Entscheidungen für die Zusammenarbeit mit China politischen Risikofaktoren stärker Gewichtung zu geben, um Abhängigkeiten beim Umsatz oder bei den Lieferketten zu reduzieren."

Doch schon treten die Mahner ins Rampenlicht. „Bei strategischen Produkten oder Rohstoffen gilt es, diese mit Augenmaß zu reduzieren", sagte Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der AHK. „Die Abhängigkeit zwischen Deutschland und China ist gegenseitig." Um sich von China abzukehren, müssten anderswo neue Lieferketten aufgebaut werden, was lange dauere. „In der Zwischenzeit wäre mit Preissteigerungen zu rechnen.“ Durch die enge Verflechtung deutscher Unternehmen in chinesische Lieferketten würde sich eine Abkopplung „auf die ganze deutsche Wirtschaft negativ auswirken", warnte Hildebrandt.

Zurück zu Volkswagen: Das Werk in Xin­jiang ist nur eines von vielen in China und relativ klein, hat aber Bedeutung. Zur Eröffnung war spekuliert worden, die Wolfsburger machten den Standort in der wirtschaftlich schwachen Region vorrangig auf Druck des Regimes in Peking auf.

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  • realconversation
    realconversation

    Entflechtungen sind meist schwierig, aber irgendwann sind sie m. E. unumgänglich. Ja, die Wirtschaft muß laufen, aber nicht um jeden Preis. Es sollte auch um Werte gehen, für die wir hoffentlich stehen. Der ehrliche, transparente Kaufmann und sein Ehrenwort - wo findet man das? Etwa in China? Würde mich wundern. Menschenrechte, die sich auf unsere biblisch- und humanistisch-abendländische Tradtion gründen scheinen keine allzu große Rolle zu spielen - leider auch nicht bei den Parteien mit dem "C" am Anfang.

    21:43 Uhr, 30.05.2022

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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